Wie Oberliga-Aufsteiger SV Schott Jena nach der Jahrhundertflut 2013 darum kämpfen musste, sein Pokalspiel gegen den HSV im eigenen Stadion austragen zu können.

Jena. Wie Mahnmale liegen drei bereits abmontierten Stahlleichen neben den Tribünen des Ernst-Abbe-Sportfelds in Jena. Mahnmale des Jahrhunderthochwassers 2013. Drei Arbeiter sägen auf einem großen Kran den letzten der vier 74 Meter hohen Flutlichtmasten Stück für Stück herunter.

Bis hoch zu den Sitzplatzreihen hatte sich das Stadion mit Wasser gefüllt. Nachdem sich die Flut im Juni zurückgezogen hatte, stellte ein Gutachter erhebliche Roststellen am Sockel der Masten fest – Einsturzgefahr. Das Fazit: Wenn das DFB-Pokalspiel stattfinden soll, müssen die Masten weg.

„Jahrzehnte waren sie das Erkennungsmerkmal unseres Stadions. Die haben schon den sensationellen 4:0-Europapokalsieg von Carl Zeiss Jena gegen den AS Rom beleuchtet“, sagt Vizepräsident Erhard Schwarz (64) wehmütig. In den 80er Jahren gehörte Jena zu den besseren Fußball-Adressen Europas. Heute steht die Region für Fußball-Bedeutungslosigkeit. Der ein stolze, dreimalige DDR-Meister Carl-Zeiss kickt nur noch in der Regionalliga.

In den Tagen vor dem Pokalspiel gegen den HSV (So, 16 Uhr, Sky und Liveticker bei abendblatt.de) erinnert neben den abmontierten Flutlichtmasten nur noch ein beißender Fischgeruch an das Jahrhunderthochwasser. Der Dreck ist beseitigt und der Rasen saftig grün. „Der Schlamm war wie Dünger für die Plätze. So gesund sah der Rasen schon lang nicht mehr aus“, sagt Schwarz voller Zweckoptimismus. Dabei liegen aufreibende Monate hinter dem kleinen Amateurverein.

22. Mai: Dem damaligen Sechstligisten gelingt die Sensation gegen Rot Weiß Erfurt aus Liga drei (1:0). Thüringenpokalsieger – der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. „Wir hatten schon ab der 60. Minute Krämpfe. Danach gab es nur noch Freudentränen“, verrät Linksverteidiger Paul Schletzke (26) noch immer ergriffen. Das Ticket zum DFB-Pokal war damit gelöst.

Doch dann kam die Flut. Wenige Tage nach dem thüringischen Fußballwunder setzte ein tagelanger Regen ein. „Wir hatten alle ein ungutes Gefühl und Angst, dass uns das Spiel unseres Lebens genommen wird“, sagt Schletzke. Die schlimmsten Befürchtungen schienen wahr zu werden.

Der Saale-Pegel stieg bald auf knapp fünf Meter an – normal sind zwei Meter. Innerhalb weniger Tage wurden das Ernst-Abbe-Sportfeld und alle am Fluss gelegenen Nebenplätze überflutet. Existenzangst statt Fußballeuphorie. „Wir konnten nichts tun. Das Gelände wurde frühzeitig abgesperrt. Wir mussten zuschauen, wie alles abgesoffen ist“, beschreibt Schwarz die Qualen, tatenlos zuschauen zu müssen.

Die Saison war noch nicht beendet. Trainingseinheiten mussten abgesagt werden. Trotz der Katastrophe im Hinterkopf absolvierten die Amateurkicker die letzten drei Saisonspiele erfolgreich. Der Aufstieg in Liga fünf war perfekt. Die Saale zog sich zurück und hinterließ einen Ort des Grauens. „Fast das gesamte Sportforum war mit Schlamm überzogen“, sagt Schwarz. Mitarbeiter der Stadt und zahlreiche Freiwillige ist es zu verdanken, dass heute fast nichts mehr an die Katastrophe erinnert.

Am 15. Juni dann große Betriebsamkeit in einer Jenaer Kneipe. Spieler, Funktionäre und Angehörige von Schott sind versammelt. In der ARD-Sportschau läuft die Auslosung zur ersten DFB-Pokalrunde. Schon zur dritten Paarung wird Schott Jena gezogen. „Als uns der Bundesliga-Dino zugelost wurde lagen wir uns in den Armen. Ich habe gestandene Männer weinen sehen“, beschreibt Schletzke das „Glückslos“ HSV.

Der Ticketverkauf startet unmittelbar danach. Der Club wird überhäuft mi Kartenanfragen, 12.000 Menschen wollen live dabei sein. Dann der nächste Schock: Gutachter erklären das Stadion aufgrund der verrosteten Flutlichtmasten für unbespielbar. „Das waren schlaflose Nächte“, erzählt Schwarz. „Karteninhaber wollten ihr Geld zurück, eine Stadionalternative gab es nicht. Es herrschte pure Angst, dass uns der Pokal-Hit genommen wird.“

Vorschläge das Spiel in Leipzig auszutragen oder das Heimrecht mit Hamburg zu tauschen, wurden von den Verbänden abgelehnt. Anfang Juni dann der Entschluss: Die Flutlichtmasten werden entfernt. „Das sorgte in der Stadt für viel Unmut. Aber es ist die beste Entscheidung“, sagt Schwarz.

Doch Unmut und Unruhe sind längst der Vorfreude auf das Spiel der Spiele für den Oberliga-Aufsteiger gewichen. „Wir wollen das Spiel so lange wie möglich offen halten“, hofft Schwarz. „Aber wenn wir einstellig verlieren, sind wir zufrieden.“