Der Imageschaden der Hamburger vergrößert sich mit Hoffmanns schleichendem Abgang - Ralf Rangnick bei der Trainersuche der Favorit

Hamburg. In den kommenden zehn Tagen wird Bernd Hoffmann hauptsächlich von der Farbe umgeben sein, die für Vollkommenheit steht, für das Gute, für Reinheit, für das Neue. Bevor sich der HSV-Vorsitzende aber in den Skiurlaub verabschiedet, wird er am Vormittag mit seiner Vorstandskollegin Katja Kraus zu den Angestellten der Geschäftsstelle sprechen und ihnen bei der Versammlung erläutern, was der jüngste Aufsichtsratsbeschluss bedeutet. Die Farbe für Hoffmanns Gefühlsleben dürfte dabei eher dunkel sein.

Mit 7:5 Stimmen hatte das Gremium für eine vorzeitige Vertragsverlängerung von Hoffmann und Kraus um ein Jahr bis zum 31.12.12 gestimmt. Eine Zweidrittelmehrheit mit acht Stimmen wäre nötig gewesen. In der offenen Abstimmung votierten Jürgen Hunke, Hans-Ulrich Klüver, Manfred Ertel, Marek Erhardt und der Supporters-Delegierte Björn Floberg gegen die Verlängerung. Überlegungen für eine sofortige Amtsenthebung oder Interimslösungen (wie Rieckhoff) fanden ebenfalls keine Mehrheit.

"Wir hatten mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden (Otto Rieckhoff, d. Red.) diesen Kompromiss besprochen und nehmen zunächst zur Kenntnis, dass es dafür nicht die erforderliche Mehrheit gab", erklärten die Vorstände knapp und ließen damit Raum für Spekulationen, ob sie wirklich ihren Vertrag bis Ende des Jahres erfüllen. Sie selbst hatten den Räten in einem Brief vorgeschlagen, den Vertrag nicht um zwölf, sondern um 18 Monate zu verlängern, damit er nicht nach einer Hinserie, sondern nach der Saison endet.

Zumindest Rieckhoff glaubt daran, dass das Vorstandsduo weitermacht: "Hoffmann und Kraus werden sich kurz durchschütteln und gehen mit dieser Entscheidung sehr professionell um. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie ihre persönlichen Interessen zurückstellen im Sinne des HSV." Die Handlungsfähigkeit sei jetzt wieder voll gegeben. Rieckhoff setzt offensichtlich auf den Kampfgeist Hoffmanns, ein Plan B bei einem sofortigen Rücktritt des 48-Jährigen sei nicht vorhanden.

Ob sich dieses fragile Konstrukt als tragfähig erweist, wird sich schon bald bei der Trainerentscheidung zeigen, in der der designierte Sportchef Frank Arnesen die Schlüsselposition einnimmt - neben Hoffmann. Fakt ist: Im Aufsichtsrat gibt es keine Mehrheit gegen (Noch-)Trainer Armin Veh, vielmehr liegt die Entscheidung in den Händen Arnesens. Ein Gespräch unter vier Augen zwischen Veh und Arnesen ist in den nächsten beiden Wochen geplant. Im Anschluss daran möchte sich Veh öffentlich erklären. Obwohl Arnesen bis zum Sommer beim FC Chelsea angestellt ist, hat sich der Däne in Absprache mit Hoffmann bereits nach möglichen Veh-Nachfolgern erkundigt. Als Favorit für den Posten gilt weiterhin Hoffenheims früherer Trainer Ralf Rangnick, mit dem bereits erste Gespräche geführt wurden. Da der 52-Jährige auch Wunschkandidat beim VfL Wolfburg ist, dessen Manager Dieter Hoeneß ihm bereits einen unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt hat, ist Eile geboten. Ob Rangnick aber zusagt, wenn er gar nicht weiß, wer sein künftiger Chef sein wird? Wird Hoffmann um eine Ideallösung kämpfen, nur um seinem Nachfolger eine hervorragende Perspektive zu hinterlassen? Fragen über Fragen.

Neben Rangnick hat Arnesen schon bei einem halben Dutzend Kandidaten Erkundigungen eingeholt. Zu den möglichen Anwärtern gehören auch Arnesens früherer Mitspieler Michael Laudrup, derzeit beim RCD Mallorca aktiv, und Freiburgs Robin Dutt. Wirklich überraschend ist aber das Interesse am Norweger Stale Solbakken, der bis zum Sommer den FC Kopenhagen trainiert. Der 43-jährige Coach hat bereits vor einem Jahr bekannt gegeben, seinen im Sommer auslaufenden Vertrag in Kopenhagen nicht zu verlängern, weil er ab 2012 die Nationalmannschaft seines Heimatlandes übernehmen will. Allerdings hat sich Solbakken gegenüber den Verantwortlichen des norwegischen Verbandes zusichern lassen, im Fall eines konkreten Angebots eines europäischen Topklubs (ist das der HSV?) doch noch aus der Vereinbarung aussteigen zu dürfen. Neben der Bundesliga und den Ligen in Skandinavien hat Arnesen auch den Trainermarkt in den Niederlanden, wo der Däne 26 Jahre lebte, in der letzten Zeit intensiv beobachtet.

Interessant wird die Personalie Solbakken in Zusammenhang mit dem Norweger Björn Gulden, der im Aufsichtsrat favorisiert wird bei der Neubesetzung des Chefpostens. Der 45-Jährige steht allerdings noch bei der Schuhfirma Deichmann als geschäftsführender Direktor unter Vertrag und wäre frühestens 2012 verfügbar. Rieckhoff wollte gestern nichts zu Kandidaten sagen und blockte ab, es gäbe zwar lockere Gespräche, aber keine Verhandlungen.

Der Imageschaden nimmt jedenfalls beängstigende Ausmaße an. Nach jährlichen Trainerwechseln und unendlicher Sportchefsuche entmachtet der Aufsichtsrat seinen Vorstand, belässt ihn aber im Amt. Helau HSV! Immer mehr verfestigt sich der Eindruck, nach dem 2:4 gegen den selbst ernannten Karnevalsverein aus Mainz habe sich der HSV nun endgültig zu selbigem entwickelt, in dem es vorrangig um Machtspielchen und das Begleichen alter Rechnungen geht.

Welchen wirtschaftlichen Schaden der Klub durch diese sich täglich verschärfende Führungskrise nehmen wird, ist noch nicht abzusehen. Ende März endet beispielsweise die Kündigungsfrist für Logen und Business-Sitze. Schon jetzt liegt die Quote der Abbestellungen bei 20 Prozent. Traditionell entscheiden sich viele Unternehmen erst in der zweiten Märzwoche und könnten sich unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse abwenden. Wie die Kontakte zu den Sponsoren gepflegt werden sollen - bisher die Sache von Kraus -, ist ebenfalls offen.

Noch viel wichtiger sind jedoch die erforderlichen wirtschaftlichen Modelle, die für die nahe Zukunft entwickelt werden müssen. Ohne die Europa League und bei sinkenden Zuschauereinnahmen braucht der HSV kreative Lösungen, damit der Etat für die Spieler nicht stark schrumpfen muss. Sollen alle diese Punkte in den Händen eines Mannes liegen, dem die Räte am Sonntag nicht das Vertrauen aussprachen?