Auflösungsverträge für den HSV-Vorsitzenden und Vorstand Katja Kraus vor dem Abschluss

Hamburg. Auf dem Trainingsplatz versuchte Cheftrainer Michael Oenning am Dienstag mit seinem Assistenten Rodolfo Cardoso und den HSV-Spielern beim ersten Training den Neustart. Mit einem Vortrag vor dem versammelten Team hatte der Nachfolger von Armin Veh versucht, das Team auf die verbleibenden acht Bundesligapartien einzuschwören. "Wir haben beschlossen, uns fortan nur noch auf den fußballerischen Bereich zu konzentrieren", verriet Kapitän Heiko Westermann. "Denn wir können nur unseren Fußball ändern. Sonst nichts."

Ändern kann nur der Aufsichtsrat die unsichere Situation im Vorstand. Nachdem vor dem Mainz-Spiel eine Verlängerung der Verträge von Bernd Hoffmann und Katja Kraus um ein Jahr an einer Stimme gescheitert war, erklärte Oberkontrolleur Ernst-Otto Rieckhoff zunächst überraschend, dass beide Vorstände ihre Verträge bis zum 31. Dezember erfüllen sollen.

Im Hintergrund setzte sich der Prozess um eine Umgestaltung der Klubführung jedoch unvermindert fort. Das Ergebnis vieler Gespräche steht nun unmittelbar bevor: Noch in dieser Woche dürften Hoffmann und Kraus ihre Auflösungsverträge unterzeichnen, wenn die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden sollten. Eine Einigung steht zwar noch aus, es ist jedoch damit zu rechnen, dass sehr zeitnah, jedenfalls vor dem kommenden Heimspiel gegen den 1. FC Köln am Sonnabend, der Abschluss erfolgt.

Zunächst war der Eindruck entstanden, unter anderem während der Versammlung mit den Mitarbeitern der Geschäftsstelle in der vergangenen Woche, dass Hoffmann weiter mit aller Macht um einen Verbleib kämpfen will. Nun aber scheint er nach gut achtjähriger Amtszeit, entnervt von den jüngsten Vorkommnissen im HSV, vorzeitig seinen Abschied nehmen zu wollen.

Eine Ära geht zu Ende.

Wer bei einem sofortigen Abgang Hoffmanns zumindest als Interimslösung den Klub führen könnte, darüber wurde in den vergangenen Wochen viel spekuliert. Auch Rieckhoff gehörte zu den Kandidaten. Ganz offensichtlich macht aber nun Carl Edgar Jarchow das Rennen, der von 2001-04 dem Aufsichtsrat des Vereins angehörte. Der 55-jährige Außenhandelskaufmann zog gerade für die FDP in die Bürgerschaft ein. Erst Ende Januar hatte Jarchow in einem Debatten-Beitrag für das Abendblatt die lange Sportchefsuche - damals hatte gerade Matthias Sammer abgesagt - kritisiert und erklärt, dass weder der Aufsichtsrat noch der Vorstand ihren Aufgaben gerecht würden. "Spitzentrainer, Spitzenspieler, Top-Nachwuchsspieler oder auch erstklassige Sportvorstände kommen nur zu erstklassig geführten Vereinen", schrieb er und folgerte: "Jetzt ist es an diesem Gremium (dem Aufsichtsrat, d. Red) , Konsequenzen aus den Ereignissen seit 2009 zu ziehen und das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Es ist höchste Zeit!" Dass die Wahl ausgerechnet auf ihn fallen würde, hätte zu diesem Zeitpunkt niemand gedacht.

Wie lange der Hamburger das Amt des Vorsitzenden ausüben soll, ist noch unklar. Angeblich ist der Personalausschuss des Aufsichtsrats weiter bemüht, den bisherigen Favoriten Björn Gulden an die Elbe zu lotsen, obwohl die Presseabteilung der Deichmann-Gruppe Verhandlungen zwischen dem Norweger und dem HSV kürzlich energisch dementierte. Als Nachfolger für Kraus wird Joachim Hilke (früher Sportfive) gehandelt, ebenfalls in den Vorstand rücken könnte der bisherige Finanzchef Cay Dingwort.

Selbst eine neu formierte Führung ändert allerdings nichts daran, dass nur gute Ergebnisse für Ruhe im Verein sorgen können. So skurril es nach dem 0:6-Debakel bei den Bayern auch klingt: Mit einem Sieg gegen Köln und einer Niederlage von Mainz beim BVB betrüge der Rückstand auf den Hauptkonkurrenten im Kampf um Platz fünf wieder nur drei Punkte.