Der Hinrundenabschluss bei Bayer Leverkusen ist weder für den Torhüter des Hamburger SV noch für die Bayer-Fans ein gewöhnliches Spiel.

Hamburg. Natürlich könnte René Adler vor dem Hinrundenabschluss des HSV in Leverkusen die oft benutzte Floskel vom "ganz normalen Spiel, in dem es auch nur um drei Punkte geht" bemühen. Der ehemalige Bayer-Torhüter könnte behaupten, dass er ja nun beim HSV unter Vertrag stehe und dass es für ihn deswegen keinen Unterschied mehr mache, ob er mit seiner neuen Mannschaft in Leverkusen, Augsburg oder Fürth spiele. Und er könnte sagen, dass es ihm auch egal sei, wie ihn die Bayer-Fans, die ihm zehn Jahre lang zujubelten, vor dem Anpfiff am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) begrüßen werden.

Aber natürlich macht René Adler all das nicht. "Selbstverständlich ist die Partie für mich etwas ganz Besonderes", gesteht der Keeper, der Ende April nach 138 Bundesligaspielen für Bayer vor seinem letzten Heimspiel gegen Hannover 96 offiziell mit Blumen und ein paar netten Sätzen verabschiedet wurde, "ich weiß ganz genau, was ich Bayer zu verdanken habe."

Es sind keine leeren Worte, mit denen Adler über die wahrscheinlich prägendste Zeit seiner Karriere spricht. Das weiß auch Andreas Paffrath, der bei Bayer nur unter dem Namen Paffi bekannt ist. "René ist und bleibt ein Leverkusener Jung", sagt Bayers Fanbeauftragter, der seit 1988 Stammkunde in der BayArena ist und schon viele Stars kommen und gehen gesehen hat. "René hat alle Stationen bei Bayer mitgemacht, hat sich immer sehr mit dem Verein identifiziert. Nur Stefan Kießling hat sich in Leverkusen in den vergangenen Jahren einen ähnlichen Kultstatus wie René erarbeitet."

Die Frage, wie Adler von seinen ehemaligen Anhängern in der alten Heimat begrüßt wird, stellt sich weder für Paffrath noch für Adler selbst. "Ich bin mir sicher, dass die Fans René mit Applaus und Sprechchören willkommen heißen werden. Das sind wir ihm nach all den Jahren auch schuldig", sagt der 45-Jährige, der seit 1999 hauptamtlicher Fanbeauftragter ist. Und auch Hamburgs Torhüter geht von einem warmen Empfang aus: "Ich hatte immer ein Topverhältnis zu unseren Fans. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass es negative Reaktionen gibt."

Lange und ausgiebige Gespräche über die alten Zeiten will der HSV-Keeper aber erst nach dem Schlusspfiff führen. Direkt nach der Partie hat er sich einen Besuch in seiner alten Kabine vorgenommen, wo er die Szenen des Spiels mit den Leverkusenern Kießling und Simon Rolfes besprechen will. Am Abend hat Adler dann Freunde und Verwandte in ein Restaurant in der alten Heimat geladen. "Es wird sicherlich ein gefühlsbetonter Besuch werden", sagt der Nationaltorwart, der insgesamt zwei Tage im Rheinland bleiben will, um auch seine alten Physiotherapeuten am Montag auf einen Kaffee zu treffen.

Bevor Adler den Weihnachtsurlaub aber nutzen kann, "um auch mal runterzufahren und ein paar Tage abzuschalten", gilt es zunächst, bei seinem 90-minütigen Heimatbesuch die Weichen für eine verheißungsvolle Rückrunde zu stellen. "Diese Saison ist schon verrückt. Die Bayern ziehen ihre einsamen Kreise an der Spitze, und dahinter lauert ein dicht gedrängtes Mittelfeld in der Hoffnung auf einen internationalen Startplatz." Beste Chancen räumt der Torhüter dabei seinem ehemaligen Arbeitgeber ein. "Die Leverkusener haben eine richtig gute Mannschaft, die auf Champions-League-Kurs ist. Der Verein schafft es einfach immer wieder, durch extrem gutes Scouting günstige Spieler zu finden und zu verpflichten."

Garant für die überraschend erfolgreiche Hinserie des derzeitigen Tabellenzweiten ist mit Stürmer Kießling ausgerechnet einer von Adlers engsten Freunden. Zehn Saisontore hat der 28-Jährige bereits erzielt, mit insgesamt 23 Treffern im Kalenderjahr 2012 traf er sogar öfter als jeder andere Bundesligaprofi. Ein 24. Tor wird die Statistik laut Adler am Sonnabend aber nicht aufhübschen. "Kießling ist derzeit einer der besten Stürmer Deutschlands, aber wir kennen uns eben auch ganz genau", sagt der Neu-Hamburger, "ich weiß, was er macht, wie er sich dreht und wohin er dann schießt."

Verantwortlich hierfür ist in erster Linie Adlers früherer Torwarttrainer Rüdiger Vollborn, der bis zu Adlers Wechsel zum HSV oft Extraschichten der zwei Kumpels angeleitet hat. Vollborn, der sich mittlerweile gemeinsam mit "Paffi" Paffrath um Leverkusens Fans kümmert, hatte den talentierten Keeper bereits als 15-Jährigen in Leipzig entdeckt und zu Bayer gelotst. In einem internen Bericht, den die "Sport Bild" in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlichte, kündigte der Torwarttrainer bereits 2002 an, dass er dem damaligen B-Jugend-Keeper früher oder später den Sprung in die Nationalmannschaft zutraue.

Am Freitagabend will es sich Vollborn deshalb auch nicht nehmen lassen, bei seinem ehemaligen Schützling im Kölner Teamhotel auf ein Schwätzchen vorbeizuschauen: "Schließlich ist Renés Heimspiel in Leverkusen auch für mich eine ganz besondere Partie."

Mittelfeldregisseur Rafael van der Vaart erklärte am Mittwoch, dass sein Muskelfaserriss im Oberschenkel noch nicht ausreichend verheilt sei, um in Leverkusen spielen zu können. Er wolle "kein Risiko eingehen", sondern "fit in den Urlaub" gehen