Zerwürfnis mit dem Vorsitzenden Bernd Hoffmann kaum noch zu kitten. Kompetenzgerangel führte zum Bruch. Wer muss gehen?

Hamburg. Als Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer am 7. Juni gemeinsam in den Räumen der Nordbank-Arena mit Bruno Labbadia den neuen Trainer vorstellten, schien die nach dem überraschenden Abgang von Martin Jol in Schieflage geratene HSV-Welt wieder in bester Ordnung zu sein. Stutzig machte in der Folge nur, dass zwei Wochen vor dem Trainingsbeginn am 3. Juli noch immer kein Neuzugang präsentiert werden konnte.

Langsam hebt sich jedoch der Vorhang und legt die gewaltigen Spannungen innerhalb des Vorstands frei, die die Personalplanungen offenbar blockieren. In den vergangenen Tagen sind der Vorstandsvorsitzende Hoffmann und sein Sportchef Beiersdorfer so massiv aneinandergeraten, dass Letzterer den Aufsichtsrats-Vorsitzenden Horst Becker um ein dringliches Gespräch bat.

"Es gibt unterschiedliche Auffassungen sowohl in der Arbeitsweise als auch in der Abgrenzung der Kompetenzbereiche", bestätigte Beiersdorfer gestern dem Abendblatt. "Diese waren auf der Ebene des Vorstands nicht mehr zu regeln."

In der Vergangenheit hatte sich Beiersdorfer intern bereits mehrfach über die Einmischung Hoffmanns in den sportlichen Bereich beklagt. Zudem kam es zuletzt bei Terminabsprachen bezüglich der Kaderplanung für die kommende Spielzeit immer wieder zu gravierenden Unstimmigkeiten. Diese sollen nun das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht haben.

Ein zweiter Brennpunkt ist die Analyse der abgelaufenen Saison. "Darüber gibt es unterschiedliche Bewertungen, aber das werden wir intern klären", kommentierte Hoffmann. Auch hier ist der Dissens klar: Während Hoffmann auch öffentlich die ihm fehlende Leidenschaft anprangerte, weshalb die letzten Prozente für die möglichen Titelgewinne fehlten, beurteilte Beiersdorfer die Ergebnisse - mit der Qualifikation für die Europa League - als zufriedenstellend.

Vor einigen Tagen wurde Beiersdorfer deshalb beim Aufsichtsratschef vorstellig. "Dietmar hat mir in einem langen Gespräch über die unterschiedlichen Auffassungen und Differenzen mit Bernd Hoffmann berichtet", sagt Becker, der mit Beiersdorfer vereinbarte, Anfang der kommenden Woche einen Termin mit dem Personalausschuss der Kontrolleure festzulegen. Dieser besteht neben Becker aus Ernst Otto Rieckhoff, Bernd Enge und Alexander Otto. Dann sollen beide Protagonisten ausreichend Gelegenheit haben, ihren Standpunkt darzustellen.

Das Vertrauensverhältnis zwischen den HSV-Bossen scheint allerdings so gestört, dass an eine weitere Zusammenarbeit kaum zu denken ist. Becker ist anderer Ansicht: "Ich bin überzeugt, dass man das reparieren kann."

Doch die jüngsten Scharmützel kratzen nur an der Oberfläche, das Zerwürfnis zwischen Hoffmann und Beiersdorfer kündigte sich schon lange an. Als es um die Entlassung von Trainers Thomas Doll ging, konnte der Bruch nur mit Mühe verhindert werden, weil Hoffmann für eine schnellere Trennung von Doll plädierte, während Beiersdorfer sein Schicksal sogar mit dem früheren HSV-Coach verband.

Tiefe Risse in der Beziehung entstanden auch bei der Suche nach einem Nachfolger für Huub Stevens. Während sich Hoffmann intern für Jürgen Klopp (damals Mainz 05) aussprach, wollte Beiersdorfer unbedingt Fred Rutten (später Schalke 04) verpflichten. Bis man sich im Vorstand einigen konnte, vergingen schließlich stolze 177 Tage.

Dass der Kompromisskandidat Martin Jol nach nur einer Saison das Weite suchte, hatte angeblich auch mit den Strukturen in der Chefetage zu tun. Offenbar hatte der Niederländer ein gutes Gespür dafür, dass eine Eskalation kurz bevorstand.

Im August 2002 trat Beiersdorfer sein Amt beim HSV an, Hoffmann folgte im Februar 2003. Schon früh stellte sich heraus, dass zwei völlig verschiedene Charaktere ein Team bilden: Auf der einen Seite der impulsive, entscheidungsfreudige Machtmensch Hoffmann, auf der anderen Seite der grübelnde, eher introvertierte Analytiker Beiersdorfer. Zusammen haben sie den Verein auf Rang 21 der Klubrangliste der Uefa gebracht. Doch dass sie bis zum Ende ihrer Verträge 2011 weiter an einem Tisch sitzen, scheint sehr unwahrscheinlich. Wann auch immer: Einer wird wohl gehen müssen.