Hamburg. "Erst das Leben, dann die Arbeit." Dieser Traum wurde am 26. April 1961 für viele Hamburger wahr. Es ging um das Halbfinale im Europapokal der Landesmeister: HSV gegen den FC Barcelona. Weil es im Volksparkstadion noch kein Flutlicht gab, musste das Spiel bei Tageslicht angepfiffen werden - um 17 Uhr. Damit die Fans die Live-Übertragung im Fernsehen verfolgen konnten, genehmigten viele Firmen einen früheren Feierabend. Die Schüler hatten an diesem Tag keine Hausaufgaben zu erledigen, die Stadt wirkte am Abend wie leer gefegt. Hamburg erlebte den ersten fußballerischen Ausnahmezustand. Mehr als 200 000 Menschen hatten um Karten nachgefragt, mehrmals brachen die Telefonleitungen zusammen, letztlich konnten nur 71 000 Zuschauer im Stadion dabei sein. Sie erlebten ein Spiel, das sie bis an ihr Lebensende niemals vergessen werden.

Es galt, einen 0:1-Rückstand aus dem Hinspiel aufzuholen. Und der HSV, der gegen die Weltklassemannschaft aus Spanien krasser Außenseiter war, legte wie schon beim 4:1 im Viertelfinale gegen den FC Burnley schwungvoll los. Es dauerte aber bis zur 58. Minute, ehe es 1:0 hieß. Peter Wulf hatte einen Freistoß mit seinem schwächeren linken Fuß genau in den oberen Torwinkel gedroschen - ein Traumtor. Und als Uwe Seeler aus spitzem Winkel Barca-Torwart Ramallets überlistet hatte, verstand im Volkspark niemand mehr sein eigenes Wort. "HSV, HSV, HSV", schallte es durch das Oval.

So blieb es bis neun Sekunden vor dem Abpfiff. Es lief die Nachspielzeit - und plötzlich Totenstille. Kocsis hatte, ausgerechnet nach einem Fehlpass von Uwe Seeler, doch noch das Anschlusstor erzielt. Der HSV hatte zwar 2:1 gewonnen, aber dieser Sieg war wie eine Niederlage. Damals gab es bei Torgleichstand noch ein Entscheidungsspiel. Das verlor der HSV in Brüssel 0:1.

"Die drei Partien gegen Barcelona waren dennoch die Highlights meiner Karriere", sagt noch heute HSV-Torwart Horst Schnoor. Und Rechtsaußen Klaus Neisner erinnert sich: "Der belgische Schiedsrichter Versyp kam später zu mir und sagte, dass er es nach unserem Fehlpass geahnt hätte, dass wir noch dieses 1:2 kassieren würden. Er hätte besser abpfeifen sollen ..."