Die Entscheidung über das Sicherheitskonzept der DFL am Mittwoch wird zum Votum über die Zukunft des Profifußballs hochstilisiert.

Frankfurt/Main. Die Politik droht, die Fans kündigen schon neue Proteste an: Der deutsche Profi-Fußball steckt vor der Entscheidung über das umstrittene Sicherheitskonzept in der Zwickmühle. Stimmen die 36 Klubs bei der Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) am Mittwoch in Frankfurt am Main für das Papier „Sicheres Stadionerlebnis“, werden die Kurven weiter zum Kampf aufrufen. Im Falle einer Ablehnung oder Verschiebung hingegen könnten die Innenminister eingreifen und selbst drastische Maßnahmen durchsetzen.

„Wird das alles durchgewunken, werden wir reagieren müssen, weil dann auch beschlossen wird, was wir kategorisch ablehnen“, sagte Philipp Markhardt, Sprecher der Organisation „Pro Fans“ und der Protestaktion „12:12“: „Dann müssen wir zusehen, dass wir dieses Drama noch abwenden können.“ Ein Drama wären für den harten Kern der Anhänger vor allem die Beschränkung von Auswärtskarten sowie Ganzkörperkontrollen. Die Politik droht der DFL schon länger mit einem Stehplatzverbot.

Die Spitzen von Liga und Deutschem Fußball-Bund (DFB) erwarten ein deutliches Votum für die 16 Punkte des Konzeptes, auch aus Angst vor einem Verlust der „Souveränität“, wie Liga-Chef Reinhard Rauball der Bild-Zeitung erklärte. „Es geht um die Frage: Können die 36 Profiklubs ihre Hausaufgaben eigenverantwortlich machen und anschließend auch entsprechend selbstbewusst gegenüber Politik und Polizei auftreten? Denn es geht auch um die Abwehr von Eingriffen aus der Politik“, sagte der Präsident von Borussia Dortmund.

Einige Vereine jedoch haben sich gegen das Konzept positioniert. Der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV, Carl-Edgar Jarchow, kündigte an, sich für eine Verschiebung der Abstimmung einzusetzen. Weitere Vereine wollen das Maßnahmenpaket ganz ablehnen, um zunächst den Dialog mit ihren Fans suchen zu können. Fraglich ist, ob dafür Zeit bliebe.

Denn die Politik beobachtet die Abstimmung mit Argusaugen, ist zum Einschreiten bereit. Neun Monate vor der Bundestagswahl sprechen Innenminister von Stehplatzverboten und Geisterspielen, sollte die Liga nicht zum Konsens fähig sein. „Ich erwarte, dass die Vereine und Verbände nach der kontrovers geführten Diskussion ihre Geschlossenheit demonstrieren“, forderte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich: „Das würde uns bei der Bekämpfung der Gewalt inner- und außerhalb der Stadien ein großes Stück voranbringen.“ Einigen Vereinen warf Friedrich vor, das Thema Gewalt nicht ernst zu nehmen.

Die Diskussionen über den „Schritt zu gewaltfreiem Fußball“, der im Frankfurter Sheraton Congress Hotel gemacht werden soll, haben die Kluft zwischen der DFL und den Fans nochmals enorm vergrößert. „Es ist ein großer Vertrauensverlust zwischen Fans und Vereinen zu konstatieren“, sagte Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS).

Wichtigste Streitpunkte des Konzeptes, das in seiner ersten Fassung Ende Oktober deutlich abgelehnt wurde, sind „Verbesserungen der Einlasskontrollen“ und die Festlegung der Ticketkontingente. Dass einzelne Punkte für alle Seiten positiv wären, sieht auch Fanvertreter Markhardt. „Wir brauchen besser ausgebildete Ordnungsdienste“, sagte der 32-Jährige: „Wenn ich nicht mehr von Halbwelt-Glatzköpfen mit zweifelhaften Tätowierungen provoziert werde, freue ich mich auch.“

Laut Gabriel erkenne die Protestbewegung auch, „dass der Fußball von zwei Seiten ziemlich unter Druck ist, aber die Bereitschaft, die Fans einzubeziehen, sich spürbar verbessert hat“. Zudem würde der KOS-Leiter ein Votum für das Konzept sogar befürworten: „Wenn die Mehrheit der Anträge angenommen würde, wird das den Druck der Politik hoffentlich etwas rausnehmen und der Fußball mehr Handlungsspielraum bekommen, den Weg des Dialogs mit der Fanszene weiter zu gehen.“

An den vergangenen drei Spieltagen hatten die Fans einen eindrucksvollen stummen Protest in allen Stadien der beiden Profi-Ligen organisiert, zudem waren am vergangenen Wochenende Tausende auf die Straße gegangen.