Der HSV quält sich in die nächste Runde des DFB-Pokals: 72 Minuten berannten die Hamburger vergeblich das Tor des Fünftligisten Schott Jena, dann trafen Rudnevs (2), van der Vaart und Zoua zum 4:0-Sieg.

Jena. Von der ersten Minute an Gas geben – diese Losung hatte HSV-Kapitän Rafael van der Vaart vor der Erstrunden-Partie im DFB-Pokal beim Fünftligisten SV Schott Jena ausgegeben. Doch da hatten einige seiner Mitspieler wohl nicht richtig zugehört: Am Ende dauerte es 73 Minuten, ehe der Bann brach und das erste Tor fiel, ehe drei weitere Treffer innerhalb von sechs Minuten folgten. „Das 4:0 hört sich besser an, als es war. Doch solche Spiele sind einfach eklig, das weiß jeder“, fasste Neuzugang Lasse Sobiech nach dem Abpfiff sein erstes Pflichtspiel für den HSV zusammen.

Rund 4000 Fans aus Hamburg hatten sich auf den Weg zum Ernst-Abbe-Sportfeld gemacht, um ihre Mannschaft lautstark zu unterstützen. Die störte es auch nicht, dass sie typisches „Hamburger Wetter“ vor dem Anpfiff bis auf die Klamotten durchnässte. Zeitweise war es so dunkel, dass man sich ernsthafte Sorgen machen musste, ohne die kürzlich abgebauten, verrosteten Flutlichtmasten überhaupt ausreichend sehen zu können.

Das, was die Anhänger dann zu sehen bekamen, erinnerte in der ersten Viertelstunde doch arg an die indiskutable Testspielniederlage gegen Dynamo Dresden (0:4) vom Mittwoch. Die Viererkette der Hausherren stand überraschend hoch und machte den Raum zum Kombinieren für den HSV dadurch extrem eng. Die Hamburger fanden keine Lösung, um die Abwehr des Oberligisten spielerisch zu knacken. Ein Kopfball neben das Tor von Heiko Westermann, der seine Knieprellung rechtzeitig auskuriert hatte, war zugleich der erste Torschuss der Partie (14.).

Immerhin erarbeiteten sich die Gäste in der Folge Möglichkeiten im Minutentakt, die allerdings teilweise auf abenteuerliche Art und Weise vergeben wurden. Jacques Zoua brachte das Kunststück fertig, aus vier Metern frei vor dem Tor deutlich vorbeizuköpfen (15.), van der Vaart bekam das Spielgerät vier Minuten später drei Meter vor dem Tor vorgelegt, doch auch sein Kopfball strich über den Kasten. Und Petr Jiracek hatte nach Zuspiel von Maximilian Beister das fast leere Tor vor sich, ein Jenaer Abwehrspieler rettete sein Schüsschen jedoch auf der Linie.

„Natürlich ärgert man sich, wenn man hinten steht und sieht, wie die Jungs vorne ein Dutzend Chancen vergeben“, sagte Westermann, der später in der Partie mehrmals schimpfend abwinkte. Auch Trainer Thorsten Fink lief des Öfteren aufgeregt lamentierend in seiner Coaching Zone auf und ab und raufte sich die Haare. „Mir wurde schon ein wenig mulmig, als wir so viele Chancen ausgelassen hatten“, gab der HSV-Trainer zu. „Doch wir haben die Ruhe bewahrt und uns dann doch noch selbst belohnt. Wenn das erste Tor fällt, wird es oft viel leichter.“

Fink wurde immer nervöser

Doch nach dem Wiederanpfiff war zunächst wieder viel Leerlauf im Spiel der Hamburger, die einzig durch Jiraceks Pfostenschuss (62.) einem Treffer nahe kamen. Vor allem durch die Mitte gab es weiter kein Durchkommen, gefährlich wurde es meist, wenn die Außenspieler zur Grundlinie gingen und Flanken einsetzten. Vor allem Marcell Jansen tat sich hier positiv hervor, dessen Kniereizung ihn offensichtlich nicht mehr behinderte. Hinten standen die Hamburger Verteidiger oft eins gegen eins, was durch den Tempovorteil der Bundesligaprofis allerdings kein unkalkulierbares Risiko darstellte.

Als Fink ob des nicht fallenden Tores immer nervöser wurde, brachte er Artjoms Rudnevs als zweite Sturmspitze – und nur elf Minuten später wurde der Trainer für diese Maßnahme belohnt: Ein Zuspiel von Zoua nutzte der Lette, der in der vergangenen Bundesligasaison zwölf Tore erzielt hatte, aus kurzer Distanz. Rudnevs wirkte frisch und voller Tatendrang und nutzte einen individuellen Fehler seines Gegenspielers eiskalt aus, als er den Torwart umspielte und seinen Club mit dem zweiten Treffer endgültig beruhigte. „Na klar hat Rudi sich für den Bundesligaauftakt auf Schalke empfohlen“, lobte Fink seinen Schützling, der dann wohl Zouas Rolle einnehmen dürfte.

Bei Jena ließen in der Schlussphase die Kräfte und die Gegenwehr nach, sodass van der Vaart per direktem Freistoß (79.) nachlegen konnte und sogar Zoua nach einem Lauf über die linke Außenbahn noch seinen ersten Treffer für den HSV feiern durfte. „Am Ende sind wir eine Runde weiter als im vergangenen Jahr, als wir gegen Karlsruhe gleich in der ersten Pokalrunde rausgeflogen sind“, bilanzierte Fink, der im gleichen Atemzug aber zugab, dass noch viel Arbeit auf ihn und sein Team warten würde. Immerhin hat sich eine Woche vor der Begegnung auf Schalke kein Spieler verletzt.

Finks Gegenüber, Jenas Trainer Steffen Geisendorf, war trotz der 0:4-Niederlage stolz auf sein Team und konnte der Niederlage sogar etwas Gutes abgewinnen: Er ist seit Kindesbeinen HSV-Fan und darf zusammen mit den Hamburgern weiter davon träumen, das erste Pokalfinale in Berlin seit dem Titelgewinn vor 26 Jahren zu erleben. Der Auftritt der Profis gegen Jena war zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – wenn auch ein ziemlich kleiner.

HSV: Drobny – Diekmeier, Sobiech, Westermann (84. Tah), Jansen – Badelj (77. Calhanoglu), Arslan – Beister, van der Vaart, Jiracek (62. Rudnevs) – Zoua. Tore: 0:1 Rudnevs (73.), 0:2 Rudnevs (77.), 0:3 van der Vaart (79.), 0:4 Zoua (83.). Zuschauer: 11.800 (ausverkauft). Schiedsrichter: Leicher (Landshut).