Vor dem entscheidenden Nordderby am Sonnabend hoffen heute gleich vier HSV-Profis, für das deutsche WM-Aufgebot nominiert zu werden.

Hamburg. Es ist eine seltsame Stimmung, die sich derzeit beim HSV rund um die Nordbank-Arena breitmacht. Das Stadion, das gerade für das Europa-League-Finale am 12. Mai von allen Hinweisen auf seinen Besitzer HSV befreit wird, gleicht einer riesigen Baustelle. Gleiches gilt für die Planung der neuen Saison, in der die Mannschaft nach Bekundungen des neuen Sportchefs Urs Siegenthaler vor einer Radikalkur steht.

Es ist eine Mischung aus Unsicherheit, Enttäuschung über vergebene Chancen in der Saison und der vagen Hoffnung, auf den letzten Metern doch noch einen versöhnlichen Abschluss einer größtenteils enttäuschenden Spielzeit schaffen zu können, die den Verein derzeit auszeichnet. Aber eines fehlt: Es gibt nicht die übliche Anspannung vor dem spannenden Saisonfinale beim Erzrivalen Werder Bremen.

Verantwortlich dafür sind allerdings nicht die diversen Baustellen rund um Arena und Team, sondern die bevorstehende WM. Viele HSV-Spieler warten noch immer auf die Nominierungslisten ihres jeweiligen Nationaltrainers, so auch die potenziellen deutschen WM-Fahrer Dennis Aogo, Piotr Trochowski, Jerome Boateng und Marcell Jansen. Alle vier werden schon heute, trotz anderslautender eigener Aussagen, bei der Trainingseinheit (10 Uhr, Nordbank-Arena) in Gedanken rund 650 Kilometer entfernt in Stuttgart sein. Genau dort, wo der deutsche Bundestrainer Joachim Löw gegen 12 Uhr sein vorläufiges, 30 Mann starkes WM-Aufgebot bekannt gibt. "Ich hoffe natürlich, dabei zu sein. Aber ich erwarte es lieber nicht", sagt Dennis Aogo. "So bin ich am Ende auf jeden Fall nicht enttäuscht." Schließlich werden dem Linksverteidiger im Vergleich zu seinen Teamgefährten Piotr Trochowski, Jerome Boateng und Marcell Jansen eher Außenseiterchancen auf eine WM-Teilnahme eingeräumt. "Deshalb erwarte ich nichts und freue mich über alles, was überraschend doch eintritt."

Nicht überrascht wäre dagegen Trochowski über seine Nominierung. Und der Mittelfeldspieler, der sich unter dem inzwischen geschassten Trainer Bruno Labbadia nur selten für höhere Aufgaben empfehlen konnte, bringt das auch deutlich zum Ausdruck: "Ich bin absolut nicht nervös. Es kommt, wie es kommt, und ich bin sehr zuversichtlich." Gleiches darf auch Jerome Boateng sein, dem Löw im Laufe der Saison wiederholt gesagt hatte, er sei auf jeden Fall dabei, sofern er sich nicht verletzt.

Das wiederum ist Marcell Jansen, derzeit nach seinem Syndesmoseband-Riss wieder im Aufbautraining. Doch selbst er darf sich berechtigte Hoffnungen machen. "Ich habe ständigen, sehr guten Kontakt zum Bundestrainer gehabt. Er hat mir deutlich gemacht, dass ich dabei bin, sofern ich gesund werde." Ob dies noch rechtzeitig klappt, soll sich am kommenden Montag herausstellen, wo Jansen nach ersten Waldläufen in dieser Woche wieder ins Mannschaftstraining einsteigen will. "Ich werde am Montag mit dem Bundestrainer telefonieren. Sollte ich bis dahin voll belastbar sein, wäre noch genug Vorbereitungszeit bis zur WM", sagt Jansen.

Gedankengänge, die HSV-Interimstrainer Ricardo Moniz zwar nachvollziehen, aber vorerst hintanstellen will. "Klar, für jeden Fußballprofi ist eine WM-Teilnahme das Größte", so der Niederländer, der relativ aussichtslos versucht, die Stimmung und den Fokus seiner Profis einzig auf das nächste Spiel zu legen. "Wir können hier noch was erreichen", so Moniz ehrgeizig, "und zwar schon Sonnabend in Bremen." Bei einer Niederlage Stuttgarts in Hoffenheim könnte der HSV die Qualifikation zur Europa League doch noch auf den letzten Metern erreichen - einen Sieg im brisanten Nordderby vorausgesetzt.

Unterstützung erhält Moniz, der um den Einsatz Zé Robertos (Magen-Darm-Beschwerden) bangen muss, von Ruud van Nistelrooy, der seinerseits um seine WM-Nominierung zittern muss. "Ich hoffe noch auf das Wunder", so der Niederländer, der in jedem Fall seinen Vertrag beim HSV erfüllen will ("zu 100 Prozent"), über die Restchance auf einen internationalen Wettbewerb, "aber ich weiß eben auch, wie schwer so ein Derby ist. Das ist wie bei Eindhoven gegen Ajax, ManU gegen Liverpool oder Real gegen Barcelona. Diese Spiele leben mehr in den Köpfen der Fans und Spieler. Und dieses Derby entscheidet, ob es für uns doch noch eine positive Saison wird. Egal ob WM oder nicht."