Ein Kommentar von Kai Schiller

Der frühere HSV-Chef Bernd Hoffmann soll einmal gesagt haben, dass sein einziger Fehler war, zu viel Rücksicht auf die Befindlichkeiten von anderen genommen zu haben. An der Spitze ist es bekanntlich einsam, das gilt für den Erfolg genauso wie für den Misserfolg. So gilt Hoffmann gleichermaßen als Verantwortlicher für zwei Europa-League-Halbfinals wie für den sportlichen Niedergang unter Ex-Trainer Armin Veh. Aber statt "Veh raus!" riefen die Fans in der vergangenen Saison "Hoffmann raus!".

Im neuen HSV-Zeitalter ist die Sachlage sehr viel komplizierter. Obwohl der HSV mittlerweile auf einen Relegationsplatz gerutscht ist, für den Hoffmann seinerzeit wohl geteert und gefedert worden wäre, können sich die Anhänger auf keinen Hauptschuldigen einigen. Weder Trainer Thorsten Fink noch Sportchef Frank Arnesen und auch nicht die Vorstände Carl Jarchow oder Joachim Hilke wollen die Fans zum alleinigen Sündenbock der dramatischen Talfahrt machen. Selbst die Profis haben bei den Treuen der Treusten, die früher nach zwei Niederlagen in Folge mit Protestplakaten auf dem Trainingsgelände erschienen, den Kredit noch immer nicht verspielt.

Und wie so oft beweisen die Anhänger auch in dieser Situation wieder mal ein gutes Gespür. Nicht ein Einzelner ist verantwortlich für die Misere, alle sind schuld! Und weil das so ist, kann die Erkenntnis selbst im Falle eines Abstiegs nur lauten, dass niemand das sinkende Schiff verlassen darf. Die Zeiten, in denen es um die Befindlichkeiten Einzelner ging, sind längst vorbei. Den drohenden Totalschaden müssen alle gemeinsam reparieren, ob sie nun wollen oder nicht.