Am Donnerstag feiert der frühere HSV-Profi für den FC Sevilla in Hannover sein Debüt. In Spanien hat er vor allem eines gefunden: Anerkennung.

Hamburg/Sevilla. Pünktlich auf die Minute klingelt das Telefon. Halb eins zeigt die Uhr, jetzt habe er alle Zeit der Welt, sagt Piotr Trochowski, der wegen der Mittagshitze erst wieder um 20 Uhr trainieren muss. "Die Leute machen gerade Siesta. In der Stadt ist jetzt sowieso nichts los", erklärt der Neu-Sevillano, der keine großen Schwierigkeiten hatte, sich mit der täglich mehrstündigen Mittagspause in Andalusiens Hauptstadt vertraut zu machen. Nur an das viele Olivenöl im Essen müsse er sich noch gewöhnen.

Auf den Tag genau sechs Wochen ist es nun her, dass Trochowski sein neues Leben im fernen Spanien begonnen hat. Vieles sei anders als in Hamburg, einiges sei besser, manches auch schlechter, sagt der Fußballer, der dem auch in diesen Tagen viel zitierten Umbruch beim HSV am Ende der vergangenen Saison zum Opfer fiel. Nach sechseinhalb Jahren im Volkspark wurde der auslaufende Vertrag des Nationalspielers im Sommer nicht mehr verlängert. Trochowskis Berater Roman Grill hörte sich um, erhielt eine Anfrage aus Sevilla und wenig später stand der Transfer in die wahrscheinlich beste Liga der Welt fest. "Für mich ist dieser Wechsel ein Glücksfall. Nach so vielen Jahren in Hamburg brauchte ich eine neue Herausforderung", sagt der 27-Jährige, der mit Ehefrau Melanie vorübergehend in einer Appartement-Anlage wohnt. "Die Wohnungssuche in Sevilla ist leider noch anstrengender als in Hamburg."

Es darf als eine Laune des Schicksals bezeichnet werden, dass Trochowski sein Pflichtspieldebüt für den FC Sevilla am Donnerstag ausgerechnet 160 Kilometer von seiner alten Heimat entfernt feiern wird. "Natürlich habe ich mich gefreut, dass wir in der Europa League auf Hannover 96 treffen", sagt der Mittelfeldmann, der nun schwer damit beschäftigt ist, alle Kartenwünsche von Bekannten zu erfüllen. 16 Freunde und Verwandte hätten ihn um eine Eintrittskarte gebeten, sagt "Troche", der bis zum Abflug morgen früh um 9 Uhr alle Wünsche erfüllt haben will.

Trochowski wirkt zufrieden, ausgeglichen, sogar glücklich. Den unrühmlichen Abgang aus Hamburg, als er ohne Einsatzminute im Vorfeld des Spiels gegen Borussia Mönchengladbach praktisch zwischen zwei Werbeblöcken verabschiedet wurde, hat er abgehakt. "Natürlich war ich enttäuscht. Aber irgendwie passte mein Abschied ins Bild", sagt der ehemalige Eppendorfer, der aber nicht im Groll zurückschauen will. Gerade erst kürzlich habe er versucht, Dennis Aogo zu erreichen, um mal nachzufragen, wie es den alten Kollegen so geht. "Leider ist Dennis schwer zu erreichen", sagt Trochowski, der auch ohne Aogos Informationen bestens im Bilde ist. Hamburgs holpriger Saisonstart habe ihn jedenfalls nicht überrascht. "Wenn man eine Mannschaft komplett austauscht, dann dauert es eben etwas länger. Jeder wusste doch, dass es in dieser Saison nicht unbedingt einfach wird", sagt der Ex-Hamburger.

Für ihn persönlich soll es dagegen endlich mal einfacher werden als in der Vergangenheit, in der er immer um einen Stammplatz kämpfen musste. Sevillas Sportdirektor Ramon Rodriguez Monchi lobte den Neuzugang aus Alemania bereits bei dessen Vorstellung als einen "sehr vielseitigen Spieler, der eine Schlüsselrolle spielen kann". Und auch Trainer Marcelio García Toral hält große Stücke auf Trochowski, dem er in seinem 4-4-2-System die Rolle des offensiven "Sechsers" im defensiven Mittelfeld neben dem Chilenen Gary Medel reserviert hat. "Bislang lief der Start für mich richtig gut", sagt Trochowski, der nach zwei Freistoßtoren in einem Testspiel beinahe überschwänglich von Spaniens berühmt-berüchtigter Sportpresse gefeiert wurde.

Die erste echte Bewährungsprobe habe er aber erst am Sonntag zu überstehen, sagt der Neu-Sevillano, auf den gleich am ersten Spieltag der Primera Division das Derby gegen Betis wartet. Auf der Straße sei er schon mehrfach angesprochen und "freundlich" darauf hingewiesen worden, dass der 21. August der Tag der Entscheidung sei. Er verstehe nach so kurzer Zeit zwar noch nicht perfekt Spanisch, aber die Brisanz dieses Duells habe auch er kapiert. "Ich denke schon, dass man dieses Spiel mit unserem Derby gegen St. Pauli vergleichen kann", sagt Trochowski, "so ein Duell sollte man nicht verlieren."

Während Aufsteiger Betis lediglich auf den Klassenerhalt hofft, wurde beim FC Sevilla die Qualifikation zur Champions League als offizielles Ziel ausgegeben. "Der FC Barcelona und Real Madrid sind eine Liga für sich. Aber wir wollen uns gleich dahinter etablieren", sagt Trochowski, der hofft, auch persönlich von einer guten Saison zu profitieren. Eine Fortsetzung seiner abrupt geendeten DFB-Karriere habe er jedenfalls noch nicht abgehakt. "Natürlich wäre es für mich als gebürtiger Pole ein Traum, bei der Europameisterschaft im kommenden Jahr dabei zu sein", sagt der 35-fache Nationalspieler, "wenn ich in Sevilla gut spiele, kommt alles andere von alleine."

Nach einer knappen Dreiviertelstunde bittet Trochowski um Nachsicht. Das Thermometer zeige bereits 33 Grad im Schatten an, auch er wolle jetzt lieber in seiner Appartement-Anlage Siesta machen. Man solle doch bitte schöne Grüße an die alten Kollegen vom HSV ausrichten, sagt Trochowski zum Abschied noch schnell, "und Dennis soll endlich ans Telefon gehen".