In Stuttgart hat der Hamburger Martin Harnik ein Zuhause gefunden, die alte Heimat bleibt ein Traum. Der Stürmer spricht auch darüber, warum er weder beim HSV noch beim FC St. Pauli gelandet ist.

Stuttgart/Hamburg. Vor dem Bundesliga-Heimspiel des HSV gegen den VfB Stuttgart am Sonntag (15.30 Uhr) spricht Stuttgarts Stürmer Martin Harnik, 26, über seine Beziehung zu seiner Heimatstadt Hamburg und warum er weder beim HSV noch beim FC St. Pauli gelandet ist. Zudem würde der österreichische Nationalspieler liebend gern noch einmal mit seinem Jugendfreund Max Kruse zusammenspielen.

Hamburger Abendblatt: Herr Harnik, haben Sie das WM-Aus mit Österreich schon verdaut?

Martin Harnik: Nicht ganz. Ich hätte liebend gern die Play-offs erreicht. Jetzt ist wieder Vereinsfußball, Ligaalltag. Und darauf freue ich mich. Das Spiel in Hamburg kommt da genau richtig.

Wie meinen Sie das? Weil Sie von einem Erfolgserlebnis ausgehen?

Harnik: Weil es in die Heimat geht. In Hamburg in dem tollen Stadion zu spielen ist für jeden Bundesligaspieler etwas Besonderes. Für mich als Hamburger noch mehr.

Drückt Ihre Familie Ihnen oder dem HSV die Daumen?

Harnik: Meine Familie eher mir. Logisch. Aber ich habe einen Onkel mit HSV-Dauerkarte, der mir zwar Glück wünscht, aber als Kompromiss nicht mehr als ein Unentschieden akzeptieren würde. In der Familie meiner Frau sind schon noch ein paar mehr für den HSV. Aber das ist okay. Denn an dem Tag wünschen sie mir mit dem VfB dann auch den Sieg.

Wie viele Harniks kommen am Sonntag ins Stadion?

Harnik (lacht): Ich musste 30 Karten für Freunde und Verwandte besorgen. Es sind also einige Unterstützer da.

Die hatten Sie einst auch beim HSV, der Sie als A-Jugendlichen vom SC Vier- und Marschlande weglotsen wollte. Weshalb hat es nicht geklappt?

Harnik: Das ist bei mir vielleicht etwas unglücklich gelaufen. Ich musste mich damals zwischen Werder Bremen und HSV entscheiden.

Das ist für einen HSV-Fan doch eine leichte Entscheidung...

Harnik: Ja, mag sein. Aber ich war früher kein Fußballfan.

Wie bitte?

Harnik: Ich meine damit, ich hatte nie einen bestimmten Lieblingsverein. Aber ich liebte Fußball natürlich schon immer, ich hatte eher einzelne Spieler als Vorbilder.

Wen?

Harnik: Natürlich Stürmer. Aber nicht die, die immer in der ersten Reihe waren. Ich fand Michael Preetz damals bei Hertha super, Ulf Kirsten in Leverkusen oder auch Roy Präger in Wolfsburg. Ich hatte eine wahnsinnig geile Zeit in der Jugend beim SCVM. Wir sind von der B-Jugend bis in die A-Jugend-Bundesliga durchmarschiert. Wir waren das kleine gallische Dorf unter den Großen und haben es allen gezeigt.

Und dann wollten Sie die Großen. Warum wurde es Bremen, nicht der HSV?

Harnik: Weil die Bremer mir deutlicher gezeigt hat, dass sie mich wollen. Beim HSV hatte Dietmar Beiersdorfer als Sportchef damals zuerst die Nase vorn. Er war sehr überzeugend, hat mir meine Zukunft aufgezeichnet, und ich war schon fast so weit, zuzusagen. Aber dann kam das Gespräch mit dem A-Jugend-Trainer, der nicht sonderlich motiviert wirkte. Es schien mir, als würde der das Gespräch nur führen, weil Beiersdorfer ihn geschickt hatte. Es wirkte nicht so, dass der Trainer auf mich bauen würde. Genau das war bei Werder anders. Dort wollte man mich. Unbedingt. Daher bin ich weg, obwohl ich sehr heimatverbunden bin. Ich mache meine längeren Urlaube fast immer bei der Familie. Ich liebe die Stadt, wäre damals nur zu gern in Hamburg geblieben.

Gab es denn nie einen Versuch, Sie nach Hamburg zurückzuholen?

Harnik: Nach Hamburg schon. Aber das waren damals die Nachbarn vom FC St. Pauli, die mich aus Düsseldorf holen wollten. Aber als in dem Moment der große VfB Stuttgart anklopfte, war meine Entscheidung klar.

Vom HSV kam keine Anfrage mehr?

Harnik: Nein. Das ist jetzt auch nicht denkbar. Ich habe meinen Vertrag beim VfB bewusst bis 2016 verlängert – weil ich mich sehr wohlfühle. Auch Stuttgart ist ein Stück Heimat geworden.

Der VfB hat wie der HSV gerade einen Trainerwechsel hinter sich.

Harnik: Und bei beiden hatte es den typischen Trainerwechsel-Effekt, bei beiden stellen sich Erfolge ein.

Warum ist das so?

Harnik: Weil sich alle Spieler zeigen wollen. Jeder fängt gewissermaßen wieder bei Null an. Das ist häufig so. Die Qualität war vorher ebenfalls da, aber jetzt gibt es wieder andere Reize, und es ist mit den Ergebnissen auch wieder etwas mehr Freude zurück. Aber ich behaupte auch – zumindest für uns kann ich das sagen –, dass wir auch vorher einen sehr guten Trainer hatten. Bruno Labbadia war fast drei Jahre beim VfB, das ist für Stuttgarter Verhältnisse ebenso wie für Bundesligaverhältnisse heutzutage absolut vorzeigbar.

Wie nimmt man denn im Süden den HSV als Verein wahr?

Harnik: Es wirkt so, als wäre dort oftmals Unruhe. Jetzt auch beim Trainerwechsel. Man hat irgendwie das Gefühl, dass beim HSV vielen Leuten im Verein Gehör verliehen wird, als ob zu viele mitreden wollen. Ich als HSV-Sympathisant muss zugeben, dass ich dem Club ruhigere Zeiten wünsche. Dieser Verein verdient mehr.

Weil Sie dann zum HSV kommen könnten? Oder würden Sie eine solche Rückkehr ausschließen?

Harnik (lacht): In dem Geschäft kann man kaum etwas ausschließen. Irgendwann in der Heimat zu spielen, das wäre schon toll.

Sie könnten dann noch Ihren kongenialen Partner aus Jugendzeiten mitbringen, Nationalspieler Max Kruse.

Harnik: Max war immer HSV-Fan. Mit ihm nach dem letzten gemeinsamen Spiel in der Regionalliga in Bremen mal wieder zusammenzuspielen, wäre eine geile Geschichte.

Aus Ihrer Zeit in Düsseldorf kennen Sie noch Maxi Beister. Haben Sie Kontakt zu ihm oder anderen Spielern des HSV?

Harnik: Eher weniger. Aber wir kennen uns. Zufälligerweise kennen sich auch unsere Eltern.

Was hat Stuttgart dem HSV voraus?

Harnik: Neben den drei Punkten? Vor allem eine finanziell gesunde Basis. Ich glaube, das ist es in erster Linie.

Und sportlich? Was erwarten Sie?

Harnik: Ein Spiel auf Augenhöhe. Bei beiden ist die Qualität vorhanden, beide steckten in einem Negativstrudel und haben sich rausgearbeitet. Das Team mit der besseren Tagesform und etwas mehr Glück gewinnt. Hoffentlich wir.