Oppositionsgruppe HSV-Realos kritisiert Abteilungsleitung und Vorstand Oliver Scheel. Um dessen Job geht es am 15. Januar im CCH.

Hamburg. Noch einmal will Oliver Scheel keine Wette eingehen. Nachdem der HSV-Vorstand bei der vergangnen ordentlichen Mitgliederversammlung mit einem befreundeten Mitglied optimistisch um ein frisch gezapftes Bier gewettet hatte, die Veranstaltung würde nicht länger als sechs Stunden dauern, ist Scheel im Hinblick auf die Versammlung am 15. Januar in Saal 1 des CCH vorsichtiger geworden. "Es wird lebhafte Diskussionen geben, aber ich hoffe, dass wir nicht länger als zehn Stunden debattieren", sagt der 46-Jährige, der darauf hinweist, dass rekordverdächtige 35 Tagesordnungspunkte auf dem Programm stehen.

Der interessanteste Tagespunkt, auch wenn Scheel das so nie sagen würde, ist zweifelsohne Punkt 16: die Wahl des Vorstandsmitglieds für die Belange der Mitglieder. Oder in anderen Worten: Es geht um Scheels Job.

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Nachdem es noch bis vor Kurzem nach einer routinemäßigen Wiederwahl Scheels aussah, hat die Abstimmung spätestens nach der angekündigten Kampfkandidatur von Christian "Büdi" Blunck an Brisanz gewonnen - vor allem weil seit Kurzem einige HSV-Fans gegen den bisherigen Amtsinhaber mobilmachen. "Oliver Scheel hat in seinen drei Jahren Amtszeit keine bahnbrechenden Entscheidungen getroffen, hat keine Durchschlagskraft bewiesen und keine Ziele verwirklicht", sagt Tom Heinkel, 35, der aus seiner Unzufriedenheit keinen Hehl macht. Gemeinsam mit mehreren Gleichgesinnten, die sich die HSV-Realos nennen, hat der Unternehmer eine Opposition innerhalb der Abteilung Supporters Club (Klub der Unterstützer) gebildet.

"Mit unserer Initiative wollen wir zum Ausdruck bringen, dass es eine große Gruppe von HSV-Fans innerhalb des Vereins gibt, die sich nicht mehr von der Supporters-Leitung ordentlich repräsentiert fühlt", sagt Unterstützer Thomas Krüger, der bei der vergangenen Mitgliederversammlung vergeblich als Aufsichtsratskandidat angetreten war. Heinkel, Krüger und ihre Mitstreiter kritisieren besonders den "Supporters-Klüngel" (O-Ton Krüger) rund um Scheel, dem neu gewählten Aufsichtsrat und Supporters-Chef Ralf Bednarek, die ihrer Meinung nach lediglich die Interessen einiger weniger vertreten. "Scheel sollte eigentlich für alle Mitglieder da sein, nicht nur für ein bestimmtes Klientel", sagt Heinkel, dem Scheel umgehend widerspricht: "In meiner gesamten Amtszeit als HSV-Vorstand habe ich mich immer um alle unsere Mitglieder gekümmert, nicht nur um einige wenige."

Dass die HSV-Realos nach der Initiative Pro HSV und der Facebook-Opposition bereits die dritte Gegeninitiative aus den eigenen Reihen sind, hat auch Supporters-Chef Bednarek registriert. Besorgt ist er deswegen aber nicht. "Ich bin offen für konstruktive Kritik. Besonders mit der Initiative Pro HSV bin ich seit Monaten in guten und umfangreichen Gesprächen. Es ist aber auch klar, dass bei mehr als 60 000 Supporters nicht alle die gleiche Meinung haben können", sagt der Vorsitzende der wahrscheinlich mächtigsten Mitgliederorganisation der Bundesliga. Seiner Meinung nach ist der Zeitpunkt für die öffentliche Kritik kein Zufall: "Wahrscheinlich ist es das Normalste der Welt, dass vor einer Wahl und einer Mitgliederversammlung einige kritische Stimmen lauter werden."

Scheel will die Kritik an seiner Person trotzdem nicht unkommentiert lassen. "Die Behauptung, ich hätte in meiner Amtszeit nichts bewirkt, kann ich nicht stehen lassen", sagt der Anwalt, "ich kann guten Gewissens sagen, dass ich besonders beim Ausbau des Geländes in Ochsenzoll, insbesondere beim neuen Vereinsheim und bei der Errichtung von neuen Kunstrasenplätzen tatkräftig mitgewirkt habe. Zudem habe ich mich immer wieder für die Erhaltung einer gewissen Fußballkultur eingesetzt." Der Bau weiterer Stehplätze sei hierfür nur ein Beispiel, sagt Scheel, der mit dem früheren Hockeynationalspieler Blunck auf einen in Hamburg prominenten Konkurrenten trifft. "Ich möchte, dass die besten Köpfe in allen Gremien vertreten sind und nicht nur eine überschaubare Gruppierung innerhalb der Supporters", wirbt Heinkel trotz aller Erklärungen Scheels weiter offen für Blunck.

Die Wahl des Vorstands für Mitgliederbelange ist allerdings nur einer von mehreren Punkten, die für eine gewisse Unruhe innerhalb der Supporters sorgen. Die grundlegende Ausrichtung des Vereins, eine mögliche Mitgliederbefragung und eine eventuelle Briefwahl sorgen ebenfalls dafür, dass sich seit Wochen beide Parteien ganz genau beäugen. Sogar der Ehrenrat wurde bereits mehrfach eingeschaltet. Eine unterhaltsame Veranstaltung am 15. Januar dürfte jedenfalls garantiert sein. Die letzte Mitgliederversammlung dauerte im Übrigen acht Stunden und 50 Minuten - ein Rekord, der diesmal gebrochen werden dürfte. Wetten, dass ...?