Armin Veh wird neuer Trainer beim Hamburger SV, Bastian Reinhardt Sportchef im Vorstand. Michael Oenning soll Co-Trainer werden.

Hamburg. Mit historischen Daten ist das häufig so eine Sache: Die wahre Bedeutung eines Ereignisses wird meistens erst im Nachhinein deutlich. Ob zum Beispiel der gestrige Tag tatsächlich in ferner Zukunft einmal in die mittlerweile 123 Jahre alte Vereinschronik des HSV Eingang finden wird, mag heute noch niemand endgültig beurteilen. Allerdings scheint die Einordnung "historisch" für den gestrigen Pfingstmontag zumindest insofern angemessen zu sein, als es der HSV an nur einem Tag geschafft hat, nach der elf Monate langen Suche mit Bastian Reinhardt einen neuen Sportchef und nach der mit vier Wochen vergleichsweise kurzen Turbosuche mit Armin Veh einen neuen Trainer gefunden zu haben. Wahrlich historisch.

So wollte am gestrigen Feiertag auch keiner der zwölf Aufsichtsräte verraten, wo sie sich in einer geheimen Sitzung am Nachmittag zusammensetzten, um über Reinhardt als Nachfolger Dietmar Beiersdorfers abzustimmen. Bis zuletzt war nach Abendblatt-Informationen auch noch Bernd Wehmeyer als Kandidat im Rennen, das Reinhardt nach den Umwegen über Roman Grill, Oliver Kreuzer, Urs Siegenthaler, Nico Hoogma, Sergej Barbarez, Stefan Beinlich und Erik Meijer erst auf der Zielgeraden mit zehn zu zwei Stimmen für sich entscheiden konnte.

Der Exprofi, der seine Spielerkarriere in den kommenden zwei Jahren eigentlich als Stand-by-Profi bei den Amateuren des HSV ausklingen lassen und erst anschließend eine administrative Aufgabe im Verein übernehmen wollte, wird heute um 12 Uhr als neuer Vorstand Sport vorgestellt. Er erhielt einen Zweijahresvertrag. Offiziell wird der 34-Jährige, der in Mannschaft, Verein und bei den Fans größtenteils über ein exzellentes Ansehen verfügt, durch sein Vorstandsmandat sogar Siegenthalers Vorgesetzter. Reinhardt soll aber Bereitschaft signalisiert haben, auf Augenhöhe mit dem Schweizer, der die Hoheit über Scouting, Nachwuchs und Kaderplanung für sich beansprucht (siehe unten), zusammenarbeiten zu wollen.

Eine enge Zusammenarbeit mit Siegenthaler und Reinhardt kann sich offenbar auch Armin Veh gut vorstellen, der ebenfalls heute als neuer Trainer präsentiert werden wird. Auch sein Vertrag ist bis 2012 datiert, sein Assistent soll der frühere Nürnberg-Trainer Michael Oenning werden. Zwar soll bis zuletzt Ex-Hertha-Trainer Lucien Favre von Teilen der Entscheidungsträger als Nachfolger Bruno Labbadias favorisiert worden sein, allerdings war man sich unsicher, ob der introvertierte Schweizer in der Medienstadt Hamburg vermittelbar gewesen wäre. Der ehemalige Wolfsburger Veh gilt dagegen als eloquenter Vertreter seiner Zunft, der die eigenen Spieler und die Medienvertreter durch konsequentes Auftreten und klare Ansagen zu beeindrucken weiß. Der gebürtige Augsburger hat zudem junge Spieler wie den Stuttgarter Sami Khedira zu Nationalspielern geformt. Abgesehen von einer alles in allem beeindruckenden Vita, in der die Meisterschaft des VfB Stuttgart im Jahr 2007 zu den herausragenden Leistungen zählt, kann der 49-Jährige auch mit einer Schweizer Randnotiz beim Trainerbeauftragen Siegenthaler punkten: Er ist seit 24 Jahren glücklich mit der Eidgenossin Helena verheiratet.

Mit derartigen Pfunden kann Reinhardt zwar nicht wuchern - seine Frau Dörte kommt aus Mecklenburg-Vorpommern -, beim HSV hofft man dennoch darauf, dass mit dem einstigen Innenverteidiger, der sich während seiner langen Verletzungszeit als Praktikant in verschiedenen Abteilungen des Vereins weiterbildete, endlich wieder Ruhe im HSV einkehren wird. Sicherlich ganz und gar nicht ruhig wäre es um den Klub bestellt gewesen, wäre eine Idee Horst Beckers in die Tat umgesetzt worden. Der Aufsichtsratsvorsitzende, der nach der zunehmenden Kritik der vergangenen Tage zwischenzeitlich erwog, seinen Vorsitz abzugeben, hatte nach Abendblatt-Informationen vor anderthalb Wochen versucht, Schalke-Trainer Felix Magath für den HSV zu gewinnen. Becker hatte dem einstigen HSV-Star bei einem Geheimtreffen in Hamburg sogar angeboten, die vakanten Posten des Trainers und Sportchefs in Personalunion zu übernehmen. Magath fühlt sich von dem Angebot seiner "alten Liebe" geschmeichelt, lehnte aber mit Verweis auf sein aktuelles Projekt bei Schalke 04 ab. Zudem wäre ein Interessenkonflikt mit Bernd Hoffmann, dem Vorstandsvorsitzenden des HSV, programmiert gewesen, den Becker, nicht aber Magath in Kauf genommen hätte.

Nachdem auch der Versuch einiger Räte, doch noch einmal mit Nico Hoogma zu verhandeln, an Heracles Almelos Vereinspräsidenten Jan Smit scheiterte, war der Weg plötzlich für HSV-Urgestein Reinhardt frei. Ob der 24. Mai tatsächlich als neuer HSV-Feiertag in die Annalen eingeht, ist zwar noch ungewiss, der Anfang für ein neues HSV-Kapitel ist aber endlich geschrieben.