HSV-Aufsichtsrat erwägt juristische Schritte gegen den Ex-Klubchef Hoffmann. Zahlungen an Fast-Sportchef Siegenthaler werden untersucht.

Hamburg. Gestern Abend war Bernd Hoffmann für ein paar Stunden wieder Teil der HSV-Familie. Der frühere Vorstandsvorsitzende ließ es sich nicht nehmen, in die Handwerkskammer zu kommen, um als einfaches Vereinsmitglied den Nachfolger des verstorbenen Aufsichtsrats Gerd Krug persönlich zu wählen. Wie zuvor erwartet setzte sich bei der Wahl für den Aufsichtsratsvertreter der Senioren Ronald Wulff mit 84:25 Stimmen gegen Peter Groth durch. Das Thema des Abends war aber ein anderes.

Wie das Abendblatt erfuhr, hat der Aufsichtsrat kürzlich einen Anwalt eingeschaltet, um die achtjährige Amtszeit Hoffmanns auch juristisch prüfen zu lassen. Grund hierfür ist das zuvor vom neuen Vorstand in Auftrag gegebene, 25 Seiten dicke Sondergutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, das offenbar erhöhten Redebedarf nach sich zog. Neben Beraterverträgen wurde damals vor allem untersucht, ob Beschlüsse im vierköpfigen Vorstand gemäß der Geschäftsordnung und Satzung gefällt wurden. "Die Ergebnisse des Gutachtens haben aus juristischer Sicht keine Verwertbarkeit", sagte damals Aufsichtsratschef Otto Rieckhoff, der sich nun offenbar von Teilen des Kontrollgremiums hat umstimmen lassen. So beauftragte der HSV die renommierte Hamburger Kanzlei Heuking am Neuen Wall, dem ehemaligen HSV-Chef einen Katalog mit Fragen zu früheren Verträgen zukommen zu lassen. Hoffmann erklärte gestern auf Abendblatt-Anfrage, dass ihm ein solches Schreiben nicht bekannt sei. "Ich kann zu nichts Stellung nehmen, mit dem mich bisher nur Medienvertreter konfrontiert haben", sagte Hoffmann, der dem Vorgang gelassen entgegensieht: "Die Bilanz meiner Amtszeit ist für jeden nachlesbar und spricht für sich. Das ist auch von niemandem zu beschmutzen."

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Der Aufsichtsrat, der sich im März dieses Jahres nicht auf eine Vertragsverlängerung Hoffmanns einigen konnte, sieht das offenbar anders. In internen Runden wurden einzelne Verträge, hohe Beraterhonorare, angeblich fehlende Vorstandsbeschlüsse und mangelnde Transparenz kritisiert. Zudem wolle man unter allen Umständen verhindern, für zurückliegende Entscheidungen Hoffmanns, die damals im Kontrollgremium möglicherweise ohne die nötige Prüfung abgesegnet wurden, gegebenenfalls im Nachhinein haftbar gemacht werden zu können.

Besonders Zahlungen im sechsstelligen Bereich an den designierten Sportchef Urs Siegenthaler, der dem HSV im Sommer vergangenen Jahres überraschend absagte, sollen noch einmal genauer geprüft werden. Den Vorwurf, der DFB-Chefscout habe nie einen Vertrag beim HSV unterschrieben, trotzdem aber mehrere Hunderttausend Euro bekommen, weist Siegenthaler aber entschieden zurück. "Ich hatte sehr wohl einen schriftlichen Vertrag in meiner Zeit beim HSV. Zwischen dem 1. Januar und dem 31. Juli wurde jeder Cent ordnungsgemäß abgerechnet", sagt der Schweizer, der ursprünglich am 1. August des vergangenen Jahres beim HSV hätte starten sollen.

Der Fast-Sportchef legt zudem großen Wert darauf, über eine offiziell eingetragene Firma in der Schweiz auch seine früheren Mitarbeiter Paul Meier und Christofer Clemens, die noch immer in Hamburg tätig sind, bis zu deren offiziellen Vertragsbeginn am 1. August 2010 von den HSV-Zahlungen bezahlt zu haben. Zudem habe er für Präsentationen in Hamburg und Scoutingreisen, beispielsweise für den damals begehrten Ibrahim Afellay, branchenübliche Honorar- und Spesengelder erhalten. Und auch Hoffmann widerspricht: "Wir haben mit jeder Entscheidung im Interesse des Vereins gehandelt, und das ist auch im Gesamtergebnis ablesbar." Der neue Vorstand des HSV will einen unterschriebenen Vertrag Siegenthalers in den Unterlagen auf der Geschäftsstelle allerdings nicht gefunden haben.

Ein in Teilen des Aufsichtsrats immer noch äußerst umstrittenes Honorar, das bei der Sonderprüfung von KPMG auffiel, hat auch Bernhard Fischer-Appelt von der Hamburger Agentur fischerAppelt AG erhalten. "Wir haben von Oktober 2010 bis März 2011 den Vorstand auf eine Empfehlung aus dem Aufsichtsrat hin in Kommunikationsfragen beraten. Insbesondere in Fragen des Vereinsprofils, der Markenführung und auch beim kommunikativen Umgang mit Toppersonalien", umschrieb Fischer-Appelt seine damals getätigten Leistungen. Insgesamt stellte der Kommunikationsexperte dem HSV 89 000 Euro in Rechnung, was bereits unmittelbar nach der Demission Hoffmanns für großen Wirbel im Verein gesorgt hatte. Im Kontrollgremium wurde sogar ein Antrag diskutiert, der eine eidesstattliche Versicherung von Hoffmann und Fischer-Appelt einforderte, mit denen die beiden Protagonisten bekräftigen sollten, weder direkt noch indirekt Internetforen und Onlineumfragen zugunsten Hoffmanns manipuliert zu haben. Ein Vorwurf, den Hoffmann damals als "absurd" bezeichnete, zu dem er sich heute offiziell nicht mehr äußern möchte. Und obwohl eine eidesstattliche Versicherung seitens des Aufsichtsrats nie wirklich eingefordert wurde, weigerten sich die Verantwortlichen des HSV, die seit Monaten noch offene Rate in Höhe von 56 000 Euro an die Agentur zu zahlen. "Der HSV befindet sich in Zahlungsverzug", bestätigte Fischer-Appelt, "wir erwarten einen zügigen Zahlungseingang vom HSV."

Aufsichtsratschef Rieckhoff wollte sich zu dem Entschluss, eine Kanzlei einzuschalten, nicht äußern. Sicher ist nur, dass auf der nächsten Sitzung des Kontrollgremiums, an der dann auch erstmals wieder Wulff teilnehmen wird, die weiteren Schritte besprochen werden. Bis dahin, man glaubt es kaum, sollen zunächst mal sportliche Schlagzeilen geschrieben werden.