Der HSV-Mittelfeldspieler spricht über die Enttäuschung, nur Reservist zu sein. Er akzeptiert die Rolle zum Wohle der Mannschaft - aber nur auf Zeit.

Hamburg. Er wird wieder nur zuschauen dürfen. Das weiß er schon. Zwar nicht direkt vom Trainer, dafür aber aus der Zeitung und dem Internet. Und obwohl er sich Mühe gibt, die Enttäuschung darüber zu verbergen - es gelingt dem Nationalspieler nicht. "Ich weiß, dass ich gegen Bayern und Augsburg nicht gut war. Wie die meisten von uns nicht. Aber ich hatte gehofft, meine Chance zu bekommen, es besser zu machen, die Mannschaft wieder mit auf Kurs zu bringen." Vergeblich. Seit dem Mainz-Sieg in der Vorwoche sitzt Dennis Aogo auf der Bank, sein Vertreter Petr Jiracek machte seine Sache gut. Von Trainer Thorsten Fink erhielt der Tscheche nach dem Auswärtssieg sogar ein Sonderlob und gilt für die Partie gegen Fortuna Düsseldorf am Sonnabend (15.30 Uhr Sky und Liveticker auf abendblatt.de) als gesetzt.

Eine Tatsache, mit der sich Aogo nicht anfreunden will, obwohl er die Leistung des Kollegen sportlich nimmt, sie respektiert. "Petr hat seine Sache gut gemacht. Ich freue mich für ihn, und er tut der Mannschaft gut." Aber das müsse ja nicht auf seiner Position im linken Mittelfeld sein. "Ich wäre ein mieser Profi, wenn ich das einfach so hinnehme", sagt der gebürtige Karlsruher, der die ihm angediente Rolle des Führungsspielers bislang ausfüllte und voranging. Das Bankdasein ist zudem kontraproduktiv auf dem Weg zurück zur Nationalmannschaft, einem Ziel Aogos. Das weiß er. Zumal Bundestrainer Joachim Löw zuletzt seinen HSV-Kollegen Marcell Jansen statt Aogo nominierte. "Es hängt alles zusammen. Spiele ich im Verein gut, kommt die Nationalmannschaft irgendwann von selbst", reagierte Aogo vor Wochen noch optimistisch. Spielt er jedoch gar nicht, ist eine Rückkehr nahezu ausgeschlossen. Wie jetzt.

Unter seinen bisherigen Trainern beim HSV, von Martin Jol bis zum heutigen Trainer Fink, gehörte Aogo immer zu den Leistungsträgern. Das ist auch sein Anspruch. Die passive Zuschauerrolle passt da nicht. Diese Perspektive kennt Aogo eigentlich nur noch aus Zeiten, in denen er verletzt war. Selbst nach seiner vierwöchigen Viruserkrankung im vergangenen September reichte eine kurze Anlaufphase, um anschließend 16 Spiele in Folge in der Startelf zu stehen. Bis Mainz.

Jetzt sitzt Aogo auf der Bank. Und er bleibt ruhig. Dabei gab es früher Zeiten, da wäre er wahrscheinlich Amok gelaufen. "Da hätte ich mich über alles beschwert, mich als Opfer gesehen und alles ungerecht gefunden. Und auch wenn ich schon gehofft hatte, zumindest zu erfahren, warum ich draußen bin, ist jetzt absolut nicht die Zeit, sich zu beschweren. Deshalb will ich öffentlich nicht auftauchen - außer mit Leistung." Dafür sei die finale Phase der Saison zu wichtig. "Es geht um viel - aber ganz sicher nicht um Einzelne. Auch nicht um mich."

Worte, die auch aus dem Mund von Fink stammen könnten. "Jeder muss weniger an sich als an seinen Nebenmann denken. Das Kollektiv schlägt den Einzelnen. Wenn jeder dem anderen hilft, anstatt ihm Fehler anzulasten oder Schuldige zu suchen, werden wir Erfolg haben", hatte der HSV-Coach unlängst gefordert. Der 26-Jährige scheint verstanden zu haben. Auch, weil der einstige Rüpel aus dem Fußball-Internat des SC Freiburg ruhiger, reifer geworden ist. Erwachsen, wie er selbst gern sagt. Er sei ja mit seinen neun Jahren Profierfahrung sogar schon einer der Älteren im Team, so Aogo. Der dauerhafte Ärger mit seinen Lehrern auf der Max-Weber-Schule in Freiburg, der in der Summe fast zum Schulausschluss geführt hätte und letztlich trotz seiner zweifellosen Begabung "nur" zur mittleren Reife reichte, das Zerwürfnis mit seinem ersten Profitrainer, Protegé und väterlichen Freund Volker Finke - alles Vergangenheit.

Die Erfahrungen haben den einstigen Heißsporn verändert. Während seiner krankheitsbedingten Auszeit habe er viel gelernt, sagte er nach seiner Rückkehr. Über seinen Körper. Über sich selbst. Zuvor hatte ihn die extreme Drucksituation im Abstiegskampf 2011/12 an den Rand der Erschöpfung geführt. Körperlich wie geistig. Weil er zu viel wollte, sich selbst immer mehr und mehr abverlangte. Aogo: "Viele sagen das, bei mir stimmt es wirklich: Ich hasse es zu verlieren. Aber ich weiß, ich muss auch mal geduldig sein, und habe realisiert, dass ein Schritt zurück auch zwei oder noch mehr Schritte vorwärts nach sich ziehen kann."

So wie jetzt? "Na ja", sagt Aogo und lächelt, "jetzt hätte ich auf den Schritt zurück lieber verzichtet. Ich kenne mich und meinen Körper und fühle mich sehr gut. Aber ich mache den Schritt, wenn er der Mannschaft und mir hilft. Der Trainer weiß, dass ich heiß bin. Ich will meinen Teil beitragen. Das mache ich jetzt von der Bank - da gebe ich alles." Aber nur kurz, glaubt er: "Sobald ich die Chance bekomme, verlege ich all meine Energien wieder auf den Platz." Denn bei allem, was er über sich und seinen Körper inzwischen gelernt hat, weiß er: "Die Bank ist nichts für mich. Ich parke hier nur." Mehr gebe es nicht zu sagen. Mehr will er nicht sagen. Zum Wohle der Mannschaft.