Heute vergibt HSV-Trainer Veh die Kapitänsbinde. Als Favorit gilt Neuzugang Heiko Westermann. Aber wie wichtig ist das Amt des Spielführers überhaupt?

Hamburg. Das Objekt der Begierde ist aus 100 Prozent Polyester, hat im HSV-Fanshop die Artikel-Nummer 24336 und kostet gerade mal 5,95 Euro. Der ideelle Wert einer der in den vergangenen Tagen in Hamburg und im Rest der Republik so diskutierten Kapitänsbinde scheint dagegen unbezahlbar. Dieser Eindruck wird erweckt, wenn man die medialen Diskussionen über das Stück Stoff am Arm und das damit verbundene Amt des Spielführers beim HSV - Entscheidung heute -, beim FC St. Pauli - Entscheidung gestern -, und in der Nationalmannschaft - Entscheidung bald - verfolgt.

Während also die ganze Nation gebannt auf die zügige Beantwortung der K-Frage - Philipp Lahm oder Michael Ballack? - hofft, werden die Fußballfans des HSV bereits heute Mittag erlöst. Nach dem Vormittagstraining will Trainer Armin Veh ultimativ entscheiden, wer sein neuer Spielführer in der kommenden Saison werden soll. Als Favorit gilt Neuzugang Heiko Westermann, der zuletzt in drei Testspielen die prestigeträchtige Binde Probe tragen durfte. Hoffnungen darf sich aber auch Noch-Amtsinhaber David Jarolim machen, der die Binde nur ungern weiterreichen würde: "Ich war gern Kapitän. Das Amt war ja auch eine Beurteilung meiner Leistung beim HSV." Bevor Veh seine Entscheidung bekannt gibt, drängt sich allerdings die Frage auf, wie wichtig das Amt des Spielführers tatsächlich ist.

"Überhaupt nicht", ist die Antwort, glaubt man Franz Beckenbauer. Und wer glaubt dem Kaiser nicht? "Große Spieler sind auch Persönlichkeiten, wenn sie kein Stück Stoff am Arm tragen", sagt Kaiser Franz. Ähnlich sieht es auch HSV-Führungsspieler Joris Mathijsen, der zur Wahl des Kapitäns lieber keinen Tipp abgeben wollte. "Wer letztendlich die Binde tragen wird, ist mir völlig egal. Wir brauchen viele Führungsspieler auf dem Platz - und die haben wir", sagt der Niederländer, der sowohl Westermann ("Heiko hat das letzte Saison bei Schalke gut gemacht") als auch Jarolim ("David ist ein Führungsspieler, der immer 100 Prozent gibt") das mehr oder eben auch weniger begehrte Amt zutraut.

Eine etwas größere Bedeutung misst Hamburgs Alt-Kapitän Ditmar Jakobs der Entscheidung, wer zukünftig die HSV-Binde tragen darf, bei: "Der Kapitän soll nicht nur eine Mannschaft führen. Er muss auch Bindeglied zwischen Trainer und Team sein und gleichzeitig den Verein repräsentieren." Allerdings will Jakobs nicht ganz verstehen, warum der Kapitän vom Trainer bestimmt werden soll. "Ein Mannschaftskapitän muss von der Mannschaft gewählt werden. Nur so ist ihm die uneingeschränkte Akzeptanz im Team sicher", sagt der frühere HSVer. Wenig überraschend sieht Veh die Sachlage etwas anders. Hamburgs Chefcoach hat in seiner Trainerkarriere immer den Kapitän bestimmt, erhofft sich dadurch eine nachhaltig funktionierende Hierarchie in der Mannschaft. Besonders nach der letzten Saison, nach der immer wieder über zu viele Führungsspieler (Mladen Petric) oder eben zu wenig Führungsspieler (Marcell Jansen) diskutiert wurde, soll Hamburgs neuer Spielführer für zusätzliche Motivation im Team sorgen.

"Ich brauche die Binde um den Arm nicht für die Motivation. Ich gebe sie nicht gern weg, ganz klar. Aber ich werde, egal wie, nach der Entscheidung der Gleiche sein wie vorher", sagt Noch-Amtsinhaber Jarolim. Eine Haltung, die in der Nationalmannschaft nicht wirklich geteilt wird. So birgt die nahende Entscheidung über Münchens Lahm oder Leverkusens Ballack ein derartiges Konfliktpotenzial, dass die bilateralen Beziehungen zwischen Bayern und Bayer ernsthaft gefährdet scheinen. Bundestrainer und Streitschlichter Joachim Löw hat nun "seriöse Gespräche" angekündigt, um sich schon bald auf seinen "verlängerten Arm auf dem Platz" festzulegen.

Wie schwer diese Entscheidung tatsächlich ist, zeigt ein Blick in die Bundesliga. Von 18 Erstligisten konnten sich immerhin sechs Klubs noch nicht auf einen Spielführer einigen. St. Paulis Trainer Holger Stanislawski legte sich immerhin gestern auf Fabio Morena fest. Eine kreative Beantwortung der K-Frage hat der 1. FC Kaiserslauten parat: Beim Aufsteiger teilen sich Martin Amedick und Srdjan Lakic gleichberechtigt das Amt des Spielführers. Frei nach dem Motto: Doppelt hält besser.

Neben einem Kapitän will sich Trainer Armin Veh heute auch für einen Stammtorhüter festlegen. Favorit ist die bisherige Nummer eins Frank Rost .