Vor gut drei Jahren wäre Augsburgs Manager fast als Sportchef in Hamburg gelandet - jetzt hofft er dort im Abstiegskampf auf drei Punkte.

Hamburg. Dass er zu den aussichtsreichsten Kandidaten zählte, als der HSV vor dreieinhalb Jahren einen neuen Sportchef suchte, verwundert nicht. Im Gegenteil. Stefan Reuter, als Welt- und Europameister mit fünf deutschen Meistertiteln und insgesamt mehr als 700 Pflichtspielen hoch dekorierter ehemaliger Profi, verkörpert genau das, was dem damals zerrissen wirkenden HSV fehlte: Teamfähigkeit. "Meine Stärke ist sicher, der Mannschaft Zusammenhalt vorzuleben." Dafür nimmt der heutige Sportchef des FC Augsburg seine Führungsspieler in die Pflicht. Auch vor dem Duell beim HSV am Sonnabend (15.30 Uhr hier im Liveticker) wird es eine Runde im Mannschaftshotel geben. "Wir nehmen die Spieler in die Pflicht, geben Verantwortung ab - und wir bekommen es mit guten Leistungen zurückbezahlt."

Immerhin steht der FC Augsburg nach schier aussichtlosen neun Punkten zum Hinrundenende inzwischen mit 21 Zählern auf dem aussichtsreichen Relegationsplatz. "Dabei hatten uns schon alle abgeschrieben", sagt Reuter, der vor dem Duell beim HSV dennoch zurückhaltend parliert: "Wir können sicher etwas holen, wenn wir wie immer an unsere Leistungsgrenze gehen. Wir können aber nicht nach Hamburg fahren und einen Sieg einfordern." Dafür sei der HSV individuell einfach besser besetzt. "Wenn der HSV ins Rollen kommt, können die richtig guten Fußball spielen. Das ist uns bewusst. Wir haben Respekt."

Vor dem HSV, für den Reuter fast einmal gearbeitet hätte. Der damalige Hamburger Vorstandschef Bernd Hoffmann hatte Reuter im Rahmen der Sportchefsuche 2009 kontaktiert und zunächst für den HSV begeistern können. "Ich habe damals Gespräche mit dem HSV geführt, die sehr interessant waren." Reuter durchlief damals zudem das viel diskutierte "Assessment-Center", eine Art Tauglichkeitsprüfung beim HSV. Was damals kritisch beurteilt wurde, war für Reuter nichts Unnormales. "Man wollte dadurch eine Rangfolge unter den Kandidaten erstellen." Dennoch lehnte Reuter ab, noch bevor der HSV sich entscheiden konnte. "Das ging dann ganz schnell. Ich habe gemerkt, dass ich ein ernster Kandidat war. Aber ich habe auch gemerkt, dass sich der HSV intern nicht einig war. Das war überraschend für mich. Und damit war das Thema schnell beendet."

Es ist allerdings nicht alles, was Reuter noch heute mit dem HSV verbindet. "Ich habe die Trainerkarriere von Thorsten Fink von Anfang an verfolgen können und halte ihn für einen sehr interessanten Trainer." So interessant immerhin, dass Reuter versuchte, Fink vor drei Jahren zu Grasshopper Zürich zu lotsen. "In Zürich bereiteten wir damals den Einstieg eines Investors vor. Dabei sollten einige Positionen neu besetzt werden und Thorsten Fink war für mich ein geeigneter Kandidat für den Trainerposten." Was Fink auszeichnet? "Ich kenne ihn schon lange. Er hat den Vorteil, dass er fast alle Situationen, die im Fußball auftreten, selbst erlebt hat. Es ist ein unglaublicher Vorteil, wenn du vor eine Mannschaft trittst und auf einen derartigen Erfahrungsschatz zurückgreifen kannst", sagt Reuter. Dennoch lehnte Fink seinerzeit ab, entschied sich für den FC Basel. Und später für den HSV, was Reuter gut nachvollziehen kann.

Trotz seines verpassten Zusammenkommens 2009 schwärmt Reuter für den Club, gegen den er als Spieler in 32 Bundesligapartien die überdurchschnittliche Erfolgsquote von 15 Siegen bei nur fünf Niederlagen vorzuweisen hat. "Der HSV müsste von seiner Wirkung her längst das Gegenstück des FC Bayern sein", sagt der ehemalige Bayern-Profi. "Die lange Tradition, die tolle Stadt - der HSV hat eine besondere Ausstrahlung. Das macht ihn zu einer sehr interessanten Adresse." Auch aktuell? "Für mich?", fragt Reuter fast erschrocken und verneint: "Ich bin in Augsburg und habe hier eine große Aufgabe vor mir."

Die führt ihn am Sonnabend nach Hamburg. Mit Respekt im Gepäck. "Wir werden kompakt stehen, aber mutig nach vorn spielen", verspricht Reuter. Ein Punkt wäre "schon ein Erfolg". Aber man spürt, dass er mehr will. Er mag es nur nicht laut aussprechen. Stattdessen hofft der 46-Jährige auf einen Außenseitersieg. "In der Bundesliga passieren ja im letzten Saisondrittel oft verrückte Dinge. Mal sehen, was Hamburg diesmal zu bieten hat."