Sportchef Frank Arnesen gerät stetig mehr unter Druck - noch immer kann er keine Zugänge für die geforderten Positionen präsentieren.

Hamburg. Das Spiel gegen den FC Barcelona (1:2) hat einiges offenbart. Sportliche Unzulänglichkeiten beim HSV ebenso wie das schwindende Interesse der Zuschauer vor dem Fernseher. Nur 8,3 Prozent Marktanteil konnte die ARD für ihre Liveübertragung des Jubiläumsspiels gegen den FC Barcelona vermelden. Das sind gerade 1,27 Millionen Zuschauer. Ein Minusrekord, der ARD-intern der Absage von Lionel Messi zugeschrieben wird - aber auch der schwindenden sportlichen Attraktivität des HSV.

Eine Meinung, die viele Fans teilen. Entsprechend angespannt ist Frank Arnesen. Der HSV-Sportchef befindet sich im Dauerstress zwischen Spielerverkäufen und Verhandlungen mit neuen Kandidaten. Die geforderten Verstärkungen konnte der Däne indes noch nicht präsentieren. Selbst der sicher geglaubte Transfer von Milan Badelj von Dinamo Zagreb droht zu platzen. "Sobald der Markt in Schwung kommt, kann es schnell gehen", hatte Arnesen Mitte Juni erklärt. Seitdem sind sechs Wochen verstrichen - und die Transfer-Uhr tickt - noch bis zum 31. August. Allerdings stehen am 19. August das Pokalspiel beim Drittligaklub Karlsruher SC und am 25. August der Bundesligastart gegen den 1. FC Nürnberg an. Das Abendblatt nennt die noch offenen Baustellen des HSV.

+++ Arnesen muss liefern +++

Die Abwehr

Unter Arnesen gingen Guy Demel (ablösefrei/West Ham), Joris Mathijsen (1,7 Millionen/Malaga), David Rozehnal (500 000 Euro/Lille), Alex Silva (zwei Millionen Euro/Flamengo). Dafür kamen seitdem Michael Mancienne (2,5 Millionen), Jeffrey Bruma (500 000 Euro Leihgebühr) sowie Slobodan Rajkovic (zwei Millionen/alle Chelsea). Und Trainer Thorsten Fink ist grundsätzlich zufrieden mit seiner Defensive. "Gegen Barcelona haben wir in der ersten Halbzeit zwei Chancen zugelassen - ansonsten standen wir gut. Wir entwickeln das, was uns letzte Saison gefehlt hat: Stabilität", glaubt Fink.

Durch die Suspendierung von Slobodan Rajkovic und durch das Vorziehen von Heiko Westermann ins zentral-defensive Mittelfeld kann sich der HSV in der Abwehr allenfalls auf den Außenpositionen Ausfälle erlauben.

Innen stehen Fink lediglich Michael Mancienne, Jeffrey Bruma und der zwischenzeitlich suspendierte Muhamed Besic zur Verfügung. Drei Perspektivspieler, die den Nachweis, eine Verstärkung zu sein, aber noch erbringen müssen. "Wir brauchen noch einen guten Innenverteidiger", mahnt Fink, dessen Wunschspieler David Abraham beim FC Getafe wohl nicht loszueisen ist.

Das Mittelfeld

David Jarolim (ablösefrei/noch ohne Verein), Piotr Trochowski (ablösefrei/FC Sevilla), Eljero Elia (neun Millionen/Juventus Turin), Tunay Torun (ablösefrei), Änis Ben-Hatira (600 000/ beide Hertha BSC), Collin Benjamin (ablösefrei/1860 München), Jonathan Pitroipa (3,5 Millionen Euro/Stade Rennes) und Zé Roberto (ablösefrei/Al-Gharafa) gingen unter Arnesen - es kamen dafür Per Skjelbred (500 000/Trondheim), Gökhan Töre (220 000 für 50 Prozent Weiterverkaufsrechte von Chelsea), Jacopo Sala (100 000/Chelsea), Ivo Ilicevic (vier Millionen/Kaiserslautern) und zuletzt Maximilian Beister (war an Düsseldorf ausgeliehen).

Hier hat Frank Arnesen offensichtlich ein Minusgeschäft gemacht - zumindest sportlich. Keiner der Neuen wusste nachhaltig zu überzeugen. Im Gegenteil: Selbst bei Töre, der sich zumindest anfänglich durchsetzen konnte, mussten alle Beteiligten einsehen, dass der Verkauf für rund sechs Millionen Euro an Rubin Kasan mehr Sinn macht, als er sportlich für den HSV wert sein könnte. "Milan Badelj und ein guter Zehner - und wir wären im Mittelfeld fast schon überbesetzt", sagt Fink. Doch er muss im Konjunktiv bleiben. Denn die Unterschrift von Milan Badelj ist trotz anderslautender Ankündigungen von HSV-Vorstandschef Carl Jarchow längst nicht mehr sicher. Fenerbahce Istanbul soll dem 23-Jährigen ein finanziell reizvolleres Angebot unterbreitet haben. Und so droht nach Granit Xhaka und Rafael van der Vaart auch bei dem Kapitän von Dinamo Zagreb, dessen Verpflichtung Jarchow bereits vermeldet hatte, eine weitere Absage, die Arnesen angelastet würde. Deswegen reiste der Däne gestern extra nach Zagreb, um die Verhandlungen zu forcieren. Zudem war plötzlich eine vor Wochen noch ausgeschlossene Verpflichtung Raffaels von Hertha BSC wieder ein Thema. Doch der Brasilianer mit einem Marktwert von rund acht Millionen Euro steht nach Informationen der "Berliner Morgenpost" unmittelbar vor einem Wechsel zu Dynamo Kiew. "Natürlich sind wir hier noch nicht total zufrieden", sagt Fink, der bei Arnesen auch den Wunsch nach einem weiteren Angreifer hinterlegt haben soll, diplomatisch. Noch.

Der Angriff

Nach Ruud van Nistelrooy im Sommer 2011 (ablösefrei zum FC Malaga) sind mit Mladen Petric (ablösefrei/FC Fulham) und Paolo Guerrero (3,5 Millionen/Corinthians São Paulo) die beiden erfolgreichsten Angreifer der vergangenen drei Jahre gegangen. Neu gekommen ist nur Artjoms Rudnevs (3,5 Millionen/Lech Posen), der den Nachweis seiner Qualität noch schuldig geblieben ist. Und während Fink sich einiges von Rudnevs verspricht, nennt er selbst Marcus Berg und Heung Min Son als Alternativen "für ein System mit eh nur einem Stürmer". Allerdings ist bekannt, dass Fink Son eher auf der rechten Außenbahn denn im Sturmzentrum sieht. Auch ein Grund, weshalb der Trainer seinen Sportchef darum gebeten haben soll, bei einer guten Gelegenheit auch für das Sturmzentrum noch einmal zuzuschlagen.

Das Fazit

Bei den Verkäufen sieht Arnesen bislang gut aus. Wirtschaftlich war der Sportchef durchaus erfolgreich. Allerdings fehlt der Ersatz, der seit Wochen groß angekündigt wird. Mit René Adler wurde ein sehr guter Torwart verpflichtet. Dennoch wächst die Unruhe. Auch deshalb betont Fink: "Frank arbeitet viel, und wir sind auf einem guten Weg. Geduld! Wir werden noch gute Leute holen." Allerdings sind auch für Fink Sofortverstärkungen nötig, denn nominell hat die Mannschaft bislang eher an Qualität verloren. Und dafür wird Fink am Ende unmittelbar mit Arnesen zusammen verantwortlich gemacht.