Im ungünstigsten Fall drohen dem HSV Entscheidungsspiele um den Ligaverbleib. Verteiger Dennis Diekmeier kennt diese Situation - doppelt.

Hamburg. Ein Drehbuchautor würde wohl folgende Situation kreieren: Gut gelaunte HSV-Profis, die sich in Sicherheit wiegen, laufen am Sonnabend vor dem Spiel gegen Mainz (15.30 Uhr/Sky, LIGA total und Liveticker auf abendblatt.de) in die Imtech-Arena ein. Die Fans im ausverkauften Stadion zeigen sich euphorisch in der Erwartung, knapp zwei Stunden später den Klassenerhalt feiern zu dürfen. Doch dem HSV will in den 90 Minuten nicht viel gelingen, die Anhänger werden ungeduldig, bis der Ex-Hamburger Maxim Choupo-Moting in der 89. Minute die 0:1-Niederlage besiegelt. Gleichzeitig gewinnt der 1. FC Köln gegen Freiburg. Das dramatische Finale gegen Augsburg um den Relegationsplatz 16 eine Woche später wäre perfekt.

"So wird es aber nicht kommen", ist sich Dennis Diekmeier sicher. "Ich habe nie daran gedacht, mit dem HSV in diese Situation zu geraten und beschäftige mich da auch immer noch nicht mit. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass die Qualität der Mannschaft dafür zu hoch ist - vor allem im Vergleich zu den Teams, mit denen ich diese speziellen Spiele schon durchmachen musste." Der Rechtsverteidiger weiß, wovon er spricht. Denn er ist der einzige HSV-Profi, der die Relegation bereits selbst erlebte - und das gleich zweimal in Folge: Im Sommer 2009 stieg Diekmeier nach zwei Siegen seiner damaligen Nürnberger Mannschaft gegen Energie Cottbus aus der Zweiten Liga in die Eliteklasse auf, ein Jahr später musste der "Club" selbst um den Bundesligaverbleib bangen. Bei den Spielen gegen den FC Augsburg, die Nürnberg erneut beide gewinnen konnte, fehlte Diekmeier zwar verletzt - dennoch ist ihm die unglaubliche Anspannung noch vor Augen. "Dieser Druck ist gerade für den Erstligisten richtig krass, da du weißt: Jetzt entscheidet sich alles. Ich hatte mich kurz zuvor ausgerechnet gegen den HSV verletzt, konnte meinem Team nur von der Tribüne die Daumen drücken. Das hat mich fast verrückt gemacht." Mit einem normalen Finale könne die Relegation nicht verglichen werden, da der Verlierer nicht der unglückliche Zweite sei, der vorher alles gewonnen hat, sondern alles zusammenbreche, sollte man versagen.

Angreifer Paolo Guerrero, der nach seiner Acht-Spiele-Sperre ins Team zurückkehren wird, schließt ein solches Versagen aus. "Auch wenn die Saison für uns wie eine Achterbahnfahrt gelaufen ist, werden wir die Partie gewinnen. Viele Leute sagen, dass wir nur noch einen Punkt brauchen, für mich zählen aber nur drei Punkte."

Trotzt aller optimistischen Verkündungen drohen dem HSV am 11. und am 15. Mai noch zwei Begegnungen, die an nervlicher Anspannung nicht zu überbieten sind. Vielleicht sogar gegen den FC St. Pauli - die Horrorvorstellung für fast alle HSV-Fans. Bei fünf Punkten Vorsprung auf Platz 16 haben es die Profis jedoch selbst in der Hand, mit einem Sieg gegen Mainz alle Zweifler Lügen zu strafen. Der Gegner hat bereits am vergangenen Spieltag den Klassenerhalt perfekt gemacht und dieses Erfolg gebührend gefeiert. Doch das muss kein Vorteil sein, meint HSV-Trainer Thorsten Fink. "Die Mainzer können befreit aufspielen. Es gibt sicherlich Situationen, die sie jetzt spielerisch lösen, statt den Ball aus Angst einfach wegzuschlagen. Ich kann nur davor warnen zu denken, wir hätten es schon fast geschafft."

In der Tat gab es in dieser Saison genug Auftritte der Hamburger in der heimischen Arena, die Anlass zur Sorge bereiten. Eine Niederlage gegen die Rheinhessen wäre keine Sensation. Und der Konkurrent um Platz 16, der 1. FC Köln, muss beim SC Freiburg antreten, der zwar gut in Form ist, aber ebenso gerettet und die Partie somit entspannt angehen könnte. Im schlimmsten Fall kämen die Kölner auf zwei Punkte an den HSV heran - und könnten am letzten Spieltag vorbeiziehen.

Statistisch gesehen hätte der Bundesliga-Dino selbst dann noch gute Karten, in der Bundesliga zu bleiben. Denn in sieben von zehn zwischen 1982 und 1991 ausgetragenen Duellen konnte sich der Bundesligist am Ende durchsetzen. Auch in den drei Entscheidungen nach der Wiedereinführung zur Saison 2008/09 behielt der Erstligaklub zweimal die Oberhand.

Diekmeier trainiert nach auskuriertem Außenbandanriss seit Anfang der Woche wieder voll mit der Mannschaft und darf sich berechtigte Hoffnungen machen, seinen Teil zum Klassenerhalt beizutragen. Alles andere wäre auch wie im falschen Film.