Der Streit zwischen dem Bundesliga-Dino und “Uns Uwe“ ist nicht das erste Zerwürfnis zwischen Verein und seinen Altstars. Eine Debatte.

Hamburg. Bekanntlich hat der Duden für nahezu alle Begriffe die passenden Worte bereit. Auch bei der Suche nach "Legende, die" wird man schnell fündig. "Person, die so bekannt geworden ist, einen solchen Status erreicht hat, dass sich bereits zahlreiche Legenden um sie gebildet haben", steht da geschrieben. Nur eine Frage lässt der Duden bei allem Anspruch auf Vollständigkeit unbeantwortet: Wie geht man eigentlich mit seinen Legenden um?

"Der HSV weiß vor allem, wie man nicht mit seinen Legenden umgeht", sagt Sergej Barbarez, der den öffentlichen Streit zwischen Uwe Seeler und dem HSV um den Wechsel von Seeler-Enkel Levin Öztunali, 16, nach Leverkusen mit Bedauern verfolgt hat. Für Barbarez (174 Bundesligaspiele für den HSV, 65 Tore) ist es nichts Neues, dass der HSV ein, vorsichtig formuliert, schwieriges Verhältnis mit seinen Altstars pflegt. "Ich habe ja auch meine Erfahrungen machen dürfen, und die waren nicht gerade berauschend" sagt der letzte Torschützenkönig des HSV, der auf sein anderthalbjähriges Intermezzo als Aufsichtsrat anspricht. "Viele verdiente Ehemalige haben sich doch längst zurückgezogen. Das hängt natürlich mit den handelnden Personen zusammen", sagt Barbarez, der allerdings auch keine überzeugende Antwort darauf hat, was ein angemessener Umgang mit den Legenden von früher ist.

Aber hat der HSV denn wirklich ein generelles Problem mit seinen Altstars? Immer wieder kritisieren einstige HSV-Größen wie Manfred Kaltz, Uli Stein oder Horst Hrubesch, dass es der Verein einfach nicht schafft, Vergangenheit und Gegenwart für eine bessere Zukunft zusammenzuführen. Der öffentlich ausgetragene Streit mit Uwe Seeler sei deswegen keine Überraschung, sondern viel mehr trauriger Höhepunkt.

Andreas Peters, Vorsitzender des HSV-Ehrenrats und damit so etwas wie die moralische Oberinstanz des Vereins, widerspricht: "Es mag Ansatzpunkte für Kritik geben, diese sollte aber nicht öffentlich erfolgen und nicht unbedingt gerade von denjenigen Ehemaligen kommen, die aktuell keinen Job im Verein ausüben. Bei aller Emotionalität sind doch zwei Fragen entscheidend: Will ein Altstar sich überhaupt aktiv einbringen? Und ist er wirklich für eine Aufgabe im Verein qualifiziert?" Von der Idee, die vor den Aufsichtsratswahlen im Januar aufgekommen war, einen sportlichen Beirat zu wählen, in denen Ex-Spieler ihr Wissen einbringen, hält Peters gar nichts. Dies würde nur dazu führen, dass in der Außendarstellung noch mehr Personen beim HSV etwas zu sagen haben wollen.

Peters erinnert daran, dass auch in der aktuellen Vereinsstruktur jede Menge Altstars ihren Platz haben: "Ich denke, dass es fraglos ein Vereinsziel sein sollte, verdiente Spieler an den Verein zu binden. Allerdings sehe ich nicht, dass den Verantwortlichen des HSV für die Vergangenheit größere Versäumnisse vorzuwerfen sind. In vielen Bereichen arbeiten bei uns ehemalige Profispieler wie Wehmeyer und Bester bei den Profis, Cardoso und Golz bei der Zweiten Mannschaft oder Reinhardt und Rost im Nachwuchs beziehungsweise Frauenfußball."

Doch ist das wirklich genug? Müssen nicht die wichtigsten Positionen des Vereins ausschließlich mit Menschen besetzt sein, die sich der Kern-DNA des Vereins bewusst sind? "Unser Grundgedanke war immer, möglichst viele ehemalige Spieler im Verein zu integrieren. Wir orientierten uns an Vereinen wie Bayern, wo dies erfolgreich seit Jahren praktiziert wurde", sagt Harry Bähre, der Mitte der Neunzigerjahre unter Seeler im HSV-Präsidium saß, "deshalb haben wir mit Wehmeyer, Hieronymus und Michael Schröder gleich drei frühere Profis übernommen." Auch Hrubesch und Kaltz wollte der Ex-Profi mit dem Spielerpass mit der Lizenznummer 001 einbinden: "Schade, dass gerade Kaltz als erfolgreichster Spieler des HSV nicht im Verein ist. Und was Hrubesch betrifft: Keiner kennt im Nachwuchsbereich den europäischen Markt so gut wie der Lange."

Carl Jarchow kennt die Debatte. Der aktuelle HSV-Chef hat bereits kurz nach seinem Dienstantritt angekündigt, verdiente HSVer wieder mehr an den Verein zu binden. Der langjährige HSV-Kapitän David Jarolim hat einen Anschlussvertrag als Nachwuchstrainer, Collin Benjamin wird in der Presseabteilung beschäftigt, und auch Rafael van der Vaart soll nach seiner aktiven Karriere gehalten werden. Doch auch Jarchow weiß, dass der HSV keine Beschäftigungstherapie für Ex-Stars sein kann, den Generationendialog will er aber dem aktuellen Seeler-Streit zum Trotz unbedingt fortsetzen.

Tatsächlich hat es auch in der jüngeren Vergangenheit bewusste Annäherungsversuche zwischen Profis von gestern und Profis von morgen gegeben. So hatte der frühere Trainer Michael Oenning die Europacup-Sieger und Meister-Spieler Hrubesch, Kaltz, Ditmar Jakobs, Wehmeyer, Stein, Rudi Kargus und Jürgen Stars vor dem Heimauftakt der vergangenen Saison ins Mannschaftshotel Grand Elysée gebeten, um aus Motivationsgründen das Generationengespräch zu forcieren. Zur Einstimmung wurde im sechsten Stock bei Nudeln, Hühnchen, Braten und Salat ein launiger Film über den Europapokalsieg 1983 gezeigt, der durch emotionale HSV-Szenen von damals und heute garniert wurde. "Die Stars von einst sind Teil des Vereins. Die Tradition lag lange brach, aber wir brauchen die Unterstützung der früheren Superspieler", begründete Oenning das ungewöhnliche Treffen, das in dieser Form allerdings nie mehr wiederholt wurde.

Sportchef Frank Arnesen, so der häufig formulierte Vorwurf, wäre die geballte Kompetenz der Alt-Internationalen ohnehin immer ein Dorn im Auge gewesen. Ein Vorwurf, den der Däne so nicht stehen lassen will. "Es ist doch ganz normal, dass sich bei einem großen Verein wie dem HSV auch immer viele Altstars zu Wort melden. Damit habe ich überhaupt kein Problem, ich bin das auch aus anderen Vereinen gewohnt." Bei Veranstaltungen mit vielen Ehemaligen, wie beispielsweise der letzten Walk-of-Fame-Zeremonie, wo im September nahezu alle einstigen HSV-Größen vertreten waren, hält sich der Däne aber bewusst zurück. Sein Handeln will er sich nicht von mehr oder weniger gut gemeinten Ratschlägen sogenannter Legenden bestimmen lassen. "Am Ende des Tages bin ich nur dem Verein verpflichtet. Ich will immer die beste Lösung für den HSV finden", sagte Arnesen, der am Montag mit Levins Vater Mete Öztunali ein klärendes Gespräch führte. Dabei soll Seelers Schwiegersohn einen von Arnesen angebotenen sofortigen Wechsel Levins nach Leverkusen abgelehnt haben, da Levin bis zum Sommer beim HSV bleiben wolle.

Ob der öffentliche Streit mit Seeler - unabhängig davon, wer nun Schuld hat und wer nicht - damit nun beendet ist, weiß niemand. Nicht mal der Duden.