Änis Ben-Hatira soll erstmals seit knapp vier Jahren gegen Schalke in der Startelf des HSV stehen. Die Geschichte eines Comebacks.

Hamburg. Es war an einem Tag im Frühling vor knapp vier Jahren, als der damals 18 Jahre alte Änis Ben-Hatira ein Gefühl dafür bekam, wie hart das Geschäft Profifußball tatsächlich ist. Der Deutsch-Tunesier galt als eines der größten HSV-Talente. Eine Woche zuvor durfte er erstmals in seiner Karriere von Anfang an in der Bundesliga auflaufen, und auch an jenem Sonnabend im April gehörte der Jugendnationalspieler neben Profis wie Rafael van der Vaart und Nigel de Jong zur Startelf der Hamburger im Spiel gegen den VfB Stuttgart. Wirklich genießen konnte Ben-Hatira diesen Nachmittag allerdings nicht. Nach nur 34 Minuten wurde der Nachwuchsstar von Schiedsrichter Lutz Wagner vom Platz gestellt, am Ende verlor sein Team mit 2:4. Es war eine demütigende Heimniederlage - und es war der Anfang vom vorläufigen Ende Ben-Hatiras beim HSV.

Ganze 146 Minuten durfte der gebürtige Berliner anschließend unter Huub Stevens für den HSV spielen, 26 Minuten unter Martin Jol, gar nicht unter Bruno Labbadia und 13 Minuten bislang unter Armin Veh - jenem Armin Veh, der am schicksalhaften 7. April 2007 als Trainer des VfB Stuttgart am Spielfeldrand dabei war. "Es gab nie einen Zweifel, dass Ben-Hatira das Talent für den großen Fußball hat. Nur manchmal braucht man auch das nötige Glück", sagt Horst Hrubesch, der den Glücklosen bei der U-21-Europameisterschaft 2009 in Schweden trainierte, als Deutschland den Titel gewann. Es war der frühzeitige Höhepunkt in Ben-Hatiras wechselhafter Karriere. Während seine Mitspieler nach dem Titelgewinn durchstarteten, sich für das A-Nationalteam empfahlen, bei der WM 2010 in Südafrika überzeugten und zu Real Madrid oder Manchester City wechselten, ging es mit Ben-Hatiras Karriere bergab.

Statt in Hamburg suchte Ben-Hatira sein Glück woanders: auf Leihbasis spielte er - mehr schlecht als recht - anderthalb Jahre lang in der Zweiten Liga beim MSV Duisburg, trainierte drei Wochen lang zur Probe bei Mainz 05, ließ ein Angebot von West Ham United sausen, verhandelte mit Sheffield und verpokerte sich mit Watford. Am Ende blieb ihm lediglich ein Platz in der HSV-Reserve. Vierte Liga statt Bundesliga. Plauen, Meuselwitz und Havelse statt Bayern, Dortmund und Bremen.

Aber obwohl HSV-Trainer Veh am Anfang der Saison klarmachte, dass Ben-Hatira auch bei ihm keine Chance haben würde, war der mehr als entschlossen, genau diese Chance zu suchen. Ben-Hatira überzeugte in der Regionalliga, durfte bei den Profis mittrainieren, überzeugte, wurde mit zwei Kurzeinsätzen in der Bundesliga belohnt, überzeugte, durfte mit ins Trainingslager, überzeugte, startete bei der Generalprobe gegen Amsterdam und - natürlich - überzeugte. Es darf als eine Laune des Schicksals bezeichnet werden, dass ausgerechnet Veh, der Zeuge von Ben-Hatiras Schicksalsspiel vor knapp vier Jahren war, für die erneute Wendung in dessen Karriere verantwortlich ist. "Änis hat in der Vorbereitung gut gearbeitet, ist fleißig und fit. Wieso sollte ich ihn jetzt rausnehmen?", fragt der Trainer, der Ben-Hatira somit eine Einsatzgarantie beim Rückrundenauftakt auf Schalke (Sa./18.30 Uhr) einräumt.

Der Gelobte will vor seinem Startelf-Comeback nicht zu viel reden. Doch auch ohne große Worte dürfte jedem klar sein, was dem 22-Jährigen dieses Spiel bedeutet. "Ich bin dankbar für diese Chance, aber das Spiel gegen Schalke ist für mich nur der erste Schritt", sagt der Stürmer, der nach vier Jahren endlich auch einmal den zweiten Schritt machen will.