HSV-Trainer Armin Veh will sein Team gegen Mönchengladbach 90 Minuten rennen sehen. Collin Benjamin fällt im letzten Spiel 2010 aus.

Hamburg. Straftraining morgens um sieben Uhr - erst Schneeschippen, dann Waldlauf, schließlich Medizinbälle wuchten. Das hätte eine Maßnahme Armin Vehs sein können, um seine müden Männer in dieser Woche wieder munter zu machen. Doch der HSV-Trainer entschied sich anders: Die Spieler durften gestern im Warmen bleiben und sich beim Badminton austoben. Teambildende Maßnahme, Zuckerbrot statt Peitsche. "Ich muss in dieser prekären Situation ja irgendwas anders machen als zuletzt", sagte Veh.

Vieles hat der Coach in dieser Saison schon versucht, um den HSV auf die richtige Bahn zu lenken, nur wenig hat bisher gefruchtet. Der vor der Saison als Minimalziel ausgegebene Platz fünf ist zwar nur sechs Punkte entfernt - das gilt allerdings ebenso für den Relegationsplatz 16. Irgendwo im Nirgendwo, das ist der HSV des Jahres 2010. Doch Veh ist Realist genug, um nicht nur nach höheren Sphären zu schielen, sondern warnt davor, dass das derzeitige Mittelmaß eine Durchgangsstation in den Tabellenkeller sein könnte. "Wenn sich erst einmal Blockaden aufgebaut haben, kann das ganz schnell gehen." Auch seine These, dass diese Mannschaft zu den besseren Zeiten der vergangenen Jahre schlichtweg am Limit gespielt haben könnte und die derzeitige Leistungsstärke viel näher an der Realität liege, macht nur wenig Hoffnung.

Dabei hätten Vehs aktuelle Überlegungen, wie aus der Ansammlung von Einzelspielern wieder eine Mannschaft werden kann, auch woanders hinführen können als auf den Badminton-Court. Ein Kurz-Trainingslager war angedacht, um das letzte Spiel des Jahres am Freitag in Mönchengladbach erfolgreich zu gestalten und zumindest von einem versöhnlichen Jahresausklang sprechen zu können. Doch eine Mannschaftssitzung am Sonntagabend, an der auch Veh teilnahm, förderte "einige interessante, tiefer gehende Gründe" zu Tage, die für die Probleme in der Mannschaft mitverantwortlich seien - und die weder in unmittelbarer Zeit zu lösen noch rein psychologischer Natur wären. Letzten Endes entschied sich der HSV-Coach gegen ein Trainingslager und verordnete seinen Profis Abwechslung vom Trainingsalltag.

Dieser wird die Spieler am heutigen Dienstag und dem Rest der Woche jedoch wieder einholen. Der Schwerpunkt bei den Übungseinheiten soll auf taktischen Dingen liegen, denn was die Ordnung auf dem Platz angeht, offenbarten die Hamburger nicht nur bei der 2:4-Niederlage gegen Leverkusen eklatante Schwächen. Zumal davon auszugehen ist, dass der HSV gegen die Gladbacher eine deutlich verjüngte Startformation präsentieren wird. "Wir werden elf Spieler auf dem Platz haben, die über 90 Minuten volles Tempo gehen können - mit der Ausnahme von Dennis Aogo, der trotz seines körperlichen Rückstandes auf jeden Fall spielen wird. Ich habe gegen Leverkusen gemerkt, dass Routine nicht mehr hilft, wenn das Tempo fehlt", erklärte Veh.

Auf keinen Fall zum Einsatz kommen wird Rechtsverteidiger Collin Benjamin, der an einer schweren Knieprellung leidet und somit erneut ausfällt. Sogar einst Gesetzte wie der zuletzt enttäuschende Ruud van Nistelrooy und der gestern noch erkältete Zé Roberto könnten sich auf der Bank wiederfinden, obwohl einem Einsatz grundsätzlich nichts im Wege stände. "Auch wenn die Klasse bei einigen jungen Spielern vielleicht noch nicht da ist, werde ich sie aufstellen, sofern ich sie als fitter betrachte", sagte Veh deutlich. Flügelspieler Jonathan Pitroipa hat derweil erneut Probleme mit seinen Adduktoren - sollte er die Woche über nicht voll belastbar sein, will der Trainer auch seinen über die ganze Hinrunde betrachtet besten Feldspieler auf der Bank lassen.

90 Minuten füreinander rennen, kämpfen, grätschen, sich mit aller Macht gegen ein weiteres Negativerlebnis stemmen - das erwartet Veh von den Spielern, auf die er in der Partie gegen Gladbach setzt. Eine knappe Woche hat er Zeit, sein Team darauf einzuschwören. Doch Veh weiß seine Möglichkeiten einzuschätzen. "Im Prinzip ist der Trainer der Wichtigste, aber er ist in seinem Handeln auch begrenzt."