Bastian Reinhardt nennt im Gespräch mit dem Abendblatt Gründe für den Misserfolg des HSV und verteidigt den Wutausbruch von Trainer Armin Veh.

Hamburg. Trainingsfrei zu haben bedeutet nicht automatisch Freizeit. Mit Klubmanager Bernd Wehmeyer reiste Kapitän Heiko Westermann am gestrigen Montag nach Hannover, wo dem HSV-Mannschaftsbus anlässlich der Automobilmesse feierlich der Name "Rauten-Express" verliehen wurde. Hochgeschwindigkeit ist das Stichwort. In diesem Tempo verabschiedete sich der HSV nach nur einem Punkt aus drei Spielen aus der Tabellenspitze. Nach nur sechs Spieltagen ist der neue Sportchef Bastian Reinhardt als Krisenverhinderer gefragt.

Abendblatt:

Herr Reinhardt, für wie gefährlich halten Sie die Lage?

Bastian Reinhardt:

Noch ist nicht viel passiert. Wir haben ein kleines Tief erlebt, das wir, das muss man klar sagen, selbst verschuldet haben. Wir hätten sowohl gegen Wolfsburg als auch in Bremen nicht verlieren müssen.

Abendblatt:

Vergangene Saison wurde der fehlende Puffer zwischen Spieler und Trainer beklagt. Wie interpretieren Sie jetzt Ihre Rolle in dieser Phase?

Reinhardt:

Wir müssen mit den Spielern individuell arbeiten, was in erster Linie in den Aufgabenbereich des Trainerteams fällt. Aber natürlich schnappe auch ich mir den einen oder anderen Spieler, um Probleme zu besprechen. Kontraproduktiv wäre allerdings, permanent draufzuhauen. Es gilt, den Spielern auch ihre Stärken aufzuzeigen. Wir hatten bisher eine gute Spielkontrolle, einen hohen Anteil Ballbesitz und viele Torchancen, waren zudem bei Standards gefährlich. Das sind Dinge, auf denen wir aufbauen können.

Geben Sie Veh auch in taktischen Dingen Ratschläge?

Reinhardt:

Ich tausche mich mit ihm täglich aus, schließlich kenne ich die einzelnen Spieler aus meiner aktiven Zeit noch sehr gut. Aber die Hauptverantwortlichkeit für Taktik und Aufstellung liegt beim Trainer.

Veh musste nach seiner Schelte gegen Piotr Trochowski Kritik einstecken, er hätte seinen Ärger nicht so offen rauslassen dürfen. Zu Recht?

Reinhardt:

Die betreffende Szene spielte sich direkt nach dem Abpfiff ab, gehörte für mich quasi noch zum Spielgeschehen. Wir wollen Profis mit mehr Leidenschaft, auch einem Trainer muss man Emotionen und diesen Schuss Leidenschaft zugestehen. Ich empfände es umgekehrt eher als unnormal, würde ein Trainer stoisch auf der Bank sitzen bleiben.

Der HSV vermittelt mal wieder den Eindruck, nicht als Mannschaft zu funktionieren, ständig wird die Startelf neu gemixt, die Balance scheint zu fehlen.

Reinhardt:

Es ist einfach so, dass wir mit den jüngsten Ergebnissen nicht zufrieden sein konnten. In jedem Spiel waren Fehler im Spielaufbau und im Abwehrverhalten deutlich zu erkennen. Und unser Kader bietet hochkarätige Variationsmöglichkeiten.

Aber kann man nicht erwarten, dass der HSV sofort funktioniert? Schließlich wurde das Team gegenüber der vergangenen Saison kaum verändert.

Reinhardt:

Das wird in Hamburg immer erwartet. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass WM-Spieler wie Marcell Jansen noch nicht fit sind oder wie Dennis Aogo fehlen. Ein Piotr Trochowski war verletzt nach seiner Rückkehr und konnte noch nicht einmal die verkürzte Aufbauphase durchziehen. Oder nehmen Sie Eljero Elia, der seine Qualität als herausragender Fußballer bald wieder zeigen wird. Aber auch andere Profis spielen noch nicht auf höchstem Level. Das alles sind Punkte, die den Unterschied ausmachen zwischen Sieg und Niederlage.

Liefert die Betonung der WM-Belastung nicht auch ein Alibi?

Reinhardt:

Deshalb haben wir diesen Umstand anfangs auch gar nicht thematisiert, aber es zeigt sich auf dem Platz. Nur, das ist nichts, worauf man sich ausruhen darf. Gerade die betroffenen Spieler müssen härter arbeiten, um in Topform zu kommen.

Wenn es bei Werder Bremen nicht läuft, haut Torsten Frings dazwischen, bei Bayern München sorgte Nationalspieler Philipp Lahm für mehr als deutliche Worte. Fehlt es beim HSV innerhalb der Mannschaft an Führung?

Reinhardt:

Das glaube ich nicht. In der Kabine wird schon gesprochen, es gibt genug Spieler, die die Führung übernehmen, wie Ruud van Nistelrooy, Zé Roberto oder Heiko Westermann. Die Mannschaft muss es nur auf dem Spielfeld richtig umsetzen.

Ist das auch eine Frage des Systems?

Reinhardt:

Für mich stellt sich nicht die Frage, ob wir in einem 4-4-2- oder in einem 4-2-3-1-System spielen sollten. Mir geht es darum, wie und ob die Spieler im jeweiligen System ihr Potenzial abrufen, ob sie richtig im System arbeiten. Ein gutes Beispiel ist das 2:3 in Bremen. Piotr Trochowski begeht den ersten Fehler in einer Fehlerkette. Es gab durchaus noch die Möglichkeit, das Tor zu verhindern. Wir müssen besser im Verbund arbeiten, Automatismen im Training einüben. Arbeit ist nun einmal der Schlüssel zum Erfolg.

Was ist diese Saison realistisch drin?

Reinhardt:

Zunächst geht es darum, eine ordentliche Hinrunde zu spielen. Aus leidvoller Erfahrung wissen wir beim HSV, dass die Preise erst in der Rückrunde vergeben werden. Wir müssen es endlich schaffen, uns für den hohen Aufwand zu belohnen.