Es ist wie beim Urknall. Wenn im HSV-Stadion ein Tor fällt und 57 000 Menschen ihre Freude herausschreien, beschreiben Beobachter diesen emotionalen Höhepunkt gerne als "ohrenbetäubenden Lärm". Holger Jegminat jubelt dann auch mit - aber anders. Von Geburt an ist der 47-Jährige gehörlos. "Dieser Lärm überträgt sich genauso über Vibrationen", beschreibt der Bauzeichner, wie er dennoch den kollektiven Gefühlsausbruch genießen kann.

Seit über 30 Jahren begleitet Jegminat seinen Lieblingsklub zu den Spielen. Aber nur die Rolle des passiven Teilnehmers zu übernehmen ist dem Bad Oldesloer längst zu wenig. Vor vier Jahren gründete er den "HSV Deaf Fanclub" (deaf bedeutet im Englischen gehörlos), der mit seinen mittlerweile 134 Mitgliedern so groß ist wie in keinem anderen Bundesligaklub. Jetzt nimmt der zweifache Familienvater die nächste Herausforderung in Angriff: Als erster Gehörloser kandidiert Jegminat für einen der vier freien Posten im HSV-Aufsichtsrat, die am 9. Januar vergeben werden. Seine Rede wird er in Gebärdensprache vortragen, übersetzt für die Tausenden HSV-Mitglieder mittels eines Gebärdensprachdolmetschers.

So ein Dolmetscher müsste auch bei jeder Sitzung des Kontrollgremiums dabei sein. Als Nachteil sieht Jegminat das nicht an: "Vielleicht verbessert sich sogar das Gesprächsklima, wenn alle Wortbeiträge übersetzt werden, und man redet respektvoller."