Nach sechs Jahren ohne Visum in England will der Serbe Slobodan Rajkovic auf Dauer beim HSV sein. Auch St. Pauli hatte Interesse.

Hamburg. So richtig glauben konnte Slobodan Rajkovic, 22, freundliches Gesicht, blonder Dreitagebart, sein Glück gestern noch nicht. "Irgendwie ging alles so schnell, ich hatte in den vergangenen Tagen gar nicht die Zeit, mal durchzupusten", sagte der Serbe, der beim HSV einen Vertrag bis 2015 unterschrieben hat. Montag das erste Gespräch mit Sportchef Frank Arnesen, Dienstag Medizincheck in Hamburg, Mittwoch das erste Training. "Ich wollte endlich eine Heimat haben", sagte Rajkovic, der in den vergangenen sechs Jahren beim FC Chelsea vergeblich davon geträumt hatte, in London ein echtes Zuhause zu haben.

Dabei ist es gerade mal einen Monat her, dass der hoch veranlagte Innenverteidiger, der in den vergangenen Jahren an vier verschiedene Vereine verliehen war, ein letztes Mal berechtigte Hoffnungen hegte, doch noch in London bleiben zu dürfen. Den 12. Juli wird der 1,91 Meter große Abwehrmann jedenfalls nicht so schnell vergessen. Es war der Tag, an dem Rajkovic erstmals seit seinem Transfer zum FC Chelsea im November 2005 in einem Spiel das offizielle Chelsea-Trikot überstreifen durfte. Gegner auf Chelseas Cobham Training Centre war zwar nur der Drittligist Wycombe Wanderers, aber für Rajkovic war es trotzdem ein ganz besonderer Moment. "Für mich war es wichtig, vielleicht doch noch eine Arbeitserlaubnis in Großbritannien zu erhalten", sagte Rajkovic, der zuvor erfolglos um ein Visum gebeten hatte.

Zur Erklärung: Nicht-EU-Ausländer müssen sich in England um eine Arbeitserlaubnis bemühen, wobei Profi-Fußballer diesen Prozess durch das "Highly Skilled Migrant Programme" (Programm für hoch qualifizierte Einwanderer) beschleunigen können. Um aber eine Arbeitserlaubnis in England zu bekommen, muss der potenzielle Arbeitgeber für Profifußballer aus Nicht-EU-Ländern nachweisen, dass der Spieler ein so außergewöhnliches Talent mitbringt, das niemand oder nur sehr wenige innerhalb der Europäischen Union besitzen. Dieses Talent kann durch die Anzahl von Länderspielen im vergangenen Jahr nachgewiesen werden. Ein Nicht-EU-Ausländer muss 60 Prozent der letzten 20 Länderspiele oder 75 Prozent der letzten Länderspiele in den vergangenen zwei Jahren seiner Nationalmannschaft absolviert haben, um in England eine "HSMP"-Arbeitserlaubnis zu bekommen. Rajkovic hat allerdings erst sieben A-Länderspiele vorzuweisen, weshalb ein Arbeitsvisum bislang abgelehnt wurde.

In diesem Sommer sollte aber alles anders werden. Chelseas neuer Trainer André Villas-Boas machte sich sogar dafür stark, bei den Behörden ein weiteres Mal wegen einer möglichen Ausnahmeregelung vorstellig zu werden, um Rajkovics im kommenden Jahr auslaufenden Vertrag sogar noch zu verlängern. "Mein größter Traum ist, in London zu bleiben", sagte Rajkovic damals, der nach kurzzeitigen Engagements beim OFK Belgrad (2005 bis 2007) und in den Niederlanden beim PSV Eindhoven (2007/08), Twente Enschede (2008 bis 2010) und zuletzt bei Vitesse Arnheim, wo Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch ebenfalls Anteile besitzt, nicht mehr verliehen werden wollte. Erst als die Behörden eine Ausnahmeregelung für den Defensivmann ausschlugen, machte sich Rajkovic für einen Abschied von Chelsea stark.

An Angeboten mangelte es dem Olympiateilnehmer von 2008 nicht. Der französische Erstligaklub Valenciennes und Bayer Leverkusen fragten informell an, der FC Augsburg erwog sogar, einen finanziellen Kraftakt einzugehen. Die aus Hamburger Sicht kurioseste Anfrage erhielt Rajkovic bereits im vergangenen Winter, als sich St. Paulis Sportchef Helmut Schulte nach den Transfermodalitäten erkundigte. Schultes damalige Idee: Rajkovic hätte bei Klassenerhalt einen möglichen Abgang Carlos Zambranos egalisieren können. Die Berater des Serben schlugen einen Transfer zum Kiezklub aber schon damals kategorisch aus.

Dass es nun doch mit einem Wechsel nach Hamburg und obendrein zum HSV geklappt hat, schien Rajkovic an seinem ersten Arbeitstag so richtig zu freuen. "Der HSV ist nach Dortmund und Bayern München trotz allem immer noch einer der besten Klubs in Deutschland", lobte der Neu-Hamburger brav seinen Arbeitgeber. Im Krisenduell gegen den 1. FC Köln am Sonnabend darf sich "Boban", wie Rajkovic von Freunden gerufen wird, berechtigte Hoffnungen auf einen Startplatz in der Innenverteidigung neben Heiko Westermann machen.

Seinen ersten Sieg hat Hamburgs neue Nummer 23 allerdings schon vor der Partie gegen Köln errungen: Zukünftig entscheiden nicht mehr die Behörden, sondern nur noch der Trainer, ob er spielen darf oder nicht. Er ist, da ist sich Rajkovic schon jetzt sicher, endlich angekommen.