HSV verpasst durch ein 0:1 gegen Stuttgart den unverhofften Sprung in die Spitzengruppe. Van der Vaart hatte nicht seinen besten Tag.

Hamburg. Als Bruno Labbadia neben HSV-Trainer Thorsten Fink und Mediendirektor Jörn Wolf auf dem Podium des Presseraums in der Imtech-Arena Platz nahm, wollte der ehemalige Hamburger seine gute Laune nach dem 1:0-Sieg des VfB Stuttgarts an alter Wirkungsstätte nicht verstecken. "Vor drei Wochen waren wir noch ein Abstiegskandidat", sagte Labbadia mit süffisantem Lächeln auf den Lippen, "jetzt fehlen uns nur noch drei Punkte bis Platz vier. Unser Ziel ist jetzt die Champions League." Und obwohl jedem im Raum klar gewesen sein dürfte, wie die ironischen Aussagen zu verstehen waren, war einem nach den vorangegangenen 90 Minuten überhaupt nicht mehr zum Scherzen zumute: "Das sind schöne Ziele. Wir haben heute sehr deutlich gesehen, dass wir derartige Ziele nicht haben", sagte Labbadias Kollege Fink.

Dabei war Fink noch unmittelbar vor der Partie äußerst optimistisch gewesen. "Es gibt überhaupt keinen Grund, etwas zu ändern", hatte der 44-Jährige gesagt, der auf die gleiche Startelf zurückgriff, die vor der Länderspielpause glücklich 1:0 in Fürth gewonnen hatte. Der genesene Rafael van der Vaart spielte als hängende Spitze, der ebenfalls rechtzeitig wiederhergestellte Milan Badelj war als Ballverteiler im zentralen Mittelfeld eingeplant. Doch Stuttgart brauchte nicht mal 100 Sekunden, um deutlich zu machen, dass der VfB trotz Tabellenplatz 17 ein anderes Kaliber als der fränkische Aufsteiger ist. Martin Harnik, kurioserweise der einzige echte Hamburger auf dem Platz, scheiterte allerdings im eins gegen eins an HSV-Torwartschwergewicht René Adler, der an diesem Sonntagabend sehr viel mehr zu tun bekam, als ihm eigentlich lieb sein dürfte.

Nach vier Spielen ohne Niederlage fand Finks Mannschaft nur schwer in eine Partie, die aus Hamburger Sicht doch bereits vor dem Anpfiff entschieden schien. Nach den überraschenden Ergebnissen am Sonnabend war sich ein Großteil der HSV-Anhänger einig, dass der mögliche Sprung auf Platz vier mit dem dritten Heimsieg in Folge die logische Fortsetzung des van der vaartschen Zaubermärchens werden würde. Seit der Rückkehrer aus Tottenham wieder beim HSV unter Vertrag ist, kletterte der noch zu Saisonbeginn als Abstiegskandidat gehandelte Verein mit der Eichhörnchentaktik Woche für Woche die Tabelle hoch. "Vom Kopf her sind wir wohl nicht damit klargekommen, am Ende des Abends vielleicht auf Platz vier zu stehen", bilanzierte Fink, der es sich nach der Heimniederlage nicht nehmen ließ, sämtliche Europapokalträume weit von sich zu weisen: "Wir sind einfach noch keine Mannschaft, die nach Europa schielen kann."

Wie fragil die Hamburger Erfolgsstory der vergangenen Wochen noch ist, zeigte sich am Sonntagabend, als van der Vaart ausnahmsweise mal nicht seinen besten Tag erwischte. Ohne die Geistesblitze des Regisseurs verwies der angriffslustige VfB den HSV zumindest in der ersten Halbzeit überdeutlich in seine Schranken. Nach hochkarätigen Chancen von Harnik (2.), Vedad Ibisevic (15.) und Ibrahima Traoré (27.) war die Stuttgarter Führung nach einer halben Stunde lediglich eine Frage der Zeit - eine Frage, die Sekunden später mit einem Ausrufezeichen beantwortet wurde. Christian Gentner passte überlegt zu Harnik, der umgehend auf Ibisevic zurücklegte. Und aus drei Metern ließ der Bosnier diesmal selbst HSV-Torhüter Adler keine Abwehrchance.

"Wir hatten die große Möglichkeit Vierter zu werden, aber wir haben es ganz einfach versaut", analysierte Milan Badelj treffend, "wir sind leider überhaupt nicht ins Spiel gekommen."

Enttäuschender als die verdiente Stuttgarter Halbzeitführung war aus Hamburger Sicht die fehlende Kreativität in der zuletzt so überzeugenden Mittelfeldzentrale. Neben van der Vaart erwischten auch Tolgay Arslan und Badelj, der mit einem fulminanten Lattenschuss kurz vor der Pause die einzig nennenswerte Offensivaktion der ersten Halbzeit hatte, einen gebrauchten Tag. "Wir haben es verpasst, Milan, Tolgay und Rafael richtig ins Spiel zu bringen", sagte Fink. Und da auch von rechts (Heung Min Son) und von links (Petr Jiracek) wenig bis keine Unterstützung kam, reagierte Fink frühzeitig und brachte im zweiten Durchgang Flügelstürmer Maximilian Beister.

Mit dem U21-Nationalspieler machte der HSV in der zweiten Halbzeit tatsächlich mehr Druck, wirklich erwähnenswerte Torchancen blieben aber weiterhin Mangelware. "Wir waren insgesamt viel zu lieb und brav", stellte Marcell Jansen fest, für den die erste Heimniederlage nach zwei Monaten deswegen auch nicht überraschend kam: "Wer die zweite Halbzeit in Fürth gesehen hat, der wusste ganz genau, dass wir gegen Stuttgart nur mit sehr viel Arbeit zum Erfolg würden kommen können."

Diese Erfolgsformel will Fink nun in der kurzen Trainingswoche bis zum Auswärtsspiel am Freitag in Augsburg reaktivieren. "Spielerisch sind wir sicherlich stärker als heute", sagte der Coach, "aber im Moment sind wir einfach noch nicht so weit, wie manch einer denkt." Allzu schlechte Laune wollte sich Fink dann aber auch nicht einreden lassen: "Vielleicht wäre ein Sieg heute auch gar nicht so gut für uns gewesen", sagte der Trainer, der nach dem verpassten Sprung auf Platz vier immerhin eine Klippe umschiffen konnte: Nachfragen zur Champions League.

Die Statistik

Hamburg: 15 Adler - 2 Diekmeier, 3 Mancienne, 4 Westermann, 7 Jansen - 14 Badelj (ab 74. Berg), 18 Arslan - 40 Son (ab 85. Scharner), 23 van der Vaart, 19 Jiracek (ab 46. Beister) - 10 Rudnevs. - Trainer: Fink

Stuttgart: 1 Ulreich - 2 Sakai, 5 Tasci, 6 Niedermeier, 15 Boka (ab 44. Molinaro) - 4 Kvist - 20 Gentner, 26 Holzhauser (ab 80. Hajnal) - 7 Harnik, 16 Traore (ab 87. Maza) - 9 Ibisevic. - Trainer: Labbadia

Schiedsrichter: Tobias Welz (Wiesbaden)

Zuschauer: 53.000

Tore: 0:1 Ibisevic (31.)