Der 44-Jährige stellte sich bis zum Schluss öffentlich bedingungslos vor seine Spieler, mit denen er es sich intern längst verscherzt hatte

Hamburg. Erst als der morgendliche Trubel größtenteils vorbei war, trauten sich Bruno Labbadia und sein bisheriger Assistent Eddy Sözer gestern Nachmittag, die Nordbank-Arena beinahe unbemerkt zu verlassen. Um 16.26 spazierte das Trainerduo - beide in dunkelblauen Jeans, dunklem Jackett und dunklem Hemd - aus dem Geschäftsstelleneingang auf dem Spielerparkplatz. Ohne einen Kommentar abzugeben öffnete Labbadia die Tür seines ebenfalls dunklen Audi Q7, setzte sich hinters Steuer und brauste davon. Es war ein Abschied, der sich bereits kurz nach seiner Begrüßung an gleicher Stätte vor 325 Tagen angekündigt hatte.

"Bruno wird uns in gute Zeiten führen. Unsere Linie ist identisch", hatte der damalige Sportchef Dietmar Beiersdorfer noch hoffnungsvoll bei Labbadias Vorstellung gesagt, um wenig später im Streit mit Klubboss Bernd Hoffmann zurückzutreten. Somit musste Hamburgs neuer "Wunschtrainer" (O-Ton Hoffmann) den ersten Nackenschlag noch vor dem offiziellen Trainingsauftakt einstecken. Ohne sportliche Kompetenz an seiner Seite verließ sich Labbadia zunächst auf die bereits angeschobenen Einkäufe Beiersdorfers (Eljero Elia, Robert Tesche und Zé Roberto), um anschließend mit Hoffmann die Transferflops David Rozehnal und Marcus Berg für rund 15 Millionen Euro zu verpflichten - die erste fatale Fehleinschätzung.

Nachdem sich trotz der zunächst erfolgreichen Hinrunde immer mehr abzeichnete, dass der noch unerfahrene Labbadia besser heute als morgen einen erfahrenen Sportchef an seiner Seite brauchen könnte, musste der Cheftrainer bald den nächsten Nackenschlag verkraften - diesmal aus dem Aufsichtsrat. So suchten die Räte monatelang vergeblich nach einem Beiersdorfer-Nachfolger, um mit Hoffmanns Wunschkandidat Roman Grill die einzige echte Alternative in einem an Peinlichkeit nicht mehr zu übertreffenden Showdown zu verprellten. Zwar wurde mit Urs Siegenthaler für die neue Saison dann doch noch ein neuer Sportchef gefunden, allerdings kam diese Entscheidung für Labbadia zu spät.

Den ersten Streit mit einem Spieler hatte der 44-Jährige nach nur vier Monaten im Amt, als er sich im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach weigerte, den offensichtlich verletzten Jerome Boateng auszuwechseln. Der Nationalverteidiger berichtete später, "so starke Schmerzen wie noch nie" verspürt zu haben. Der HSV verspielte eine 2:1-Führung, verlor zunächst 2:3 - und später den Glauben an den Trainer.

Es folgten Streitigkeiten mit fast allen Stamm- und Führungsspielern. Zé Roberto war einer der ersten, der sich zunehmend vom jungen Coach distanzierte. Erst schwänzte der Brasilianer das Wintertrainingslager, dann soll er kürzlich vor versammelter Mannschaft gesagt haben, dass er 35 sei und sich nicht von einem "ein paar Jahre älteren Trainer" sagen lasse, welche Laufwege er zurückzulegen habe. Nach Zé Roberto verscherzte es sich Labbadia auch mit Piotr Trochowski, Dennis Aogo, Ruud van Nistelrooy, David Jarolim und zuletzt mit Frank Rost und Mladen Petric.

Dabei stürzte der in Ungnade gefallene Trainer neben seiner Sturheit auch über die von ihm unterschätze Macht der Spieler. So traf Labbadia an der zuletzt viel diskutierten Verletzung und "Wunderheilung" Petrics keine wirkliche Schuld. Mannschaftsarzt Nikolai Linewitsch hatte den Kroaten für uneingeschränkt trainingsfähig befunden, was sich als Fehler erweisen sollte. Als Petric nach seiner anschließenden Trainingsverletzung andeutete, er habe eigentlich gar nicht trainieren wollen und die Trainer hätten ihn lieber gebremst, platzte Labbadia schließlich der Kragen. Man könne ihn nicht für alles verantwortlich machen, sagte der Coach - diesmal öffentlich - und zog sich somit den Zorn Petrics zu. Es sollte das letzte von vielen Scharmützeln gewesen sein. Labbadia erhält nun eine Million Euro Schmerzengeld - und ganz viel Lehrgeld. Annehmen sollte er beides.