Die HSV-Supporters erwirken eine außerordentliche Hauptversammlung. Sie wollen mehr über Milliardär Kühne wissen.

Hamburg. Als sich die Granden nach dem gut vier Stunden dauernden Gespräch voneinander verabschiedeten, wirkten sie zufrieden. Zuvor hatte Speditions-Milliardär Klaus-Michael Kühne ("Kühne und Nagel") seine Vorstellungen für sein Millionen-Engagement im Rahmen des Finanzierungsmodells "Anstoß³" abgegeben. Neben Aufsichtsratsboss Horst Becker waren die Kontrolleure Jörg F. Debatin, Bernd Enge, Eckart Westphalen sowie Vorstandschef Bernd Hoffmann ausgewählt geladen worden. Was sie da noch nicht wussten: Zwei Stunden zuvor hatte die mitgliederstärkste Abteilung "Supporters" einen offiziellen Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gestellt, um sich das gesamte Projekt erläutern zu lassen. Die Folge: Binnen der nächsten drei bis vier Wochen muss der HSV-Vorstand eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen und dort sein Vorgehen erläutern.

Erstes Ziel des nunmehr fraglichen Engagements Kühnes ist die Verpflichtung von Mittelfeldspieler Michael Ballack. Der 33-jährige DFB-Kapitän steht beim HSV ganz oben auf dem Wunschzettel, hat seinerseits Interesse an einem Wechsel nach Hamburg signalisiert - würde aber für den HSV utopische fünf Millionen Euro Jahresgehalt kosten. Eine Summe, für die Kühne aufkommen könnte - sofern ihn der HSV an Weiterverkäufen jüngerer Spieler partizipieren ließe. Kühnes Gedanke: Ballack zählt nicht mehr zu den Spielern, die teuer weiterverkauft werden.

+++Lesen Sie hier den Antrag der Supporters im Wortlaut+++

Das wiederum ruft Fragen bei besorgten Vereinsmitgliedern auf, die eine mögliche verdeckte Rechteabtretung an Privatinvestoren befürchten. Viele Supporters sehen zudem einen Widerspruch zwischen den aktuellen Transferplänen und der vom Vorstand sowie Sportchef Urs Siegenthaler eigentlich verkündeten neuen Klubphilosophie, sich insbesondere jungen Talenten widmen zu wollen. "Wir werden den gesamten Kader auf den Prüfstand stellen", hatte Hoffmann angekündigt, während Siegenthaler bei seiner Vorstellung vor wenigen Wochen ergänzte: "Der HSV muss den Anspruch haben, aus den eigenen Reihen Nachwuchs für den Profibereich zu ziehen. Dafür werden wir vermehrt ein auf junge Talente setzen."

Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache. Aktuell besitzt der HSV die im Bundesliga-Durchschnitt älteste Mannschaft: Mit Zé Roberto, Frank Rost, 36, Ruud van Nistelrooy, 33, David Jarolim, 31, und Joris Mathijsen, 30, zählen schon jetzt fünf Profis der Stammelf zu den älteren Spielern. Passt es da wirklich, dass mit Michael Ballack ein weiterer Spieler jenseits der 30 kommen soll? Zudem verhandelte der HSV nach Abendblatt-Informationen auch mit dem 34 Jahre alten Schalke- Verteidiger Marcelo Bordon.

"Das sind Fragen, die wir uns natürlich stellen. Klar ist, es wird uns die Arbeit für die kommende Saison nicht leichter machen", sagt HSV-Sportchef Bastian Reinhardt, "aber bei jeder Philosophie muss auch der kurzfristige Erfolg gewährleistet sein. Und in diesem Fall schlägt die Qualität der Spieler den Rest. Uns ist dennoch klar, dass wir zu unseren Führungsspielern immer auch junge Spieler stellen müssen, die in die verschiedenen Verantwortungen hineinwachsen."

Bis dahin gibt es aber noch etliche offene Fragen zu beantworten. Reichen die angekündigten zehn Millionen Euro von Kühne, um Ballack zu verpflichten? Was passiert mit dem jungen Talent Eric-Maxim Choupo-Moting? Welche Spieler kann der HSV für die Innenverteidigung gewinnen? Und was passiert bei Ibrahim Afellay? Der niederländische Nationalspieler von PSV Eindhoven wäre ein Spieler, der ins eigentliche Raster passt: 24 Jahre jung und eine sofortige Verstärkung. Nur, der Spieler zögert und hofft auf größere Klubs. Etwas, was die Verantwortlichen ebenfalls vermeiden wollten - aber auch hier schlägt die individuelle Qualität des Spielers das Idealbild des Klubs. Für den kurzfristigen Erfolg - aber auch zum Unverständnis vieler HSV-Mitglieder.