HSV-Sportchef Frank Arnesen fahndet jetzt in anderen Ländern nach Talenten. Die Profis aus Brasilien floppten größtenteils.

Hamburg. Es war ein kalter Wintertag im Jahr 1990: Der brasilianische Neuzugang Fernando Pereira Pinho, genannt Nando, absolvierte sein erstes Training beim HSV. Eine Hereingabe von links nahm er volley aus gut 20 Metern und zimmerte den Ball in den Winkel. Was für ein Einkauf, dachten sich die Trainingskiebitze - erst recht als Nando in seinem ersten Bundesligaspiel am 22. Spieltag der Saison 1989/90 beim 6:0-Sieg über Bayer Leverkusen gleich zwei Tore gelangen. Doch zwei Jahre später war von diesem Glanz nicht mehr viel übriggeblieben. Nando zog es nach 65 Spielen und 17 Toren für den HSV aus familiären Gründen wieder in seine Heimat. Er war sicherlich nicht der schlechteste Transfer der Hamburger, doch die großen Erwartungen konnte der Stürmer mit den schönsten O-Beinen nach Pierre Littbarski nur selten erfüllen.

Vielleicht kann Sportchef Frank Arnesen den anstehenden Trip nach Porto Alegre (direkt nach dem Hoffenheim-Spiel am Freitagabend fliegt das Team los) ja nutzen, um endlich einen echten Rohdiamanten aus dem Zuckerhut zu zaubern - denn bisher schlugen alle Versuche des Bundesliga-Dinos fehl, mit einem Brasilianer für Furore zu sorgen - Zé Roberto einmal ausgenommen. Doch der Däne ist skeptisch: "Der brasilianische Markt ist momentan sehr schwierig. Aufgrund der bevorstehenden WM haben die Vereine derzeit viel Geld, und die Spieler wollen sich in ihrem Land präsentieren." Der Brasilien-Scout des HSV wurde im Juli aus Kostengründen freigestellt. Zwei Mitarbeiter verfolgen die Erste und Zweite brasilianische Liga neben anderen immerhin im Fernsehen. Dennoch will Arnesen den Trip nutzen, um Gespräche mit Beratern zu führen. Das Hauptaugenmerk im südamerikanischen Scouting liege aber eher in Ländern wie Chile, Uruguay oder Paraguay.

Nando ist seiner Heimat bis heute treu geblieben. Zuletzt war er als Sportdirektor bei Bangu AC in Rio tätig, bis der Klub aus der Ersten Liga absteigen musste. Heute verdient der 46-Jährige sein Geld mit Immobilien. Fußball spielt er nur noch am Strand der Copacabana. Dort traf er vor etwa einem Jahr - zufällig - einen ehemaligen Kollegen und Landsmann aus seiner HSV-Zeit: Luis Firminho Emerson. Der Stürmer absolvierte zwar nur vier Partien für den Rautenklub, ist aufgrund seines späteren Engagements beim FC St. Pauli in Hamburg jedoch nicht vergessen. Der heute 39-jährige Fitnesstrainer spielt noch aktiv beim FC Itzehoe in der Verbandsliga Schleswig-Holstein, will nach der Saison aber als Jugendtrainer arbeiten. Emerson hat sich in Brasilien ein Haus gebaut und besucht dort dreimal im Jahr seine Familie.

Die Karrieren der weiteren HSV-Brasilianer nahmen recht unterschiedliche Verläufe. Ein Überblick.

Waldomir Pacheco Buca: Er machte in der Saison 1979/80 den Anfang, kam mit Vorschusslorbeeren aus São Paolo. Unter Trainer Branko Zebec durfte Buca in der ganzen Serie genau eine Halbzeit lang spielen. 1980 wechselte er nach Hannover, wo er aber überhaupt nicht zum Einsatz kam.

Jean Carlos Dondé: Ähnlich erfolglos wie Buca. Nach einem 36-Minuten-Einsatz gegen Bayern in der Saison 2004/05 wechselte der Leihspieler zurück nach Rotterdam. Der heute 29-Jährige spielte zuletzt in Brasilien bei Atlético Paranaense, ist momentan arbeitslos.

Aílton Gonçalves da Silva: Der "Kugelblitz" war bei Werder Bremen einer der besten Angreifer der Bundesliga, konnte dieses Niveau beim HSV jedoch nie erreichen. In 13 Spielen gelangen ihm drei Tore. In Erinnerung blieb den HSV-Fans jedoch viel mehr seine vergebene Großchance gegen den Ex-Klub, als er im entscheidenden Duell um die direkte Qualifikation für die Champions League im Jahr 2006 das leere Tor nicht traf. Nach etlichen Stationen bei unterklassigen Klubs spielt der 39-Jährige aktuell bei Hassia Bingen in der Verbandsliga Südwest.

Thiago Neves und Alex Silva: Spielgestalter Neves und Abwehrspieler Silva kamen beide zur Saison 2008/09 aus Brasilien nach Hamburg. Der 7,5 Millionen Euro teure Neves durfte sechsmal mitmischen, ehe er nach einem halben Jahr nach Rio zurückverliehen wurde. Nach einer Zwischenstation in Saudi-Arabien spielt der Techniker aktuell wieder bei Fluminense in seiner Heimat und überzeugt dort derartig, dass er sich Hoffnungen auf einen Platz im WM-Kader machen kann. Landsmann Silva lief immerhin 17-mal für den HSV auf, doch auch der schlaksige Verteidiger konnte seine Ablösesumme von 6,2 Millionen Euro nie rechtfertigen. Wie so oft in der Vergangenheit ist Silva auch bei seinem jetzigen Klub Cruzeiro Belo Horizonte am Knie verletzt.

Zé Roberto: Der einzige Brasilianer, der beim HSV vollends überzeugen konnte. In seinen 72 Begegnungen erzielte der Linksfuß acht Treffer und gab 20 Torvorlagen. Er wird seine Ex-Kollegen am Sonnabend wiedersehen, wenn der HSV zur Stadioneinweihung in Porto Alegre antritt. Mit seinen 38 Jahren gehört der Edeltechniker dort noch lange nicht zum alten Eisen.

Zwar kein Brasilianer, jedoch seit dieser Saison am Zuckerhut tätig ist Ex-HSV-Stürmer Paolo Guerrero. Der Peruaner überzeugte auf Anhieb und führte Corinthians São Paulo mit fünf Treffern und zwei Vorlagen aus 14 Spielen auf den sechsten Platz der nationalen Topliga, deren Saison seit dem vergangenen Wochenende beendet ist.