Seit Rafael van der Vaart Kapitän ist, haben die Hamburger zweimal gewonnen. Vor dem Spiel am Sonntag auf Schalke kündigt er an: Wir wollen mehr!

Hamburg. Sein Team hat gewonnen. Und er hat den entscheidenden Treffer erzielt. "Käpt'n Sieg", wie Rafael van der Vaart, 30, nach seinen beiden Siegen in zwei Bundesliga-Spielen als Kapitän beim HSV gerufen wird, hat wieder zugeschlagen - noch allerdings nur im Trainingsspiel am Donnerstag. Aber der Niederländer hat schon sein nächstes Opfer ausgemacht: den FC Schalke 04 am Sonntag (17.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de). "Wir müssen dort gewinnen, weil wir den nächsten Schritt machen wollen", fordert van der Vaart, der als einer der wenigen im Team den internationalen Wettbewerb als einzig gültiges Ziel ausgelobt hat. Jetzt geht er sogar noch einen Schritt weiter: "Bei zwei Punkten Rückstand auf Schalke als Viertem ist auch die Champions League erreichbar." Der entscheidende Zusatz: "Wenn wir besser spielen. Mit einem Sieg ist alles drin."

Das sagt jener HSV-Profi, der als Hoffnungsträger geholt wurde - und der auf Schalke mit dem HSV noch ungeschlagen ist. In bislang drei Partien gab es mit van der Vaart zwei Siege und ein Remis für den HSV. Ein gutes Omen? "Na ja", relativiert er und lacht. "Bis vor Kurzem hatte ich auch eine sehr gute Bilanz beim FC Bayern ..." Ein 2:9 wie in München werde es auf Schalke nicht geben, ist sich van der Vaart sicher: "Nein, wir wissen, worum es geht."

Genau dieser Anspruch ist es, den van der Vaart der Mannschaft als neuer Kapitän vermitteln will. Er sei zwar selbst noch der alte Rafael und wolle sich nicht ändern, doch mit der neuen Aufgabe und einer besseren Form sei einiges möglich. "Rafa ist meine rechte Hand auf dem Platz", lobt HSV-Trainer Thorsten Fink, "er hat bei mir Prokura. Er ist ein Kapitän, der mit der Verantwortung umgehen kann. Ich gebe die Richtung vor, und Rafael setzt es auf dem Platz um. Wenn er während des Spiels der Meinung ist, eine andere Gangart sei in dem Moment besser - er darf es ansagen und ändern."

Dabei ist dieser van der Vaart eher ein ruhiger, bescheidener Mensch, kein Lautsprecher. Er hört zu, ist für seine Mitspieler jederzeit ansprechbar. Er organisiert keine Mannschaftsabende, er beruft auch keine Krisensitzungen ein. Wutreden in der Kabine sind ihm ebenso fremd wie herrische Ansagen auf dem Platz. "Rafael löst es spielerisch", sagt Sportchef Frank Arnesen, "er hat ja schon fast alles erlebt. Die Jungen glauben ihm, die Älteren überzeugt er mit seiner Qualität. Deshalb folgen ihm alle. Selbst dann, wenn sie mal nicht sofort von seiner Idee überzeugt sind." Sie laden so die Verantwortung auf van der Vaarts Schultern. "Kein Problem", sagt der Kapitän lässig, und Fink ergänzt: "Rafael hat vom ersten Tag als Kapitän den anderen Spielern Ballast abgenommen. Er macht die Mannschaft nicht nur mit seinen Aktionen stärker, an ihm wachsen auch die Nebenleute."

Insbesondere der wegen seiner Beförderung degradierte frühere Kapitän Heiko Westermann habe davon profitiert. "Heiko merkt man die Erleichterung an. Er ist seitdem konstanter - und unsere Abwehr steht", lobt Fink. Westermanns Vorgänger David Jarolim (von 2008 bis 2010 HSV-Kapitän) kann die Maßnahme des Trainers nachvollziehen. Der Tscheche, der inzwischen in seiner Heimat beim FK Mlada Boleslav spielt, hat van der Vaart von 2006 bis 2008 selbst als Kapitän erlebt. "Rafael ist eine super Lösung", sagt Jarolim. "Er redet nicht zu viel, er macht. Er bringt seine Leistung und kann Spiele entscheiden, ohne abzuheben. Er ist trotz seiner Weltkarriere ein einfacher Junge, der Fußball spielen will. Und diese Begeisterung färbt auf seine Mitspieler ab. Alle kennen seine Qualitäten."

Van der Vaart kann dirigieren, ohne zu reden. "Wenn Rafael nach vorn sprintet, rücken wir nach", sagt Tolgay Arslan. "Wenn er vorn draufgeht, machen wir mit Druck. Lässt er sich ins Mittelfeld fallen, ziehen wir uns etwas zurück. Rafa muss uns nichts sagen, wir verstehen ihn." Arslan wird nach überstandener Grippe am Sonntag auf Schalke als Absicherung für van der Vaart wieder auf die Sechser-Position rücken, voraussichtlich zusammen mit Dennis Aogo. Die Besetzung der zweiten "Sechs" hält sich Fink noch offen. Für das Verständnis auf dem Platz spiele das keine Rolle, sagt Arslan. "Alle orientieren sich an ihm."

Rafael van der Vaart, der wortkarge Führungsspieler. Er könnte, sagt die Statistik, ein Glücksbringer für den HSV sein. 1,55 Punkte errang der HSV mit van der Vaart als Kapitän. Hochgerechnet auf 34 Spieltage wären das 53 Punkte - die nahezu sichere Qualifikation für die Europa League. "Der HSV schafft das", glaubt Jarolim, der selbst die Champions League nicht ausschließen will. "Die letzten beiden Siege geben der Mannschaft viel Selbstvertrauen. Und Rafa ist derjenige, der die Mannschaft mitgerissen hat und weiter mitreißen wird. Die Verantwortung beflügelt ihn."

Der Tscheche glaubt tatsächlich an einen HSV-Erfolg in Gelsenkirchen, auf die Fortsetzung der Van-der-Vaart-Serie: "Wir gewinnen zum dritten Mal in Folge 2:1 und rücken auf den vierten Tabellenplatz vor." Dann spräche die Tabellensituation für sich, sagt Jarolim. "Dann ist in der Mannschaft die ältere Fraktion gefordert, Verantwortung zu übernehmen." Genau das will Rafael van der Vaart: seine Mannschaft nach Europa führen.