Nach dem 2:2 in Leverkusen stellt sich die Frage, ob man sich beim HSV über das dritte Remis in Folge freuen darf. Ja, sagt Trainer Thorsten Fink.

Leverkusen/Hamburg. Wenn Thorsten Fink etwas hervorheben möchte, dann baut der HSV-Trainer gerne das Wörtchen "sehr" in seine Sätze ein. Und nach dem wahrscheinlich leistungsgerechten 2:2 am Sonnabend bei Bayer Leverkusen , das wurde bei Finks anschließender Spielanalyse deutlich, gab es einiges zu betonen. So habe der 44-Jährige ein "sehr gutes Spiel" seiner Mannschaft gesehen, sagte er, besonders nach den "sehr schlechten ersten 30 Minuten, in denen wir katastrophal gespielt haben". Fink zögerte kurz, überlegte, ob er noch tiefer in die Fehleranalyse einsteigen soll, ließ es dann aber lieber bleiben. Insgesamt sei er "sehr, sehr zufrieden", sagte der Neu-Hamburger, strich sich über seinen Bart und verabschiedete sich höflich.

Betrachtet man das Spiel in Leverkusen für sich, hatte Fink tatsächlich allen Grund, zufrieden zu sein. Vielleicht sogar sehr zufrieden. Nach dem frühen 0:2-Rückstand gegen den Champions-League-Teilnehmer hatte sich seine Mannschaft ein 2:2 erkämpft, dabei phasenweise richtig guten Fußball geboten. "Mein Team hat Moral und Charakter bewiesen", lobte Fink, dessen sorgfältig ausgetüftelter Matchplan nach Heiko Westermanns Anschlusstreffer zum 1:2 (34.) aufzugehen schien. So zwangen die offensiven Außenverteidiger Dennis Diekmeier und Dennis Aogo Leverkusens Trainer Robin Dutt sogar dazu, in der Halbzeit Flügelstürmer Sidney Sam gegen den Defensivmann Stefan Reinartz auszutauschen. "Aogo und Diekmeier haben fast schon als Links- und Rechtsaußen gespielt, sodass sie unsere Flügelstürmer Sam und Schürrle gebunden hatten. Dagegen musste ich etwas unternehmen", erklärte Dutt, der trotzdem nach dem Seitenwechsel hilflos mitansehen musste, wie der HSV immer mehr das Kommando übernahm, besonders durch die Geistesblitze Gökhan Töres. "Ich habe meine Jungs in der Pause lautstark daran erinnert, wozu sie imstande sind", sagte Fink, der sich nach Jansens Ausgleichstreffer (58.) bestätigt sah.

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Dass die Hamburger ihre nächtliche Heimfahrt per Bus über die A 3 und die A 1 nicht vollends genießen konnten, hatte dann weniger mit dem Abend in Leverkusen als mehr mit der Einordnung des Ergebnisses in den Gesamtkontext zu tun. Denn während Optimisten sich darüber freuen durften, dass der HSV nach drei Spielen unter Fink noch immer ohne Niederlage ist, bemängelten Pessimisten die Tatsache, dass eben auch noch kein Sieg gelungen ist. Drei Partien, drei Unentschieden. "Irgendwann brauchen wir auch mal drei Punkte", sagte Tomas Rincon, der in Finks Spielsystem die Rolle des Quarterbacks von Woche zu Woche perfektioniert. "Mir gefällt die neue Spielphilosophie. Wir sind in den letzten Wochen deutlich besser geworden."

Ähnliche Sätze fielen allerdings auch schon nach dem ordentlichen 1:1 gegen Kaiserslautern, als der HSV 70 Minuten in Unterzahl spielen musste, und nach dem ebenfalls ansprechenden 1:1 gegen Wolfsburg. "Ich bin mir sicher, dass wir schon bald wieder gewinnen werden, sofern wir weiterhin so auftreten wie in der zweiten Halbzeit gegen Leverkusen", sagte Torschütze Westermann, der diesen Anspruch auf dem Feld eindrucksvoll untermauert hatte.

Allerdings zeigte sich auch in Leverkusen, dass Hamburgs neuralgischer Punkt weiter im zuweilen naiven Auftreten in der Defensive liegt. Von 14 Pflichtspielen in dieser Saison konnte der HSV noch keine Partie ohne Gegentreffer überstehen, insgesamt lagen die Hanseaten in dieser Saison bereits zehnmal mit 0:1 hinten. Und nachdem Jeffrey Bruma verletzt und Slobodan Rajkovic gesperrt gegen Bayer ausfielen, bewies Vertreter Michael Mancienne besonders in den ersten 20 Minuten, dass der wohl schmächtigste Engländer nach Mister Bean kein ernsthafter Vertreter im Abwehrzentrum sein kann. Einen echten Befreiungsschlag aus den Niederungen der Tabelle, das wurde am Sonnabend mehr als deutlich, kann es nur geben, wenn sich Fink nach der Wiederbelebung der Offensive als nächstes Projekt der Hamburger Defensive widmet.

Dabei tut der frühere Bayern-Profi gut daran, seinen Fokus auch weiterhin nicht auf die Arbeit der Unparteiischen zu richten. "Der Schiedsrichter hat heute insgesamt sehr souverän gepfiffen", sagte Fink, als er auf die zahlreichen strittigen Situationen in den vorangegangenen 90 Minuten angesprochen wurde (siehe unten). Der Fußballlehrer will sich nicht mit Dingen beschäftigen, die er nicht beeinflussen kann. "Mir ist wichtig, dass wir uns Woche für Woche steigern, dass die Spieler meine Philosophie immer mehr verinnerlichen", sagte Fink, der beim Heimspiel gegen Hoffenheim nach der Länderspielpause aller Voraussicht nach wieder auf Bruma und den ebenfalls verletzten Ivo Ilicevic zurückgreifen kann. Nur Torjäger Mladen Petric, der an einem Muskelfaserriss im Oberschenkel laboriert, wird etwas mehr Zeit brauchen.

Die Zeit für den ersten Sieg unter Trainer Fink sollte endlich reif sein. Sehr reif.