Der 21-jährige Stürmer hat seinen Stadtteil noch nie für längere Zeit verlassen. Ein Spaziergang mit dem Abendblatt durch das Viertel in Altona.

Hamburg. Der Platz, auf dem vor mehr als 15 Jahren alles begann, ist fünf mal acht Meter groß, voller Pfützen und hat zwei alte Tore aus Holz. Als Maxim Choupo-Moting, schwarzer Mantel, schwarzer Schal, schwarze Hose und knalllila Schuhe, den kleinen Käfig in Ottensen neben dem Stadtteil- und Kulturzentrum Motte betritt, kommen sofort zwei Mädchen mit einem Fußball angelaufen und wollen ein Autogramm von dem 1,90-Meter-Hünen. "Wer bist du?", fragt die eine, die nur gemerkt hat, dass der junge Mann vor ihr berühmt sein muss. Choupo-Moting wirkt wie ein Model beim Shooting für die neue Wintermode, gibt aber trotzdem lächelnd ein Autogramm. "Ich bin Maxim", sagt der HSV-Stürmer, "als ich so alt war wie ihr, war ich jeden Tag hier."

Maxim Choupo-Moting ist im AK Altona geboren, hat für Teutonia 05 und Altona 93 gespielt und im Gymnasium Altona sein Abitur gemacht. Neben Tunay Torun ist er der einzige Profi im aktuellen HSV-Kader, der in Hamburg geboren ist. Der Angreifer, der - zuletzt eher erfolglos - mit Ruud van Nistelrooy, Paolo Guerrero und Mladen Petric um einen Stammplatz kämpft, hat eigentlich immer in Ottensen gelebt und wohnt auch heute noch einen Freistoß von dem kleinen Fußballplatz, auf dem er die ersten Tricks einstudiert hat, entfernt. Das alles sprudelt aus dem Fußballer nur so heraus. 90 Minuten lang. Draußen im Nieselregen zwischen Rothestraße und Bleickenallee. Und später drinnen im "Café Olé", wohin der HSV-Torjäger schon gegangen ist, bevor er Autogramme geben musste. Ein Rundgang mit Choupo-Moting durch sein Ottensen ist ein bisschen wie ein Spaziergang durch die Zeit.

Ecke Arnoldstraße/Keplerstraße erklärt Maxim, wie ein Urhamburger wie er für die kamerunische Nationalmannschaft spielen kann. Vater Just Moting stammt aus Kamerun, seine Mutter aus Hamburg. Hätte der Junior noch etwas gewartet, hätte er vielleicht irgendwann auch für die deutsche A-Nationalmannschaft spielen können. Aber Choupo-Moting, der sämtliche Jugendnationalmannschaften für den DFB durchlief, wollte nicht warten. "Für mich war die Verlockung einfach zu groß, schon jetzt eine WM mit Superstars wie Samuel Eto'o zu spielen", gibt der 21-Jährige ehrlich zu. Der Fußballer lächelt, wenn er spricht. Nur wenn er sich unsicher ist, schaut er kurz zur Seite, überlegt und lächelt dann doch wieder. Auch heute noch sei Eto'os Nummer in seinem Handy gespeichert, sagt er, gleich unter der Nummer von Onur Seker, mit dem er als Kind in Ottensen im Käfig gekickt hat.

Choupo-Moting macht keinen Unterschied, wenn er über seine Freunde von früher und von den Fußballstars von heute spricht. "Warum auch?", fragt er, und für einen kurzen Moment scheint es, als liegen der Bolzplatz neben dem Stadtteil- und Kulturzentrum Motte und die WM-Stadien in Südafrika in Wahrheit genau nebeneinander.

"In Ottensen fühle ich mich ganz einfach wohl", sagt Choupo-Moting, "in Hamburg könnte ich nirgendwo anders wohnen." Ein knappes Jahr lang wurde er in der vergangenen Saison nach Nürnberg verliehen, da ist ihm erst aufgefallen, wie sehr ihm sein Viertel in Hamburg fehlte. In Ottensen gefalle ihm besonders die unaufgeregte Art der Nachbarn, die Stimmung in der Ottenser Hauptstraße und die Nähe zur Elbe. Natürlich hat er hier auch seine Freundin kennengelernt. Nevin Darko, 22, sieht eigentlich genauso aus wie er, nur weiblich: hübsch, dunkle Haut, dunkle Kleider. Vor fünf Jahren sind sich die beiden auf dem Schulhof vom Gymnasium Altona über den Weg gelaufen, seit drei Jahren sind sie ein Paar. Wenn "Choupo", wie der Fußballer von seinen Fans genannt wird, heute erstmals seit dem Abitur an seine Schule zurückkehrt und sofort zwei Dutzend Autogramme schreiben muss, geht Nevin drei Schritte zur Seite und lässt ihren Freund machen. "Es gibt ja nicht immer so einen Rummel", sagt sie, "normalerweise wird er in Ruhe gelassen. Geht es nach Choupo-Moting, könnte der Rummel wohl sogar etwas größer sein. Zuletzt spielte der Offensiv-Allrounder nur eine untergeordnete Rolle bei Trainer Armin Veh. Im Mercado und rund um den Spritzenplatz wurde in den vergangenen Wochen mehr über Jonathan Pitroipa oder Heung Min Son gesprochen als über den Lokalmatador. "Ich war sehr gut in Form, bin dann aber während einer Länderspielreise in Kamerun krank geworden", erklärt Choupo-Moting, warum er in der Hinrunde nur zu 375 Einsatzminuten, dabei aber immerhin zu zwei Toren kam. "Für mich lief es nicht so glücklich, aber in der Rückrunde möchte ich noch mal voll angreifen."

Im "Café Olé" folgt nach dem Besuch seiner Schule und seines ersten Bolzplatzes die dritte Halbzeit. Choupo-Moting und seine Freundin werden mit Handschlag begrüßt. Ein freundliches "Hallo, wie geht's?" wird ausgetauscht, dann machen es sich beide bei einem Stück Kuchen und einem Latte macchiato gemütlich. Mit Fußballern spricht man neben Toren und Tabellen auch immer gerne über Verträge und Gehälter. Choupo-Motings Vertrag läuft im Sommer aus, allerdings hat der Verein eine Option, ihn ein weiteres Jahr zu binden. Der Stürmer, der von seinem Vater beraten wird, sagt, dass er gerne in Hamburg bleiben würde, dass es ihm hier gefällt. Was man eben so sagt, wenn der Vertrag ausläuft. Aber dem gebürtigen Hamburger, dem Ottenser, glaubt man.

Schnell wird das Thema gewechselt. Man merkt, dem Fußballer sind nicht nur Tore, Tabellen und Verträge wichtig. Auch seine Freundin beteiligt sich an der Unterhaltung. Sie erzählt, wie sich die beiden kennengelernt haben, wie es ist, wenn sie mit ihm essen geht und das ganze Restaurant zu ihnen herüberschaut. "Manchmal ist das schon ein bisschen komisch, aber die meisten Menschen sind sehr höflich", sagt sie. Es wird über das neue Jahr gesprochen, über Wünsche und Ziele. Irgendwann stupst Nevin ihren Freund an. Ihr Bruder würde schon warten. Nicht in Ottensen, sondern in der Schanze. Choupo-Moting lächelt wieder, entschuldigt sich und sagt, dass er dann wohl losmüsse. Nach 90 unterhaltsamen Minuten und knapp fünf Minuten Nachspielzeit verabschiedet sich Choupo-Moting.

Eben ein Fußballer. Aus Ottensen.