Der Südkoreaner wird auf keinen Fall schon im Winter nach England wechseln. Im Februar will Sportchef Arnesen Vertragsgespräche forcieren.

Hamburg. Am Tag danach wollte Heung Min Son öffentlich lieber nichts sagen. Die ihm entgegengestreckten Mikrofone umkurvte der Südkoreaner am Kabinenausgang vor dem Spielerparkplatz ähnlich geschickt wie am Vortag beim 3:2-Derbysieg Bremens Abwehrspieler. Ein paar Autogramme hier, ein schnelles Handyfoto da, dann war der gerade 20 Jahre alte Torjäger nach dem Regenerationstraining am Vormittag verschwunden. "Sonny muss ja auch nicht immer über alles reden", sagte Thorsten Fink mit einem Augenzwinkern. Der HSV-Trainer hatte den Youngster nach dem Auslaufen im Volkspark kurz zur Seite genommen, um ihm deutlich zu machen, dass er seine ungewöhnlichen Motivationstricks vor dem 98. Nordderby später nach dem Sieg im Freudentaumel lieber nicht hätte öffentlich machen sollen: "Interna sollten eigentlich intern bleiben."

Wirklich geärgert hat sich Fink aber natürlich nicht, ganz im Gegenteil. "Es gibt kaum jemanden, der so eine tolle Schusstechnik hat wie er", lobte der Coach seinen Torjäger, der mit seinem außergewöhnlichen Treffer zum 1:1 den HSV nach dem frühen Rückstand gegen Werder schnell wieder auf die Siegerstraße geführt hatte. Mit 95 Kilometern pro Stunde hatte Son den Ball von halblinks aus spitzem Winkel per Vollspann in den rechten Torwinkel gedroschen. "Das Besondere an Sons Schuss ist, dass er dorthin schießt, wohin er den Ball haben will. Seine Präzision ist einzigartig", sagte Fink, der eine simple Erklärung für das Phänomen parat hat: "Viel Arbeit. So einfach ist das."

Ganz so einfach ist es dann aber auch wieder nicht. "Ich habe selten einen Spieler gesehen, der so extrem beidfüßig ist wie Heung Min", sagt Finks Co-Trainer Frank Heinemann, der zwei- bis dreimal pro Woche nach dem Mannschaftstraining mit Son ein spezielles Schusstraining macht. "Wir trainieren vor allem Ballannahme und -mitnahme sowie den sofortigen Torschuss", sagt der 48 Jahre alte Assistenztrainer, der meistens Ersatztorhüter Sven Neuhaus als Sparringspartner dazubittet. Wichtig ist Heinemann, dass die Sonderschichten auf Sons Initiative zurückgehen. "Er hat uns um das Extratraining gebeten. Man muss Sonny schon eher bremsen als motivieren", sagt Heinemann, der auch die physiologischen Besonderheiten von Sons Füßen hervorhebt. So habe der 1,83 Meter große Angreifer für seine Größe mit knapp 27 Zentimetern (Schuhgröße 40 2/3) eher kleine Füße, was seiner besonderen Technik entgegenkommt. "Noch wichtiger als seine außergewöhnliche Technik ist aber, dass er in den vergangenen Monaten gelernt hat, bewusst zu schießen", sagt Heinemann, der nun intensiv mit Son an dessen Kopfballspiel arbeiten will.

Mit großem Wohlwollen hat Sons Berater Thies Bliemeister das Hamburger Bemühen um seinen Klienten registriert. "Wir sind sehr zufrieden mit seiner Entwicklung. Aber nichts, was Sonny macht, basiert auf Zufall. Er hat sich seine außergewöhnliche Schusstechnik erarbeitet", sagt Bliemeister, "schon als Kind hat er sehr viel an seiner Technik mit seinem Vater gearbeitet."

Bliemeister, der Son bereits als 16 Jahre alten Teenager aus Südkorea nach Hamburg gelotst hatte und seitdem eng mit dem HSV zusammenarbeitet, hat im Hinblick auf die von Sportchef Frank Arnesen gewünschte Vertragsverlängerung Sons den schwierigen Balanceakt zu bewältigen, im besten Sinne seines Klienten zu handeln, und gleichzeitig die guten Beziehungen zum Verein nicht zu verspielen. "Wir wissen, was wir am HSV haben. Aber auch der HSV weiß mittlerweile ganz genau, was er an Son hat", sagt der Sohn des früheren HSV-Profis Thomas Bliemeister, "wir wollen uns keinen Stress machen." Einen in England kolportierten sofortigen Wechsel in der Winterpause zu Tottenham Hotspur kann der Spieleragent deswegen kategorisch verneinen: "Ich kann ausschließen, dass Son vor dem 31. Januar den Verein wechselt." Ob der Senkrechtstarter allerdings seinen im Sommer 2014 auslaufenden Vertrag tatsächlich vorzeitig verlängert, will Bliemeister zum jetzigen Zeitpunkt zunächst offenlassen: "Ich bin nahezu wöchentlich mit Frank Arnesen im Austausch."

Arnesen bestätigt den regen Gedankenaustausch, betont aber auch, dass er nach dem Ende der Wintertransferfrist am Donnerstag im Februar die Vertragsgespräche forcieren wolle. Der Hintergrund ist klar: Da Sons Vertrag 2014 ausläuft, könnte der HSV nur noch im Sommer eine millionenschwere Ablöse kassieren. Am liebsten würde der Däne sein Sturmjuwel halten, allerdings nicht zu jedem Preis: "Sonny ist ein sehr großes Talent, da habe ich auch kein großes Problem damit, dass wir ihn entsprechend bezahlen müssen. Aber auch wir haben unser Limit."

Kein Limit scheint Son derzeit dagegen auf dem Rasen zu kennen, wo er sich ohnehin am wohlsten fühlt. Mit aktuell sieben Saisontreffern hat der Wahl-Eppendorfer bereits jetzt die Bestmarke Mladen Petrics aus der vergangenen Spielzeit egalisiert. Noch beeindruckender: Mit gemeinsamen 15 Stürmertoren sind Son und Offensivkollege Artjoms Rudnevs sogar auf dem besten Weg, das erfolgreichste Sturmduo der vergangenen zehn Jahre zu werden. Übertreffen müssen die beiden Ivica Olic und Paolo Guerrero, die vor vier Jahren zusammen 23 Tore erzielen konnten. Ob die beiden den Rekord knacken, bleibt ungewiss, sicher ist vorerst nur eines: Großartig darüber reden wird Son in den nächsten Tagen nicht.