Fink freute sich nach dem Remis von Gladbach über die beste Leistung, seit er Trainer ist. Ex-Coach Reimann ist nicht ganz so euphorisch.

Hamburg. Selbst der verspätete Flug konnte Trainer Thorsten Fink am Donnerstagvormittag die gute Laune nicht verderben. Obwohl die Maschine LH 2708 aus Düsseldorf erst 30 Minuten nach der erwarteten Landung am Flughafen Fuhlsbüttel ankam, präsentierte sich der HSV-Trainer bereits eine halbe Stunde später umgezogen und bestens gelaunt im ersten Stock der Imtech-Arena. "Das war die beste Leistung meiner Mannschaft, seit ich Trainer beim HSV bin", sagte der Coach, der trotz des unglücklichen 2:2 vom Vorabend gegen Borussia Mönchengladbach keineswegs enttäuscht wirkte. Fink plauderte, Fink lächelte, Fink scherzte. "Es hat mir gestern richtig Spaß gemacht, meinen Jungs zuzusehen", sagte der 44-Jährige, der einen ähnlich spaßigen Nachmittag am Sonnabend gegen 96 erwartet: "Wer Dortmund zu Hause schlägt, der braucht vor Hannover keine Angst zu haben."

Dabei waren nicht mal 15 Stunden vergangen, als Hamburgs Cheftrainer noch ganz anders klang. "Ich bin stinksauer", hatte Fink im voll besetzten Presseraum des Borussia-Parks am späten Mittwochabend gesagt und mit rotem Kopf seinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Viel cleverer hätte seine Mannschaft spielen müssen, hatte er geschimpft, das 3:1 hätte man machen müssen: "Ich bin einfach enttäuscht."

Nun kann man wohl trefflich darüber streiten, ob bei der grundsätzlichen Einschätzung seiner Mannschaft der emotionalisierte Fink von Mittwochabend oder der euphorisierte Fink von Donnerstagmittag recht hat. Ist dieser HSV also wirklich schon so gut, wie es die beiden herrlichen Tore von Rafael van der Vaart und Artjoms Rudnevs gegen Mönchengladbach erahnen ließen? Oder ist die Mannschaft etwa immer noch so schlecht, wie es Tabellenplatz 14 nach nur einem Sieg aus fünf Spielen erscheinen lässt?

Da lohnt die Nachfrage bei einem unabhängigen Beobachter wie Willi Reimann, dem früheren HSV-Trainer, der gerade in den Walk of Fame aufgenommen wurde. Auch dem 62-Jährigen ist der Stimmungsumschwung nach der Verpflichtung von van der Vaart aufgefallen: "Die Mannschaft zeigt ein ganz anderes Gesicht als noch in Bremen, von Spielern wie Son scheint eine Last abgefallen zu sein ", sagt der 62-Jährige und lobt van der Vaart: "Mit ihm gibt es endlich wieder ein Mittelfeldspiel beim HSV. Er ist torgefährlich, spielt hervorragende Pässe." Und er ist dabei nicht alleine. In Mönchengladbach kamen 60 der 61 von Milan Badelj gespielten Pässe an. Der Neuzugang Nummer zwei war zudem mit 12,95 Kilometern erneut der laufstärkste Spieler auf dem Platz.

Dass die vier Punkte gegen Dortmund und Gladbach gleichbedeutend mit der Wende zum Positiven sind, glaubt Reimann nicht: "Für solch eine Einschätzung ist es noch viel zu früh. Erst wenn sich die Euphorie wieder gelegt hat und der HSV ein, zwei Spiele verloren hat, wird sich zeigen, wie nachhaltig der Aufschwung wirklich ist."

Seine Prognose fällt folglich wenig euphorisch aus: "Ich rechne mit einem Mittelfeldplatz, um Platz sechs wird der HSV nicht spielen können, denn ich sehe in Abwehr und Angriff noch immer Handlungsbedarf." Der Schlüssel für erfolgreichen Fußball sei eine gut besetzte Achse vom Torwart über eine stabile Innenverteidigung und einen zentralen Mittelfeldspieler bis zu einem Knipser. Reimann: "Der Torwart strahlt Sicherheit aus, aber hinten und vorne sollten die Verantwortlichen ihre Schlüsse ziehen und aktiv werden."

Dass keine Mannschaft so viele Gegentore nach Standardsituationen wie der HSV kassiert, ist auch Reimann nicht entgangen. "Das kann man trainieren", fordert er. "Marcus Berg stand vor dem 2:2 völlig falsch, hätte sich seitlich zwischen Angreifer und Tor postieren müssen." Auch bei Heiko Westermann sorgte das Verhalten Bergs für Kopfschütteln. "Ich verstehe nicht, wie man seinen Mann so laufen lassen kann. In so einer Situation beobachtet man nicht den Ball, sondern den Gegenspieler." Trainer Fink deutete an, dass er das Gespräch suchen wird: "So was darf nicht häufiger passieren, sonst müssen mal andere auf den Platz."

Was Reimann freut, ist Finks Ankündigung, am Sonnabend gegen Hannover erneut mit der gleichen Startelf zu beginnen. Das bedeutet auch, dass der zwei Spiele gesperrte Petr Jiracek erst einmal auf der Bank sitzen wird. "Bei den vielen Wechseln zu Saisonbeginn konnte nie ein Mannschaftsgefüge wachsen", moniert Reimann. "Trotz der langen Vorbereitungszeit wurde es versäumt, dass sich die Mannschaft einspielen kann." Das soll sich jetzt ändern. Wie gut dieser neue HSV aber wirklich ist, wird sich wohl erst in den kommenden Wochen zeigen.