Der 47 Jahre alte Vorstandschef des HSV spricht über den durchwachsenen Saisonstart und seine persönliche Zukunft.

Hamburg. Bernd Hoffmann, 47, kommt blendend gelaunt zum Termin mit dem Abendblatt ins Elysée-Hotel. Dabei steht der HSV-Vorstandschef vor großen Herausforderungen. Sportlich ist die Situation nach dem Aus im DFB-Pokal und der 2:3-Niederlage beim damaligen Schlusslicht 1. FC Köln in der Bundesliga bescheiden. Zudem wählen die HSV-Mitglieder am 9. Januar einen Teil des Aufsichtsrats neu. Zu den Kandidaten zählen auch Mitglieder, die dem HSV-Vorstandschef sehr kritisch gegenüberstehen. Sollten diese nach der Wahl in der Überzahl sein, scheint sogar ein vorzeitiger Rücktritt Hoffmanns aus seinem bis Ende 2011 laufenden Vertrages nicht ausgeschlossen. Von Anspannung ist dennoch zunächst nichts zu spüren. Hoffmann spricht über ein Schulreferat seiner Tochter, bestellt einen Tee und sagt: "Von mir aus können wir starten."

Abendblatt:

Herr Hoffmann, täuscht der Eindruck, dass Sie sich in den vergangenen Wochen rargemacht haben?

Bernd Hoffmann:

Ihr Eindruck täuscht. Ich habe mich jedenfalls nicht bewusst zurückgehalten. Wir haben eine klare Ressortverteilung und einen Sportvorstand, der auch dafür verantwortlich ist, medial die aktuelle sportliche Situation zu bewerten.

Dann machen Sie heute für uns doch bitte eine Ausnahme. Haben Sie derzeit das Gefühl, dass sich die Mannschaft tatsächlich weiterentwickelt hat?

Hoffmann:

Im Moment stellt es sich so dar, dass wir zu wenig Punkte haben. Auch wenn es dafür Erklärungen gibt, ist es im Ergebnis zu wenig für unsere Ansprüche.

Bei der Mannschaft ist aber fast alles beim Alten geblieben.

Hoffmann:

Zunächst mal gibt es bestehende Verträge. In diesem Sommer haben wir mit jedem Spieler ein Gespräch geführt, und jeder Einzelne hat sich zum HSV und zu den gemeinsamen Zielen bekannt. Wir nehmen den Spielern vieles ab und versuchen bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir haben sehr gute Spieler, aber mir fehlt bei uns die Gier und die Galligkeit ...

... und der "letzte Wille", von dem Sportchef Bastian Reinhardt nach der Niederlage in Köln gesprochen hat?

Hoffmann:

Ja. Aber den kann man nicht herbeireden. Wir haben einen hochkarätigen Kader und gute Typen, aber der Teamgeist muss aus der Mannschaft kommen und wachsen.

Nur Wolfsburg und Schalke haben mehr Geld investiert als der HSV. Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Neuzugängen?

Hoffmann:

Generell halte ich eine Bewertung nach nur zehn Spieltagen für verfrüht. Wir haben in diesem Sommer entschieden, auf Spieler zu setzen, die charakterlich zu uns passen , die uns sportlich weiterhelfen und die Bundesliga kennen.

Viele Spieler kennen die Bundesliga.

Hoffmann:

Es ging uns darum, die Verlässlichkeit zu erhöhen. Wir sind davon überzeugt, dass beispielsweise Heiko Westermann über Jahre ein Führungsspieler sein wird. Gojko Kacar und Dennis Diekmeier sind junge Spieler mit enormem Potenzial, die uns in Zukunft noch viel Freude machen werden. Und gerade zeigt sich, wie wichtig es ist, zwei gute Torhüter zu haben.

Unser Eindruck ist, dass die Neuzugänge bislang enttäuscht haben.

Hoffmann:

Die gesamte Mannschaft hat bislang noch nicht ihr volles Leistungsvermögen abgerufen. Das macht die Eingewöhnung für neue Spieler nicht leichter. Aber wir sind von der Klasse der Spieler überzeugt.

Vor zwei Wochen saßen Sie mit dem Investor Klaus-Michael Kühne zusammen, der einen Großteil der Neuzugänge mitfinanziert hat. War er zufrieden?

Hoffmann:

Es war ein sehr nettes und offenes Gespräch. Wir haben aber vereinbart, dass wir den Inhalt nicht in die Öffentlichkeit tragen.

Ist man auf ein erneutes Engagement Kühnes angewiesen, sollte der internationale Wettbewerb verpasst werden?

Hoffmann:

Klar ist, dass wir nur das Geld ausgeben können, das wir auch einnehmen. Sollten wir also tatsächlich den internationalen Wettbewerb verpassen, würden wir zwangsläufig unsere Personalkosten anpassen müssen ...

... also Spieler verkaufen?

Hoffmann:

Das wäre eine Möglichkeit. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr solide gewirtschaftet und dabei auf hohem Niveau in die Mannschaft investiert. Aber dementsprechend kein Geld im Sparstrumpf angesammelt. Um es klar und deutlich zu sagen: Wir sind exzellent vermarktet, die Einnahmeseite des HSV ist nahezu ausgereizt. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass wir - wie in den vergangenen Jahren auch - in der Zukunft sehr achtsam wirtschaften werden.

Mithilfe von Herrn Kühne?

Hoffmann:

Sollten uns tatsächlich die Einnahmen aus dem internationalen Wettbewerb fehlen, wären wir möglicherweise auf Verkäufe und auf die Reduzierung der Personalkosten angewiesen. Das muss aber nicht zwangsläufig zu verminderter Leistungsfähigkeit führen, wie in dieser Saison Mainz und Dortmund eindrucksvoll beweisen.

Alles andere als eindrucksvoll war das 2:3 am Wochenende in Köln. Hatten Sie Mitleid mit Kölns Manager Michael Meier, der sich trotz des Sieges "Meier raus!"-Rufe gefallen lassen musste?

Hoffmann:

Mitleid ist das falsche Wort, eher Mitgefühl. Natürlich ist eine solche Situation nicht schön, ich konnte mich durchaus in seine Lage hineinversetzen. Wir haben vor dem Spiel darüber gesprochen.

Befürchten Sie ähnliche Rufe gegen Ihre Person, sollte der erhoffte Erfolg auch weiterhin ausbleiben?

Hoffmann:

Wir tun gut daran, das eigene Ego hinter das Interesse des Vereins zurückzustellen. Das erwarten wir von unseren Spielern, und das gilt auch für mich.

Wie haben Sie Ihren Kindern diese Rufe am Ende der vergangenen Saison erklärt?

Hoffmann:

Da kann man nicht viel erklären. Schön ist aber, dass sie im Gegensatz zu mir diese Rufe nach einer Partie Uno wieder vergessen haben.

Ihr Vertrag läuft Ende 2011 aus. Wollen Sie unter allen Umständen verlängern?

Hoffmann:

Es ist alles eine Frage der Umstände.

Das heißt?

Hoffmann:

Das heißt, dass ich mir viele Konstellationen vorstellen kann, in denen die Arbeit in diesem Verein auch in Zukunft die faszinierendste Aufgabe für mich ist.

Welche Rolle spielen die Aufsichtsratswahlen für Ihre Zukunftsplanung?

Hoffmann:

In Anbetracht der schwierigen Herausforderungen, die wir in Zukunft zu bewältigen haben, sind wir als Vorstand auch auf ein klares Mandat und das Vertrauen des Aufsichtsrates angewiesen.

Was passiert, wenn Sie dieses starke Mandat nicht bekommen?

Hoffmann:

Dann ist es schwer, den Anforderungen, die die Zukunft und der wachsende Wettbewerb an uns stellen, entschlossen zu begegnen.

Im Klartext heißt das, dass diese Wahl für Sie entscheidenden Charakter hat?

Hoffmann:

Natürlich. Darüber brauchen wir gar nicht lange herumzureden. Wir müssen als Verein geschlossen auftreten. Dazu muss es eine klare Haltung geben, wie der Verein die positive Entwicklung der vergangenen Jahre fortsetzen will.