Gegen Freiburg setzt HSV-Trainer Oenning vor allem auf Spieler, die im kommenden Jahr noch da sind. Heung Min Son ist größter Hoffnungsträger.

Hamburg. Selbstverständlich mischte sich auch Wong Jung Son am Freitagnachmittag unter die zahlreichen Zuschauer, die bei sommerlichen Temperaturen die Nachmittagseinheit des HSV neben der Arena verfolgten. Der höfliche Mann aus Cheo-Ceon, einem kleinen Ort in der Nähe der koreanischen Metropole Seoul, suchte sich einen Platz etwas abseits des Trubels, von wo aus er einen ungestörten Überblick über das Geschehen auf dem Rasen hatte. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf dem Spieler mit der Rückennummer 40: Sohn Heung Min. "Mein Vater beobachtet mich in fast jedem Training. Er ist mein größter Kritiker", sagt Son junior, den der kritische Trainingskiebitz nicht weiter stört - im Gegenteil: "Papas Meinung ist mir wichtig. Wenn er zuschaut, spiele ich besser."

So gesehen kann man nur hoffen, dass Papa Son auch an diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) nichts Besseres als einen Besuch des vorletzten Heimspiels der Saison zu tun hat. Gegen den SC Freiburg soll sein Sohn erstmals seit knapp einem Monat von Anfang an neben Paolo Guerrero die Ausfälle Ruud van Nistelrooys und Mladen Petrics kompensieren. "Natürlich freue ich mich, dass ich endlich mal wieder spielen kann", sagt Son, dessen erstes Karrierejahr als Fußballprofi einer Achterbahnfahrt mit dreifachem Looping glich.

"Vielleicht habe ich mir manchmal zu viele Gedanken gemacht", gibt Son freimütig zu, nachdem sein steiler Aufstieg zuletzt etwas unsanft gebremst wurde. Nach überragender Vorbereitung und seinem Debüttreffer im Freundschaftsspiel gegen Chelsea London folgte in der gleichen Partie vor neun Monaten der schicksalhafte Bruch des Mittelfußes. Tränenreich verabschiedete sich das Supertalent in eine mehrwöchige Zwangspause, um nach seiner Rückkehr zunächst noch stärker aufzutrumpfen. An seinem 18. Geburtstag erhielt der Südkoreaner einen Zweijahresvertrag, der wenige Wochen später nach drei Toren in seinen ersten vier Bundesligaspielen erneut - und zu deutlich verbesserten Bezügen - um zwei weitere Jahre bis 2014 verlängert wurde. Beinahe logisch folgte sein Debüt im Nationalteam, für das er mittlerweile ein Tor in fünf Spielen erzielte.

Richtig abwärts ging es für den ansonsten eher bescheidenen Teenager erst nach dem Asiencup im Januar. "Danach lief es für mich nicht mehr so richtig gut", erinnert sich Son, der an freien Nachmittagen auf dem HSV-Gelände in Ochsenzoll Sonderschichten einlegte. In der Rückrunde durfte der Youngster unter Ex-Trainer Armin Veh trotzdem nur noch zweimal sein Können zeigen, ehe er sich unter Vehs Nachfolger Michael Oenning, der die Nachwuchshoffnung in der Saisonvorbereitung bei den eigenen Amateuren entdeckte, wieder in den Vordergrund spielte. "Heung Min hat in den vergangenen Monaten unheimlich viel gelernt, auch wenn er leider nicht immer gespielt hat. Man darf aber nicht vergessen, dass er gerade mal 18 Jahre jung ist", sagt Sons Berater Thies Bliemeister, der auch die Beförderung Oennings begrüßt. "Oenning hat in Nürnberg bewiesen, dass er sehr gut mit jungen Spielern arbeiten und sie weiterentwickeln kann."

Nach der 0:3-Niederlage gegen Stuttgart und dem damit wahrscheinlichen Aus aller Europa-League-Hoffnungen will Oenning von nun an vorrangig auf Spieler setzen, die auch in der kommenden Saison eingeplant sind. Neben Son gehört Änis Ben-Hatira, 22, dazu, dessen Vertrag 2012 ausläuft und der möglichst bald verlängern soll. Gegen Freiburg nicht mal im Kader ist dagegen Tunay Torun, der in dieser Woche seinen Wechsel zu Hertha bekannt gab. "Vielleicht binden wir auch Spieler ein, die bislang nicht so im Fokus standen. Alle sollen die Partie als Chance begreifen", sagt Oenning, der am Donnerstag seinen bis 2013 datierten und erfolgsabhängig mit rund 800 000 Euro dotierten Vertrag als Cheftrainer unterzeichnete.

Sein aussichtsreichster Joker im Hinblick auf die kommende Saison bleibt aber der hoch veranlagte Son, der in seinem ersten Profijahr nicht nur fußballerisch reifte. "Heung Min war ein ruhiger Typ, als er aus der A-Jugend zu uns kam", erinnert sich Mitspieler Dennis Diekmeier. "Mittlerweile ist er regelrecht aufgeblüht. Er ist ein richtig lustiger Kerl." Im Januar hat der Offensiv-Allrounder auch den Umzug aus dem 15-Quadratmeter-Zimmer im HSV-Internat in eine eigene Wohnung in Eppendorf gewagt. Ganz auf eigenen Füßen will Son aber noch nicht stehen. So oft es das Touristenvisum zulässt, reisen seine Eltern an. Kommt Mama Son, gibt es leckeres Essen aus der Heimat, ist Papa Son zu Besuch, gibt es ehrliche Kritiken. Im Saisonendspurt, das verriet Son vor dem Abschlusstraining, ist Papas Rat vorrangig gefragt: "Ich werde nicht verhungern, es gibt ja genügend Restaurants in Eppendorf."