Der Mittelfeldmann und frühere Dortmunder vertritt heute gegen Schalke 04 (20 Uhr im Liveticker) den verletzten Rafael van der Vaart.

Hamburg. Wer das Bundesliga-Spiel des HSV bei Fortuna Düsseldorf am vergangenen Freitag in voller Länge ertragen hat, fühlte sich stark an die ersten Auftritte der Hamburger in dieser Saison gegen Nürnberg (0:1) und Bremen (0:2) erinnert: kein Spielwitz, kein Tempo, kaum Torchancen. Kleiner Lichtblick: Tolgay Arslan, der sowohl im defensiven Mittelfeld als auch nach der Verletzung von Rafael van der Vaart hinter der Spitze der Einzige war, der um Struktur im Offensivspiel bemüht war.

Van der Vaart wird aufgrund seines Muskelfaserrisses auch in der heutigen Partie gegen Schalke 04 (20 Uhr/Sky und Liveticker auf Abendblatt.de) nicht helfen können, Arslan somit von Beginn an in seine Fußstapfen als Spielgestalter treten. Dass diese groß sind, ist dem Deutschtürken durchaus bewusst, doch seine gute Entwicklung in dieser Saison gibt ihm Selbstvertrauen. "Ich bin kein kleiner Junge mehr. Natürlich ist der Druck als Van-der-Vaart-Ersatz noch größer als sonst, aber ich stehe jetzt auch in der Pflicht zu zeigen, was ich gelernt habe und dass wir auch ohne ihn gewinnen können", sagt Arslan.

Bisher konnte der HSV ohne seinen Superstar im Team nicht einmal ein einziges Tor erzielen, und auch der Ausfall von Toptorjäger Heung Min Son (Zerrung) trägt nicht unbedingt zu großem Optimismus bei. Zudem gewannen die Hanseaten nur eins der letzten sechs Heimspiele gegen Schalke. Doch Arslan ist sich sicher, dass sein Team auch so stark genug ist, die Königsblauen zu schlagen. "Die haben viele englische Wochen hinter sich. Wir müssen zeigen, dass wir die Heimmannschaft sind, Pressing ausüben, sie unter Druck setzen. Schalke ist müde, das müssen wir ausnutzen, denn gerade auswärts wackeln sie auch mal."

Trainer Thorsten Fink sieht das ähnlich, räumt seinem Team durchaus Chancen ein und appelliert an diejenigen, die sich jetzt zeigen können. Marcell Jansen wird nach seiner Kniereizung wohl wieder ins linke Mittelfeld rücken, Maximilian Beister nach rechts ausweichen. Artjoms Rudnevs soll Marcus Berg im Angriff ersetzen und überraschenderweise wohl Per Cilian Skjelbred anstelle von Tomas Rincon eine neue Chance im defensiven Mittelfeld bekommen. Doch die Last eines geordneten Aufbauspiels liegt neben Techniker Milan Badelj auf den Schultern Arslans. "Er entwickelt sich stetig, spielt einfacher und dribbelt nicht mehr so viel", lobt Fink seinen Schützling. "Zudem hat mich überrascht, wie gut er die Abwehrarbeit meistert."

Dass ausgerechnet Arslan zum Hoffnungsträger avanciert, hätte vor der Saison wohl kaum jemand für möglich gehalten. Verletzungen hatten die Entwicklung des 22-Jährigen zunächst gebremst. Ihm war zwar immer großes Talent bescheinigt worden, bis zu dieser Saison konnte er sich jedoch nicht in der Stammelf festspielen. "Variabler Offensivspieler" stand bis dato in seiner Vita, doch mal als Sturmspitze eingesetzt, mal auf dem Flügel, fehlte ihm die Konstanz in seinen Leistungen. Vor allem nach der Verpflichtung van der Vaarts sahen viele den gebürtigen Paderborner als Streichkandidaten im ohnehin aufgeblähten Kader. Bis er in der Not gegen Borussia Dortmund im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kam und auf der ungewohnten Position voll überzeugte. Gerade erst hat er als Bestätigung sein erstes Länderspiel für die deutsche U23 bestreiten dürfen.

Einer hat jedoch nie an den Qualitäten Arslans gezweifelt: sein Entdecker Peter Hyballa. Der heutige Coach des SK Puntigamer Sturm Graz trainierte Arslan schon in der Jugend bei Borussia Dortmund und holte ihn mit seiner ersten Amtshandlung als Trainer in Aachen auf Leihbasis zur Alemannia. "Tolgay hat in seinem letzten Jugendjahr als Regisseur 30 Tore geschossen und stand auf dem Notizzettel vieler Topklubs. Doch Martin Jol und Dietmar Beiersdorfer hatten sich 2009 sehr um ihn bemüht - nur deshalb ist er damals zum HSV gewechselt", erinnert sich Hyballa, der nach wie vor regelmäßig mit Arslan in Kontakt steht. Um ihn weiterzubringen, müsse man den Techniker "ab und zu heftig in den Hintern treten", wie es Hyballa formuliert. Nur so habe er sich von einer "fußballerischen Diva" zu einem Musterprofi entwickeln können. "Er hat gelernt, auch in den Bereichen Athletik und Tempo an sich zu arbeiten. Tolgay ist immer noch lernfähig, aber wenn er sich das Freche erhält, wird er seinen Weg gehen."

Das Spiel gegen Schalke wird Aufschluss darüber geben, wie weit seine Entwicklung schon fortgeschritten ist. Sicher ist: Als ehemaliger Dortmunder wird es an der Motivation gegen die Revierkonkurrenz nicht mangeln.