Bis Mittwoch soll Eljero Elia den Hamburger SV verlassen. Interessenten gibt es mehr als genug. Es ist das Ende eines Missverständnisses.

Hamburg. Am Ende des Tages, als Eljero Elia sich in die Herzen aller Hamburger gedribbelt hatte, fehlten dem Niederländer selbst die richtigen Worte. "Wow", sei sein erster Heimauftritt gegen Borussia Dortmund gewesen, sagte dieser 22-jährige Bursche mit dem angedeuteten Irokesenschnitt. Viel besser hätte man die unvergessenen Ereignisse der zwölften Spielminute an jenem 15. August 2009 aber auch nicht mit einem langen Leitartikel beschreiben können. Nach einem Doppelpass mit Paolo Guerrero rannte Elia auf Gegenspieler Owomoyela zu, zog überraschend an dem gebürtigen Hamburger und Blaszczykowski vorbei in den Strafraum, um rechtzeitig vor dem herbeigeeilten Subotic zurück in die Mitte zu passen, wo Guerrero nur einschieben musste. Ein Tor wie ein Gemälde!

Ziemlich genau zwei Jahre ist dieser Geniestreich nun her. 4:1 endete die Partie, an die sich in diesen Tagen kaum noch ein HSV-Fan erinnern kann oder will. Wenn es ein schmaler Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist, dann hat sich in Hamburg längst die Gewissheit durchgesetzt, dass der damals mit Ovationen so gefeierte Elia zu Letzterem neigt. Bis morgen um 12 Uhr will Sportchef Frank Arnesen den früheren Publikumsliebling auf die Transferliste setzen, um Elia im Sommerschlussverkauf doch noch abzugeben. Interessenten gibt es mehr als genug. Übrig bleibt nur die Frage, wie es in den vergangenen zwei Jahren so weit kommen konnte.

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Das grundlegende Missverständnis zwischen Elia, dem wahrscheinlich besten HSV-Fußballer seit Rafael van der Vaart, und dem HSV ist genau genommen schon einige Wochen vor seinem so spektakulären Heimdebüt zu finden. Bereits bei seiner offiziellen Vorstellung erklärte der Offensiv-Allrounder, dass er gerne in die Fußstapfen van der Vaarts und Nigel de Jongs treten wolle, der HSV dabei ein idealer Zwischenschritt auf dem Weg zu einem europäischen Topklub sei. Der HSV also nur ein Sprungbrett? So stolperte der begnadete Linksfuß noch vor seiner ersten Trainingseinheit in das selbst verschuldete Fettnäpfchen und rutschte kräftig aus.

Was folgte, waren geniale Manöver auf dem Spielfeld, gepaart mit verbalen Ausfällen abseits des Platzes. "In Deutschland und den Niederlanden kennt man mich jetzt. Ich will aber, dass die ganze Welt mich kennenlernt", sagte Elia in einem Interview mit dem Abendblatt drei Monate nach seinem Debüt. Er fühle sich als Superstar, schließlich bekomme er fast alles, was das Leben leichter macht: viel Geld, große Autos, ein schönes Haus. Elia suchte sich eine Luxuswohnung mit Blick auf das Treppenviertel in Blankenese, lud allerhand "Freunde" aus der Heimat mit großen Tattoos und kleinem Portemonnaie ein und genoss das Leben eines Fußballstars, wie ein Anfang-Zwanzigjähriger es nur genießen kann.

Der Doppelpass zwischen Genie und Wahnsinn funktionierte in etwa so lange, wie Elia auf dem Feld zu gefallen wusste. Das änderte sich buchstäblich schlagartig, als der Flügelstürmer am 28. November 2009 vom Mainzer Noveski schwer am Knöchel verletzt wurde. Bis zum Sommer erholte sich Elia weder von der Blessur noch vom verbalen Schlagabtausch mit seinem eigenen Verein. Er fühle sich falsch behandelt, kritisierte der holländische Patient, der erst bei der WM in Südafrika mit den Niederlanden annähernd an seine einstige Form anknüpfen konnte.

Anstoß - der Abendblatt-Newsletter zum HSV

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Beim HSV fühlte sich der hochbegabte Fußballer aber fortan nur noch bedingt willkommen. "In der Kabine haben sie Witze über mich gemacht, sogar der Trainer hat mich auf den Arm genommen. Ich wurde nicht mehr respektiert", klagte Elia, als er das Abendblatt im April dieses Jahres in seiner Wohnung zum Gespräch empfing. "Wenn es mir gut geht, bin ich ein lustiger Kerl, der gerne Spaß hat. Und dann spiele ich auch gut Fußball", sagte Elia, dem es aber immer seltener gut ging.

Zuletzt versuchten Sportchef Arnesen und Trainer Michael Oenning in mehreren Gesprächen, Elias Seele noch einmal zu streicheln. Er sei ein wichtiger Spieler, man brauche ihn, wolle ihn behalten. Doch Elia wollte sich nicht mehr streicheln lassen. "Vor zwei Wochen hat sich die Lage geändert, die Tür für einen Transfer ist jetzt offen", sagte Arnesen, der noch vor drei Wochen eine Acht-Millionen-Euro-Offerte von Juventus abgelehnt hatte. Berater Klaus Vink betont, dass es neben den Italienern weitere Interessenten geben soll, ein Transfer aber noch nicht entschieden sei: "Wir verhandeln mit Juventus, aber noch gibt es nichts Neues." Wer bis Mittwoch den Zuschlag bekommt, darf sich, da ist sich Vink sicher, auf einen wahnsinnig genialen Fußballer freuen.