HSV-Star Paolo Guerrero drohen bis zu sechs Monate Sperre und eine Geldbuße durch die Justiz - Fans solidarisieren sich mit der Mannschaft.

Hamburg. Es passte irgendwie ins Bild. Lachend stellte sich Paolo Guerrero nach dem gestrigen Training den rund 400 Fans und unzähligen TV-Teams. Er posierte satte 23 Minuten für Fotos, beantwortete bereitwillig eine Frage nach der anderen. Natürlich täte ihm alles leid, er würde für alles die volle Verantwortung übernehmen, und sowieso sei er reumütig. Zudem werde er sich um ein Treffen mit seinem Opfer Axel Z. bemühen. Dabei entbehrte das Bild nicht jeglicher Komik, da "Flaschenwerfer" Guerrero während der gesamten Zeit mit einer gut gefüllten Flasche Bismarck-Selters hantierte - sie aber bei sich behielt.

Insgesamt schien sich die große Aufregung um das Fehlverhalten von Fan und Spieler gestern beim HSV zu lichten. "Gemeinsam die Wende schaffen! Wir für euch - ihr für uns" stand auf einem überdimensional großen Banner des Fanklubs "Chosen Few" quer über den Trainingsplatz geschrieben. "Das war eine spontane Aktion. Wir wollen damit wieder für eine positive Stimmung sorgen", erklärte Jojo Liebnau, Mitglied der "Chosen Few" die Aktion.

Abseits des Plakates verliehen fröhliche Fußball-Camp-Kinder dem idyllischen Bild Nachdruck, indem sie mit den HSV-Stars für Fotos posierten und ihren Idolen im Chor viel Glück für die Partie in Lüttich wünschten. Trainer Bruno Labbadia kennzeichnete Guerreros Aktion zwar als Überschreitung des erlaubten, aber eben menschlichen Fehltritts. Einen, den der Verein mit Größe zu bewerten wüsste. "Von allen Seiten wurde anderes gefordert, aber der Verein hat Führungsstärke bewiesen", lobte Labbadia den Verzicht, Guerrero zu entlassen. "Paolo war mehr als einsichtig - deshalb haben wir ihn bestraft und gleichzeitig geschützt. Wir haben Stärke bewiesen, indem wir ihn nicht haben fallen lassen." Weil vor dem wichtigen Europa-League-Rückspiel die Alternativen fehlen? Labbadia stellte klar: "Ich habe nie daran gezweifelt, Paolo in den Kader zu nehmen. Für uns ist die Sache damit abgehandelt."

Das gilt allerdings nicht für Guerrero selbst, dem eine Bestrafung vonseiten Justitias droht. Gestern eröffneten der DFB sowie die Staatsanwaltschaft Hamburg ihre Ermittlungsverfahren. Und während das Verbandsrecht unter Paragraf acht eine Sperre von bis zu sechs Monaten für ein derartiges Fehlverhalten einfordert, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts "einer gefährlichen Körperverletzung", wie Staatsanwalt Bernd Mauruschat erklärte. Eine Anzeige des geschädigten HSV-Fans liege nicht vor, die Strafverfolgungsbehörde muss allerdings von Amts wegen tätig werden. Die Polizei ist mit den Ermittlungen und der Beweissicherung beauftragt. Dabei wird voraussichtlich auch Guerrero selbst aussagen müssen. Sollte sich der Verdacht einer versuchten gefährlichen Körperverletzung erhärten, droht dem Peruaner eine Haftstrafe von sechs Monaten, in einem minder schweren Fall sind drei Monate Haft oder eine Geldstrafe möglich.

Keine guten Aussichten für Guerrero, der weiterhin auf Milde hofft. "Ich habe so etwas noch nie zuvor gemacht, ich bin eigentlich kein aggressiver Typ. Ich weiß nicht, was die nächsten Tage auf mich zukommt", spricht der robuste Peruaner in seinem für ihn typisch leisen Ton und wirkt fast schon mitleiderregend, "aber ich wiederhole gern, dass mir das alles sehr, sehr leid tut." Guerrero gibt sich kämpferisch. "Ich gehe davon aus, noch viele Tore für den HSV zu schießen" - in dieser Saison allerdings wohl nur noch in der Europa League. Um auch in der Bundesliga weiter auf Torejagd zu gehen, müsste der 26-Jährige seinen Vertrag verlängern. Und das wäre - das ist die positive Nachricht des Tages - nach der langen Verletzung und dem Flaschenwurf deutlich günstiger. Wenn es der HSV überhaupt noch will.