Mehr als 3000 Fans ließen sich den Trainingsauftakt des HSV nicht entgehen - und waren dank Töre, Sala und Frei-Würstchen zufrieden.

Hamburg. Nach knapp 30 Minuten mussten Carl Edgar Jarchow und Jochim Hilke gestern Nachmittag erschöpft aufgeben. Die beiden HSV-Vorstände hatten sich leichtsinnigerweise bereit erklärt, beim Trainingsauftakt der Profis hinter dem Grill zu stehen und den Fans insgesamt 1500 kostenlose Würstchen zu brutzeln. Womit aber keiner der beiden Vorstände gerechnet hatte, war der rekordverdächtige Andrang beim ersten Training der neuen Saison. "Ich bin begeistert, mit so einer Resonanz hätte ich niemals gerechnet", sagte Jarchow, nachdem er Grillbesteck und -zange weitergereicht hatte. Mehr als 3000 Zuschauer waren gekommen, was im Vergleich zur Vorsaison, als nur 200 Anhänger dabei sein wollten, einer kleinen Sensation glich.

Bereits vier Stunden zuvor hatten Jarchow, Hilke, Sportchef Frank Arnesen und Aufsichtsratschef Otto Rieckhoff die Saison feierlich mit kurzen Ansprachen und einem gemeinsamen Frühstück mit der Mannschaft im Kabinentrakt der Imtech-Arena eröffnet. Nachdem zunächst Rieckhoff ein paar allgemeine Zielvorgaben formuliert hatte, nutzte Jarchow die Gunst der Stunde und appellierte eindringlich an den noch zu bildenden Mannschaftsgeist. "Ich habe den Spielern gesagt, dass ich von ihnen erwarte, dass sich das Team neu findet. Die Einzeltouren, die wir in der vergangenen Saison hatten, müssen endlich aufhören", sagte der HSV-Chef, der ungefragt vor versammelter Mannschaft noch ein flammendes Plädoyer für Trainer Michael Oenning ergänzte: "Als Vorstand stehen wir geschlossen hinter dem neuen Trainerteam. Und das werden wir auch beweisen, wenn es mal nicht so läuft."

Der neue Kurs des Vereins, so viel wurde spätestens beim anschließenden Training deutlich, scheint unter den Anhängern auf Wohlwollen zu stoßen. Unter den begeisterten Fans, die aus der ersten Einheit der Saison ein kleines Volksfest machten, störte kaum einen, dass namhafte Verpflichtungen in diesem Jahr wohl nicht zu realisieren sind. Beim Auftakt am Sonntag waren nicht mal die Neuzugänge Jeffrey Bruma, der seinen Medizincheck am Donnerstag absolviert, oder Michael Mancienne, der Anfang Juli zur Mannschaft stößt, dabei. So waren die ebenfalls von Chelsea verpflichteten Talente Gökhan Töre und Jacopo Sala die einzigen neuen Gesichter, die sich bei sommerlichen Temperaturen präsentierten. Der erste Eindruck: Besonders Kraftpaket Töre, der beim Abschlussspiel Jung gegen Alt die Talente mit zwei Treffern und einer Vorarbeit zum 4:2-Sieg führte, wusste zu gefallen. Der Italiener Sala setzte nicht ganz so viele Glanzlichter, deutete aber seine ausgefeilte Technik an. Das erste Trainingstor der Saison schoss übrigens Torhüter Wolfgang Hesl, der bei der lockeren Spaßeinheit als linker Abwehrspieler überzeugen konnte.

Wirklich Ernst will Trainer Oenning spätestens ab Dienstag machen, wenn das erste von zwei Trainingslagern auf Sylt auf dem Programm steht. Und ähnlich wie seine Vorgesetzten sieht auch Oenning die Bildung eines neuen Mannschaftsgeistes auf der Prioritätenliste ganz oben. "Wir wollen als Mannschaft zusammenrücken", sagt der 45-Jährige, "das heißt aber nicht, dass wir einmal in den Kletterpark gehen und plötzlich ein Team sind." Von medienwirksamen Teambuildingmaßnahmen hält er jedenfalls nicht viel: "Wir machen etwas, aber das wird kein Hexenwerk werden." Rechtzeitig vor der Abreise nach Sylt stößt heute noch Marcell Jansen zum Team, am Donnerstag reisen die Nationalspieler Bruma, Eljero Elia, Dennis Aogo und der umworbene Jonathan Pitroipa nach.

Neben den sportlichen Voraussetzungen für die kommende Saison sollen auf der Nordseeinsel also auch die sozialen Kontakte innerhalb der Mannschaft auf Vordermann gebracht werden. Heiko Westermann scheint jedenfalls davon überzeugt, dass in der neuen Saison zumindest alles anders, gerne aber auch besser als im vergangenen Jahr wird. "Die letzte Spielzeit ist abgehakt. Wir schauen jetzt nur noch nach vorne", sagte der Kapitän, der vor allem seine beiden neuen Nebenleute in der Abwehr erst mal kennenlernen muss. Von Bruma habe er zuvor noch nie etwas gehört, und auch "Maniche kenne ich nicht". Den Portugiesen Maniche, der vor einem Jahr beim 1. FC Köln spielte, dürfte Westermann persönlich so schnell auch nicht kennenlernen, Mancienne, ausgesprochen: Mänschin, wird der Abwehrchef dagegen schon nach der Rückkehr aus Sylt treffen. Zu einem echten Neuanfang, das weiß Westermann spätestens seit dem Traininsauftakt, gehören neben neuer Hoffnung eben auch neue Namen.