HSV-Sportchef Reinhardt akzeptiert kein Trainer-Ultimatum und sucht einen Innenverteidiger. Es soll jung sein und Perspektive haben.

Hamburg. Zu gerne wäre Bastian Reinhardt in diesem Winter dem Hamburger Schneechaos entflohen. Gemeinsam mit Ehefrau Dörte hatte der HSV-Sportchef Mallorca als Weihnachtsdomizil auserkoren, wollte nach dem letzen Hinrundenspieltag gen Süden fliegen und auf der Lieblingsinsel der Deutschen Kraft für die Rückrunde tanken. Eigentlich. Doch während Spieler und Trainer Armin Veh ihren Weihnachtsurlaub bereits in vollen Zügen genießen, stand gestern Mittag das Auto des Vorstandsmitglieds pünktlich um zwölf Uhr auf seinem Parkplatz vor der Imtech-Arena. Für Reinhardt gibt es viel zu tun, Mallorca muss warten.

Bedanken darf sich Reinhardt ausgerechnet bei seinem leitenden Angestellten, bei Cheftrainer Armin Veh. Zum einen hat der Coach bei seinem Vorgesetzten den Wunsch hinterlegt, bis zum Trainingsauftakt am 2. Januar einen neuen Innenverteidiger als Weihnachtsgeschenk zu bekommen, zum anderen hatte Veh im Anschluss an das Hinrundenfinale gegen Borussia Mönchengladbach unmissverständlich deutlich gemacht, dass er schnellstmöglich auch Klarheit über die eigene Zukunft haben wolle. "Bis zum 2. Januar brauchen wir eine Entscheidung. Man muss ja planen können", hatte Veh am Sonntag gesagt.

Ein junger Innenverteidiger mit Perspektive soll kommen

Während Wunsch Nummer eins wohl kurz nach Weihnachten in Erfüllung gehen dürfte - nach Abendblatt-Informationen hat Reinhardt einen jungen Innenverteidiger mit Perspektive ins Auge gefasst -, tut sich der Sportchef mit der Erfüllung des zweiten Wunschs noch etwas schwer. "Es gibt kein Ultimatum", sagt der 35-Jährige im Gespräch mit dem Abendblatt im Stadion-Restaurant Raute, "der Trainer hat einen Vertrag bis Sommer, wir können also ganz entspannt sein." Angesprochen auf die vehschen Aussagen vom Wochenende ("Ich mache diesen Job schon seit 20 Jahren. Irgendwann denkst du darüber nach, ob du noch weitermachen sollst"), weicht Reinhardt aus. "Auch den Trainer hat die Hinrunde geschlaucht." Und wie geht es mit ihm weiter? Reinhardt zögert, zieht die Augenbrauen nach oben, überlegt. "Jetzt muss auch der Trainer erst mal Kraft tanken." Ein letzter Versuch. Frage: Entscheidet sich Vehs Zukunft bis zum 2. Januar? Antwort: "Ich will nicht garantieren, dass es eine Entscheidung bis Januar gibt. Jetzt müssen wir erst mal durchatmen, dann sehen wir weiter." Mit einer klaren Aussage - so oder so - ist wohl erst nach der Elefantenrunde mit Bernd Hoffmann, Katja Kraus und eben Veh am Neujahrstag zu rechnen.

Dabei kann sich der Sportvorstand noch ganz genau daran erinnern, wie es einem Trainer ergehen kann, dessen Vertragsende absehbar ist. Als Huub Stevens in der Saison 2007/08 - damals war Reinhardt noch aktiver Profi - vor der Winterpause seinen Wechsel zum PSV Eindhoven bekannt gab, wäre das nicht unbedingt leistungsförderlich gewesen. "Für uns Spieler war das keine einfache Situation. Auf jeden Fall haben wir in der Rückrunde auch deswegen den einen oder anderen Punkt verloren", erinnert sich der frühere Abräumer. Deswegen will auch Reinhardt, der nach eigenen Angaben der zuständige Ansprechpartner im Vorstand in der noch unbeantworteten Trainerfrage ist, schnellstmöglich Klarheit, nur unter Druck setzen lassen will er sich nicht.

An Urlaub ist für Reinhardt aber auch abseits der Veh-Diskussion nicht zu denken. Neben Vertragsgesprächen mit einem möglichen Neuzugang und Überlegungen über mögliche Abgänge ("Zé Roberto wird am 2. Januar in Dubai sein, und für Eljero Elia gibt es keine ernsthafte Anfrage") will Reinhardt die kurze Pause auch nutzen, um über sein eigenes Standing in der Mannschaft, im Vorstand und im Verein nachzudenken. Anlass zur Selbstreflektion war die harte Kritik von Aufsichtsrat Peter Becker, der die Berufung Reinhardts als Fehler bezeichnet hatte. "Eigentlich hat er ja recht. Ich bin ja Berufsanfänger", sagt der Gescholtene etwas ironisch, um dann aber schnell ernst zu werden. Er hätte sich zunächst nicht öffentlich geäußert, um kein zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen, sagt Reinhardt, der mit einigen Tagen Abstand dann doch Stellung bezog. Am Sonntag war der Manager zu Gast im NDR-Sportclub, gestern Abend stellte er sich den Fragen bei Supporters-TV. Nachvollziehen könne er die Kritik aber auch eine Woche später nicht. "Peter Becker und ich haben nie unter vier Augen gesprochen, er hat mir nie angedeutet, was er über mich denkt", sagt Reinhardt, dessen Lust an einer Aussprache begrenzt ist. Und trotzdem habe er in den vergangenen Tagen auch viel über seine eigene Rolle beim HSV nachgedacht.

Reinhardt gibt eigene Fehler zu, will sich mehr vor die Spieler stellen

"Ich muss noch meine eigene Position finden", sagt der Sportvorstand, der auch kritisch mit sich selbst ins Gericht geht. Seinen öffentlichen Rüffel für Zé Roberto und für Frank Rost nach der 2:4-Niederlage gegen Leverkusen würde er so nicht wiederholen. "Ich habe mich im Nachhinein über mich selbst geärgert", sagt er, "ich muss mich in Zukunft mehr vor unsere Spieler stellen." Seine Hauptaufgabe in der Rückrunde sieht er darin, neues Vertrauen innerhalb der Mannschaft zu schaffen. "Wir müssen enger zusammenrücken."

Mit Ehefrau Dörte wird das wohl erst Heiligabend gelingen. In Hamburg statt auf Mallorca.