Für Martin Harnik ist Stuttgarts Auswärtsspiel in Hamburg ein echtes Heimspiel. Ein Gespräch über Kirchwerder und Ex-HSV-Trainer Labbadia

Hamburg. Natürlich musste Stuttgarts Stürmer Martin Harnik, dessen Familie noch immer in Kirchwerder wohnt, auch vor dem Spiel zwischen dem HSV und dem VfB am Sonnabend wieder jede Menge Karten organisieren, diesmal insgesamt zehn Tickets. Wie sehr der Torjäger seine Hamburger Heimat vermisst, wird auch bei einem Besuch in seiner Doppelhaushälfte in Remstal bei Stuttgart klar, in der ein großes Bild mit Alster-Motiv hängt.

Hamburger Abendblatt: Herr Harnik, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie ausgerechnet vor dem Auswärtsspiel beim HSV als erfolgreichster Hamburger der Bundesliga gelten?

Martin Harnik: Eigentlich habe ich mir darüber keine großen Gedanken gemacht. Ich glaube, wenn man die Tore als Maßstab nimmt, dann bin ich sogar der erfolgreichste Bundesligaprofi der Rückrunde, ganz unabhängig davon, ob ich aus Hamburg komme oder nicht.

Haben Sie als Kind eher dem HSV oder St. Pauli die Daumen gedrückt?

Harnik: Ich war kein Fan, aber der HSV hatte bei mir klar die Nase vorn. Ein paar Mal war ich auch im alten Volksparkstadion.

Als A-Jugendlicher wären Sie fast vom SC Vier- und Marschlande zum HSV gewechselt. Warum haben Sie sich dann doch für Werder Bremen entschieden?

Harnik: Sowohl der HSV als auch Werder Bremen hatten ab der B-Jugend großes Interesse an mir. Ich wollte aber nicht so früh alles auf die Karte Profifußball setzen. Mir war wichtig, dass ich nach der Schule noch eine Ausbildung mache, damit ich ein zweites Standbein habe. Also habe ich dem HSV und Werder zunächst abgesagt. 2006 haben dann wieder beide Vereine angefragt. Werder hat meinen Wunsch, die angefangene Ausbildung als Versicherungskaufmann auch abzuschließen, sehr ernst genommen. Mir wurde ein durchdachtes Konzept vorgelegt, wie ich meine Ausbildung und das Training in Bremen kombinieren konnte. Wenn man so will, war das eine Art duale Ausbildung.

Wie darf man sich das vorstellen?

Harnik: Ich hatte einfach sehr flexible Arbeitszeiten, sodass ich immer beim Training dabei sein konnte. Wenn ich bei der Arbeit etwas verpasste, konnte ich es abends nachholen. Nur während der Wochen der Berufsschule gab es wenig Spielraum.

Beim HSV wäre das unmöglich gewesen?

Harnik: Wahrscheinlich hätte ich auch meine Ausbildung in Hamburg beenden können. Aber beim HSV hatte mir niemand einen konkreten Plan vorgelegt, wie das funktionieren sollte. Ich hatte mehrere Gespräche mit Joachim Philipkowski, der damals HSV-Amateurtrainer war. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich vor allem deswegen zum HSV wechseln sollte, damit ich nicht zu Werder gehe.

Hat es in den Jahren danach noch mal eine konkrete Anfrage des HSV gegeben?

Harnik: Nein. Dabei bin ich ein echter Familienmensch, und meine ganze Familie wohnt nun mal in Hamburg. Aber auch als echter Norddeutscher kann man sich im Ländle sehr wohl fühlen.

Weil Ihr Vater Österreicher ist, haben Sie am Mittwoch mit Österreich gegen Finnland statt mit Deutschland gegen Frankreich gespielt. Fühlt sich der Hamburger Harnik als echter Ösi?

Harnik: Ich fühle mich als Österreicher, als Deutscher, als Hamburger und als Stuttgarter. Natürlich war die Entscheidung für die österreichische Nationalmannschaft eine sportliche, aber auch eine emotionale. Ich bereue sie nicht.

Ihr Vater kommt aus der Steiermark. Verstehen Sie denn alles, was Ihre Nationalmannschaftskollegen so sagen?

Harnik: Nicht alles. Ich bin heute noch böse auf meinen Vater, dass er mir seinen Dialekt vorenthalten hat. Er hat sich immer große Mühe gegeben, akzentfreies Hochdeutsch zu sprechen. Aber meine Nationalmannschaftskollegen finden es immer lustig, wenn ich astreines Norddeutsch spreche.

HSV-Trainer Thorsten Fink hat Dennis Aogo, Ihrem direkten Gegenspieler am Sonnabend, sogar eine DVD mit Ihren besten Szenen zur Vorbereitung zusammenstellen lassen. Spüren Sie eine andere Wertschätzung?

Harnik: Es klingt zwar ein wenig abgedroschen, aber ich muss meine Leistung einfach von Spiel zu Spiel bestätigen.

Genau das schafft der VfB zurzeit nicht. Warum nicht?

Harnik: Wir sind insgesamt nicht konstant genug. Und wenn wir das nicht abstellen können, dann landet man eben im Mittelmaß.

Wie der HSV.

Harnik: Beim HSV ist aber wieder eine Entwicklung nach oben zu erkennen. Hamburg hatte einen ganz schlechten Saisonstart, hat sich dann aber zum Ende der Hinrunde gefangen.

Als Bruno Labbadia noch HSV-Trainer war, wurde immer behauptet, dass seine Mannschaften in der Rückrunde abstürzen. Widersprechen Sie?

Harnik: Natürlich widerspreche ich. Wir sind nicht abgestürzt. Im Vergleich zum guten Hinrundenstart haben wir lediglich einen Sieg weniger auf dem Konto.

Für Sie scheint die Verpflichtung Labbadias ein Glücksfall gewesen zu sein.

Harnik: Unter Bruno Labbadia habe ich gelernt, zielgerichtet an meinen Schwächen zu arbeiten. Er gibt viele Hinweise, ist in seiner Fehleranalyse direkt und konkret. Er spricht die Dinge knallhart an, ist kein Schönredner.

Wie Sie ist auch Labbadia noch gerne und oft in Hamburg. Haben Sie ihn gefragt, ob Sie nach dem Spiel beim HSV etwas länger in Hamburg bleiben dürfen?

Harnik: Ich würde gerne länger bleiben, aber in unserer momentanen Situation würde ich nicht wagen, so was zu fragen.