Die Führungs-Krise des HSV ist mit der Bestellung des Klubvorsitzenden beendet. Fans und Sponsoren halten den Hamburgern die Treue.

Hamburg. So einig waren sich die Aufsichtsräte in der Vergangenheit selten bis nie. Mit 10:1 Stimmen segnete das Gremium den neuen Vertrag von Carl-Edgar Jarchow ab. Der 56-Jährige, der nach dem Abgang von Bernd Hoffmann kommissarisch als Klub-Vorsitzender eingesetzt worden war, erhielt einen Kontrakt bis zum 15. März 2013, angelehnt an die Laufzeit von Marketingvorstand Joachim Hilke.

"Die Zeit der Alleinherrscher ist vorbei", lobte der Aufsichtsratsvorsitzende Otto Rieckhoff den mit Jarchow im Vorstand eingezogenen Teamgeist und die Zusammenarbeit. Die Kontrolleure seien sehr zufrieden mit seiner Arbeit: Jarchow habe beruhigend auf die Handelnden gewirkt und sei sehr strukturiert im Prozess der Erneuerung vorgegangen. "Nach Alternativen mussten wir uns deshalb gar nicht umschauen, wir wollten uns aber trotzdem Zeit mit der Entscheidung lassen."

Erst vor dreieinhalb Monaten steckte der HSV mitten in einem selbstzerstörerischen Prozess. Nachdem Bernd Hoffmann und Katja Kraus aus dem Vorstand ausgeschieden waren, noch immer kein Nachfolger für Sportchef Bastian Reinhardt gefunden war und sich der Aufsichtsrat als zerstrittenes Gremium präsentierte, war der Höhepunkt in der Führungskrise erreicht. Mit Jarchow ist nach der Installation von Frank Arnesen und Joachim Hilke jetzt die letzte offene Personalie geklärt. "Die Entscheidung weiterzumachen fiel mir leicht, als ich gefragt wurde", sagte Jarchow, "ich bin überzeugt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden." Ob der FDP-Politiker auf sein Amt als Bürgerschafts-Abgeordneter nun verzichten wird, ließ er offen. Seine sportlichen Zielen in den kommenden Jahren formulierte Jarchow dagegen deutlich: "Mittelfristig gehört der HSV in die Top vier der Bundesliga, aber das geht nicht von heute auf morgen. In dieser Saison hoffe ich, dass wir um Platz sechs mitspielen können."

+++ Kommentar: Jarchows schweres Jahr +++

Der finanzielle Spielraum für den neuen Vorstand wird in dessen erster Amtszeit begrenzt bleiben. Nach den 14 Millionen Euro Ablösen für bereits getätigte Transfers muss der HSV in der Saison 2012/13 noch einmal sieben Millionen Euro zahlen. Erst 2015, wenn sowohl der Stadionkredit (neun Millionen Euro jährlich) als auch der Vertrag mit Vermarkter Sportfive ausläuft, verbessert sich für den HSV - ohne eventuelle Einnahmen aus der Champions League oder Transfererlöse - die wirtschaftliche Situation erheblich.

Immerhin: Die aktuellen Zahlen sind durchaus erfreulich. Wer zu welchen Teilen für einen Stimmungsumschwung rund um den Verein gesorgt hat, ist schwer zu ermitteln. Das Vertrauen in den neu gebildeten Vorstand scheint aber, nimmt man das Interesse der Fans am HSV zum Maßstab, in den vergangenen Monaten gestiegen zu sein. Betrug die Kündigungsquote für die 50 Logen und 4200 Business-Sitze noch 33 Prozent, so konnte Eike Gyllensvärd, der HSV-Teamleiter bei Vermarkter Sportfive, stolz vermelden, dass nur noch eine Loge und 350 Business-Plätze auf einen neuen Besitzer warten. Was den Dauerkarten-Verkauf betrifft, so nähert sich der Verein dem Vorjahres-Niveau von 32 700 Tickets, liegt vier Wochen vor dem Saisonstart bereits bei über 31 000 Karten.

Passend dazu kann der HSV auch im Sponsoring neue Rekorde vermelden. "Der Stadion-Innenraum ist komplett vermarktet, wir haben keine einzige freie Werbebande mehr", freut sich Gylllensvärd. Als neunten Exklusivpartner konnte der HSV jetzt Hanwha SolarOne für zwei Jahre gewinnen. Das südkorenische Unternehmen, das als elftes (und letztes) Mitglied die Sponsoring-Initiative Hamburger Weg komplettiert, zahlt bis 2013 1,7 Millionen Euro. Dazu erhält der Verein 4,1 Millionen Euro aus dem bis 2017 laufenden Vertrag mit Gastronomie-Partner Aramark und verzichtete dafür auf sein Kündigungsrecht zum 30. Juni.