Der frühere HSV-Profi arbeitet nach seiner schweren Knieverletzung im Hamburger Epi-Zentrum an seinem Comeback. Ein Ortsbesuch.

Hamburg. Es ist heiß. Draußen, aber vor allem drinnen. „Das ist doch nicht heiß“, sagt Piotr Trochowski, dem der Schweiß in Strömen über die Stirn läuft, „in Sevilla sind es 45 Grad im Sommer. Das ist heiß.“ 30 Sekunden Pause sind um, und Trochowskis spanischer Rehatrainer Sergio Dominguez mahnt im Kraftraum des Epi-Zentrums in Eimsbüttel die nächste Übung an: „Arriba, Ándale“, ruft Dominguez und wirft einen Medizinball in Trochowskis Richtung, den der frühere HSV-Profi fangen muss, dann ein Bauchaufzug und zurückwerfen. Auf! Los!

„Das Programm ist natürlich anstrengend, aber ich weiß ja, wofür ich mich quäle“, sagt Trochowski, der gerade für eine Woche in seiner Heimatstadt Hamburg zu Besuch ist. Für den FC Sevilla, für sich, für sein Comeback, aber vor allem für seine Karriere.

Zwischen dem Tor gegen Barcelona und der Verletzung lagen nur zwölf Minuten

Rückblick: Es war der 29. September 2012, als Trochowski in nur zwölf Minuten Himmel und Hölle eines Fußballerlebens erlebte. Gerade hatte der Mittelfeldmann zur 1:0-Führung gegen den FC Barcelona getroffen, als er einen heftigen Schmerz im rechten Knie spürte. Trochowski musste vom Feld. Erste Diagnose: nichts Schlimmes. Trotzdem flog der frühere Nationalspieler zu DFB-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt nach München, der nach kurzer Untersuchung für die bittere Gewissheit sorgte: Knorpelschaden.

„Als ich die Röntgenbilder sah, war das ein Schock“, sagt der 29-Jährige. Müller-Wohlfahrt riet, sofort zur Operation in die USA zu Kniespezialist Richard Steadman zu reisen. „Eigentlich wollte ich nur einen Tag in München bleiben, deswegen hatte ich weder Gepäck noch einen Reisepass dabei“, erinnert sich Trochowski, dessen Frau Melanie alles aus der Wohnung in Sevilla besorgte. Noch am gleichen Tag flog der frühere Hamburger, der insgesamt sechs Jahre beim HSV gespielte hatte, über Madrid nach Colorado, wo schon bald der nächste Schock warten sollte.

Drei Tage nach der OP brach das überbeanspruchte Schienbein, das Steadman wegen Trochowskis ausgeprägten O-Beinen richten wollte. Statt einer Woche musste der gebürtige Pole neun Wochen in den USA bleiben, statt sechs Monaten wurde die prognostizierte Pause auf ein Jahr geschätzt. „Wenn ich ganz ehrlich bin, hat mich das alles gar nicht mehr geschockt“, sagt Trochowski. „Nachdem ich den Tiefschlag in München überstanden hatte, war ich mir zu hundert Prozent sicher, dass ich wieder Fußball spielen werde.“

Der Kopf war stark, das Knie blieb schwach. Sieben Schrauben und zwei Platten müssen das Bein zusammenhalten. „Es kann einen auch härter treffen“, sagt Trochowski, dessen Knie in den zwei Monaten nach der Operation acht Stunden am Tag durch eine Maschine mit Elektroschocks behandelt wurde, „ein wiederholter Kreuzbandriss wie bei Holger Badstuber ist viel schlimmer“. Tatsächlich scheint die schwere Verletzung Trochowski gutgetan zu haben. Der Mittelfeldmann wirkt cool, entspannt, irgendwie locker. „Ich habe gelernt, dass der Kopf am wichtigsten ist, ich wollte unbedingt vermeiden, in Mitleid zu versinken.“

Vor drei Wochen hat Trochowski das Lauftraining aufgenommen, in drei Wochen will er mit Sevilla ins Trainingslager reisen. Konkrete Ziele will der Wahlspanier nicht setzen, aber läuft alles gut, könnte er im August wieder ins Mannschaftstraining einsteigen. Im September, genau ein Jahr nach der Tortur, soll das Comeback dann perfekt gemacht werden: „Ich vermisse das Gefühl, einfach nur Fußball zu spielen.“

Bis es so weit ist, das weiß Trochowski, muss er sich noch eine ganze Weile quälen. Während seines Heimatbesuchs ist er täglich bis zu vier Stunden im Epi-Zentrum des früheren HSV-Physiotherapeuten Uwe Eplinius. Eine Stunde Behandlung, anderthalb Stunden Rehatraining, dann noch mal Behandlung. „Troche ist ein Paradepatient, er ist ehrgeizig, gleichzeitig aber auch geduldig“, sagt Sevillas Rehatrainer Dominguez, der extra für zwei Tage aus Spanien angereist ist, um die Rahmenbedingungen von Trochowskis Training zu kontrollieren. Sein Fazit: „Muy profesional!“

Auch Freezers-Torhüter Kotschnew wird im Epi-Zentrum am Knie behandelt

Ein Stockwerk höher ist es immer noch heiß, nicht wie in Sevilla, aber trotzdem heiß. Trochowski liegt auf einer Liege, lässt sich von Eplinius durchkneten und unterhält sich mit dem ebenfalls am Knie verletzten Freezers-Torhüter Dimitrij Kotschnew. Alte Geschichten werden zum Besten gegeben, Fußball- mit Eishockeyprofis verglichen. Was das Feiern angeht, da ist man sich schnell einig, sind vor allem Handballer und Hockeyspieler weit vorne.

Nach knapp vier Stunden ist Trochowskis Rehatraining für den Tag beendet. „Morgen um 9.15 Uhr?“ fragt Eplinius. „Morgen um 9.15 Uhr“, antwortet Trochowski. Rund 15 Zentimeter lang sind die beiden Operationsnarben, die rechts und links am Knie an die schlimmste Verletzung seiner Karriere erinnern. Angst um die Fortsetzung seiner Profilaufbahn habe er aber nie gehabt. „Warum auch?“ fragt Trochowski, er sei doch nie ernsthaft verletzt gewesen. „Ich bin mir sicher“, sagt er, „dass ich noch spiele, bis ich mindestens 34 Jahre alt bin.“

Online: Weitere Bilder von Piotr Trochowskis Rehatraining: www.abendblatt.de/troche