Eine Polemik von Alexander Laux

Wer einen Profi-Vertrag beim HSV unterschreibt, darf sich nicht nur über ein üppiges Gehalt freuen. Ein Fußballer kann sich hier völlig gefahrlos durch die Stadt bewegen. Selbst nach schlimmen Niederlagen findet die Anhängerschaft noch tröstende Worte, und wenn mal wieder Abstiegskampf angesagt ist, werden Kampagnen nach dem Motto "Jetzt erst recht!" ins Leben gerufen. Und im Sommer gibt's im Trainingslager einen bunten Abend, wo sich die Profis hinab zur Basis begeben, die sozialen Netzwerke und der persönliche Austausch haben das gegenseitige Verständnis noch verstärkt. Dass gewaltbereite Fans beim Training mit Drohgebärden auftauchen, kommt nur in anderen Städten vor. Bedingungsloser Unterstützung kann sich ein HSV-Kicker auch während der Spiele sicher sein. Gepfiffen wird höchstens nach der ersten Halbzeit oder wenn die Zuschauer nach 90 grausamen Minuten mal wieder erlöst sind. Ach, so ein Fußballerleben ist doch was Feines.

Aber ist diese Fanliebe auch wirklich leistungsfördernd? Stachelt sie an, an die Grenzen zu gehen?

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Dies soll kein Aufruf zu Gewalt oder Hass sein. Wie hemmend sich negativer Druck auswirken kann, zeigte sich vergangene Saison in Köln, wo es krachte. Der FC stieg ab, der HSV rettete sich. Aber: Mit der Machtübernahme des Eventpublikums im modernen Fußball hat sich, unfreiwillig gefördert von den standardisierten Sprechchören auf den Stehplatzrängen, still und leise die Wolke der Gleichmacherei über den Fußball gelegt. Es genügt vielen Stadionbesuchern heute schon, die Stimmung vor dem Anpfiff mit Lotto King Karls Hymne zu genießen und mit den Freunden und Bekannten zu klönen. Überspitzt formuliert ist es vielen Hamburgern doch fast egal, ob der HSV Fünfter oder Siebter wird, Hauptsache die Show stimmt. Kein Wunder, wenn dieses Wohlfühlklima Besitz von einem Profi ergreift und dieser denkt: "Schade, verloren, aber was soll's, Hauptsache ich habe mich nicht verletzt. Oh, ich darf nicht vergessen, meinen Berater anzurufen. Schließlich läuft mein Vertrag aus und ich würde gerne noch mal zu einem Club wechseln, der in der Europa League spielt. Immer dieses Mittelmaß-Gekicke muss ich mir auf Dauer nicht antun."

Wenn jetzt also mehr "Druck auf den Kessel" kommt, muss das nicht schlecht sein. Im Gegenteil.