Der HSV-Koreaner sorgte mit zwei Toren für den 2:1-Sieg in Mainz und soll nun zügig verlängern. Dafür müssen die Hamburger allerdings tief in die Tasche greifen.

Hamburg. Etwas mehr als eine halbe Stunde brauchte Heung Min Son am Sonnabend, um nach dem 2:1-Sieg gegen Mainz 05 wieder zu Atem zu kommen. Direkt nach dem Schlusspfiff lag der Südkoreaner wie ein Maikäfer auf dem Rücken, pustete kräftig durch und ließ sich auch Minuten später noch in den Katakomben der Mainzer Conface Arena bei den wartenden Medienvertretern entschuldigen. Er komme gleich, müsse aber erst mal in der Kabine wieder zu Kraft kommen, sagte Matchwinner Son, der offenbar sämtliche Energie bei seinen beiden sehenswerten Toren aufgebraucht hatte: "Ich bin kaputt, aber sehr, sehr glücklich."

Als der Torjäger schließlich wieder zu Kräften gekommen war, geizte er nicht bei der Beschreibung seiner Gefühle. Es sei ein "sehr, sehr wichtiger Sieg" gewesen, weil die Mannschaft eine "sehr, sehr schwere Zeit" gehabt hätte. Trainer Fink sei aber "sehr, sehr heiß" gewesen, hätte das Team "sehr, sehr motiviert". Ihm persönlich komme das alles wie ein "sehr, sehr großer Traum" vor. Mehr sehr geht nicht.

Wohl nicht viele HSV-Anhänger hätten vor dem Spiel in Mainz von einem Erfolg gegen die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel zu träumen gewagt. Immerhin hatten es die Hamburger in den vergangenen sieben Wochen lediglich einmal - in Stuttgart - geschafft, als Sieger vom Platz zu gehen. Und auch in Mainz deutete zunächst nur wenig darauf hin, dass der HSV diese Negativserie unterbrechen könnte. Wie angekündigt hatte Trainer Thorsten Fink auf Dennis Aogo und Artjoms Rudnevs verzichtet, dafür Neu-Kapitän Rafael van der Vaart als hängende Spitze hinter Torjäger Son und erstmals nach sechs Monaten von Anfang an Petr Jiracek im Mittelfeld aufgeboten. Doch im Spiel nach vorne hatte Finks Team in der ersten Halbzeit wenig bis gar nichts zu bieten, auch wenn Fink selbst das ganz anders sah: "Gerade in der Anfangsphase war es wichtig, dass wir gezeigt haben, dass wir an diesem Tag eben nicht nur defensiv denken wollten. Das ist nicht unsere Philosophie."

Tatsächlich war es insbesondere die kompakte Defensivleistung des HSV, die am Sonnabend - besonders in der ersten Hälfte - die Mainzer immer wieder zur Verzweiflung trieben. Erst in der zweiten Hälfte entdeckten die Hamburger das eigene Angriffsspiel - und ihren Top-Stürmer aus Fernost. "Wie Sonny das 1:0 macht, zeigt sein Talent und sein Selbstvertrauen. Er ist sehr wichtig für uns", lobte Vorlagengeber van der Vaart seinen Sturmpartner, der aber nach seinem ersten Treffer (61.) nach zuvor 569 torlosen Minuten ehrlich einräumte, dass er auch Dusel hatte: "Erst wollte ich in die lange Ecke schießen, dann habe ich mich nicht so recht getraut und habe dann lieber die kurze Ecke gewählt. Mit der Latte hatte ich dann auch noch ein bisschen Glück."

So überhaupt nichts mit Glück hatte dagegen Sons Geniestreich beim zweiten Treffer zu tun, als der 20 Jahre alte Angreifer einen Pass von Milan Badelj an der Mittellinie aufnahm, sämtliche Mainzer abhängte und auch noch die Ruhe hatte, Torhüter Christian Wetklo zu umkurven (81.). Es war - trotz Shawn Parkers Anschlusstreffer zum 1:2 (86.) - die Vorentscheidung zum Dank der Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit verdienten Sieg.

"Die Tore waren echte Brustlöser für Sonny", sagte Trainer Fink, der sein Lob mit einem unmissverständlichen Auftrag an Sportchef Frank Arnesen garnierte: "Wir müssen jetzt mal zusehen, dass wir mit ihm verlängern. Dann ist doch endlich mal Ruhe." Arnesen nahm den Ball am Tag nach dem Sieg auf und berichtete, dass er ein gutes Gefühl bei den seit Monaten laufenden Verhandlungen mit Sons Berater Thies Bliemeister habe: "Wir sind sehr dicht beieinander." Auf die Frage, ob die beiden Tore in Mainz den vor allem in England begehrten Youngster nun noch teurer machen würden, erlaubte sich Arnesen einen Scherz in Anspielung auf Sons Leistungsschwankungen: "Wenn das so wäre, dann hätte er uns in den vergangenen sechs Wochen noch Geld geben müssen für eine Verlängerung."

In Wahrheit müssen aber natürlich die Hamburger tief in die Taschen greifen, wenn sie ihren talentiertesten Spieler im Kader tatsächlich langfristig halten wollen. Son, der besonders von Tottenham Hotspur umworben wird, soll ab Sommer in die Top drei der Gehaltsliste vorstoßen. Die interne Begründung: Neben dem sportlichen Wert hat der Koreaner für den HSV auch einen wirtschaftlichen Mehrwert. So konnte Marketingvorstand Joachim Hilke dank Sons Zugkraft in dessen Heimat zwei Sponsorenverträge mit den koreanischen Unternehmen Kumho Tyres und Hanwha Solar abschließen, die dem HSV jährlich 1,3 Millionen Euro einbringen. Zudem wird mit weiteren koreanischen Firmen verhandelt.

Die Verhandlungen mit Son-Agent Bliemeister, der unlängst eine Entscheidung im April ankündigte, könnten sich allerdings noch ein wenig hinziehen. Ab Donnerstag ist der Spielerberater zu Sponsorenpflege und wegen der eigenen Fußballakademie in Südkorea, ein Gesprächstermin mit Arnesen ist bis dahin nicht angesetzt. "Wir sind in guten Gesprächen, aber eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen", sagte Bliemeister dem Abendblatt. Neben der Höhe des Gehalts könnte auch das Engagement des HSV bei der Asia Football Academy in Chuncheon, die Bliemeister gemeinsam mit Sons Vater Wong Jung betreibt, eine Komponente sein. Die angekündigte Unterstützung der Talentschmiede, bei dessen Einweihung auch die HSV-Vorstände Carl Jarchow und Hilke vor Ort waren, ist bislang jedenfalls ausgeblieben.

Unabhängig von der angestrebten Vertragsverlängerung ist aus finanziellen Gründen aber auch ein Verkauf Sons im Sommer nicht unmöglich - auch wenn Kollege van der Vaart davon energisch abrät: "Für Sonny wäre es besser, wenn er noch bleibt. Bei den großen Clubs kann man leicht auf der Bank landen. Und für uns ist Sonny wichtig.“ Sehr, sehr wichtig.

Benoten Sie hier die HSV-Profis: