Mit Ertel, Hunke, Erhardt und Klüver wurden vier kritische Kandidaten in den Aufsichtsrat gewählt. Doch Klubchef Hoffmann will bleiben und kämpfen.

Hamburg. Als Eckart Westphalen am gestrigen Vormittag um 11.29 Uhr das Pult im Saal H des CCH betrat, hätte der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats wohl nicht damit gerechnet, die längste Mitgliederversammlung der HSV-Vereinsgeschichte zu eröffnen. So dauerte es sage und schreibe acht Stunden und 50 Minuten - der bisherige Rekord lag bei acht Stunden und 40 Minuten -, ehe das mit Spannung erwartete Endergebnis der Aufsichtsratswahl vom Versammlungsleiter Andreas Peters verlesen werden konnte.

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Aber das lange Warten sollte sich für die 2813 anwesenden Mitglieder gelohnt haben. So wurden mit Manfred Ertel, 60 (1168 Stimmen), und Jürgen Hunke, 67 (1086 Stimmen), im ersten Wahlgang sowie Marek Erhardt, 41 (908 Stimmen), und Hans-Ulrich Klüver, 64 (704 Stimmen), im zweiten Wahlgang vier Räte für den neuen Aufsichtsrat gewählt, mit denen im Vorfeld der Mammutsitzung nicht jeder gerechnet hätte - am wenigsten Bernd Hoffmann.

"Wir haben jetzt ein Ergebnis, das die Stimmungslage im Verein in den vergangenen zwei Jahren widerspiegelt", sagte der HSV-Vorstandsvorsitzende, auf den nun schwere Zeiten zukommen dürften. Alle vier neu gewählten Kontrolleure gelten als - vorsichtig formuliert - Hoffmann-kritisch. Trotzdem betonte der Klubchef in seiner kämpferischen Rede am Ende des langen Tages: "Dieser HSV wird nicht in die Luft fliegen."

Hoffmann, der lautstarken Beifall von den anwesenden Mitgliedern erntete, gab zu, dass ein schweres Jahr hinter dem Verein und auch ihm persönlich liegen würde. "Wir müssen uns alle kritisch hinterfragen, auch ich mich selbst." Den Gerüchten, dass der HSV-Chef im Falle eines für ihn vermeintlich schlechten Wahlergebnisses zurücktreten könnte, widersprach Hoffmann vehement: "Wir werden das gemeinsam schaffen!"

Darauf setzen auch die neu gewählten Kontrolleure, die betonten, nicht automatisch als vorstandskritisch bezeichnet werden zu wollen. "Ich will mir das Konzept des Vorstands für die kommenden drei Jahre erst mal anhören", sagte Ertel, der seit 1965 zu Auswärtsspielen des HSV fährt und seit Jahren aktives Supportersmitglied ist. "Ich stimme 80 Prozent der Entscheidungen des Vorstands zu. Bernd Hoffmann bekommt von mir eine ehrliche Chance."

Ähnlich formulierten es Klüver ("Es geht nicht nur um den Vorstand"), Hunke ("Jetzt haben wir endlich eine konstruktive Opposition") und Erhardt ("Ich werde in Zukunft sehr, sehr kritisch nachfragen"), die gemeinsam mit ihren acht schon gewählten Kontrolleuren in den kommenden Wochen über eine Verlängerung der am Jahresende auslaufenden Verträge von Hoffmann und seiner Vorstandskollegin Katja Kraus entscheiden müssen. Das Vorstandsduo benötigt mindestens acht der zwölf Stimmen.

Ein neuer Vorsitzender aus der Mitte des nun wieder zwölfköpfigen Aufsichtsrats wird in naher Zukunft auf der konstituierenden Sitzung gewählt. Nachdem Jörg Debatin, der lange Zeit als Nachfolgefavorit Horst Beckers galt, bereits am Freitag bekannt gab, nicht für den Vorsitz zu kandidieren, dürften nun Beckers bisherige Stellvertreter Alexander Otto und Westphalen als die Favoriten gelten. Hunke, dem man ebenfalls Ambitionen nachsagte, kündigte gestern an, nicht zur Verfügung zu stehen: "Ich will ein Steuermann des neuen Aufsichtsrats sein, kein Kapitän."

Bereits lange vor der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses wurde den Mitgliedern die eine oder andere Überraschung präsentiert. So kam Hoffmann einem offiziellen Antrag zuvor, indem er zusicherte, erneute Investorenmodelle wie das umstrittene Anstoß-Projekt von Klaus-Michael Kühne zukünftig zunächst den Mitgliedern vorzustellen.

Gleiches sagte der Vorstandsvorsitzende für den Fall einer eventuellen Verlängerung des 2015 auslaufenden Vermarktervertrages von Sportfive zu. Klar gegen eine vorzeitige Verlängerung mit dem Vermarkter, dem bis 2015 für jeden erfolgreich abgeschlossenen Sponsorenvertrag 20 Prozent der Einnahmen zustehen, hat sich gestern Alexander Otto ausgesprochen: "Wir sollten unseren Handlungsspielraum nicht durch eine vorzeitige Verlängerung einschränken", sagte der Kontrolleur, dessen Aufsichtsratskollege Westphalen um 21.13 Uhr die - zumindest in zeitlicher Hinsicht - historische Sitzung beendete.