Trainer Oenning ist vor dem Trainingsauftakt des HSV zuversichtlich, obwohl er auf sämtliche Angreifer verzichten muss

Hamburg. Bildlich gesprochen könnte man guten Gewissens behaupten, dass auf Michael Oenning an diesem Sonnabend die Ruhe vor dem Sturm wartet. Einen Tag vor dem offiziellen Trainingsauftakt am Sonntag genießt der HSV-Trainer vorerst ein letztes Mal etwas Zeit ohne Fußball. Zunächst stehen für den passionierten Motorradfahrer die Harley Days auf dem Programm, anschließend will Oenning beim Start der Derbywoche auf der Horner Rennbahn vorbei schauen. Und obwohl der 45-Jährige sehr wohl einen "entspannten Tag" erwartet, wäre es dennoch falsch, wortwörtlich von der Ruhe vor dem Sturm zu sprechen.

Der Grund dafür ist denkbar simpel: Beim HSV gibt es derzeit gar keinen Sturm. Was sich zunächst eher lustig anhört, hat tatsächlich einen weniger humoristischen Hintergrund. Trainer Oenning muss in den ersten Wochen der Vorbereitung nahezu auf seine gesamte Offensiv-Abteilung verzichten. Während Paolo Guerrero im Juli bei der Copa América für Peru auf Torejagd geht, müssen Mladen Petric und Marcus Berg verletzungsbedingt pausieren. "Es ist schon problematisch, dass wir zum Trainingsauftakt keine Stürmer zur Verfügung haben. Aber wir können das auch nicht ändern", sagt Arnesen, der Schnellschüsse auf dem Transfermarkt ausschließt.

Auch Oenning ist mit der sturmlosen Situation unzufrieden, hält den Ball aber bewusst flach. "Ich wäre besorgt, wenn wir in dieser Woche Saisonauftakt hätten. Haben wir aber nicht", sagt der Trainer, der in den ersten Testspielen mit den offensiven Mittelfeldspielern Heung Min Son, Änis Ben-Hatira, Eljero Elia, Jonathan Pitroipa und auch Tolgay Arslan im Angriff plant. "Für eine gewisse Zeit kann man die Ausfälle kompensieren. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass wir eine gute Vorbereitung haben werden", sagt er.

Wie lange diese "gewisse Zeit" dauern wird, hängt in erster Linie vom Heilungsprozess bei Petric und Berg ab. Und während Berg, der am Wochenende von HSV-Arzt Werner Siegmann untersucht wird, nach seiner Hüft-OP bis August auszufallen droht, dürfte Petric bereits vor dem Trainingslager in Österreich (ab 9. Juli) einsatzbereit sein. Der Kroate hatte sich auf Anraten von Bayern-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt Anfang Juni einer Leistenoperation unterzogen, will in Absprache mit der medizinischen Abteilung des HSV am 7. Juli wieder einsteigen.

Mit Guerreros Rückkehr vor dem Saisonstart rechnet in Hamburg dagegen niemand so richtig. Der Peruaner soll bei der Copa América möglichst lange für sein Heimatland auf Torejagd gehen, ehe er in gleicher Mission für den HSV unterwegs sein kann. "Es ist nicht das erste Mal, dass ich die Verantwortung in der Nationalmannschaft übernehmen muss", sagt Guerrero, der sogar in der engeren Wahl für die Rolle des Kapitäns der seleccion ist. Perus Nationaltrainer Sergio Markarián, der noch Anfang dieser Woche Guerrero vor versammelter Mannschaft wegen einer 30-minütige Verspätung zur Ordnung rief, will bis zum letzten Testspiel am Dienstag gegen Senegal eine Entscheidung fällen.

Aus Hamburger Sicht scheint nur wichtig, dass Guerrero nach der Südamerikameisterschaft gesund zurück kommt, nachdem sich der Stürmer im letzten Bundesligaspiel gegen Mönchengladbach eine schmerzhafte Innenbanddehnung im linken Knie zugezogen hatte. Eine echte Schrecksekunde mussten Hamburgs Verantwortliche am Mittwoch überstehen, als sie die Nachricht erhielten, Guerrero hätte sich nach einem Trainingsunfall mit Teamkollege Giancarlo Carmona diesmal am rechten Knie verletzt. Die Entwarnung kam aber umgehend. Nach einigen Minuten Behandlungspause konnte der 27-Jährige weitermachen.

Trotz der aktuellen Sturmmisere bleibt auch beim HSV das Oliver Kahnsche Motto "Immer weitermachen" en vogue. Besonders die Verantworlichen gehen nach anfänglichen Zögern in die Offensive. Die Zielsetzung zur neuen Saison, das wiederholte Interimschef Carl Edgar Jarchow während der schier endlosen Sommerpause gleich mehrfach, lautet Platz sechs. Stürmische Zeiten dürften bei derart hohen Zielen auch ohne Angreifer garantiert sein.