Im Spiel gegen Standard Lüttich geht es auch um die Zukunft des HSV-Trainers. Im Live-Ticker auf abendblatt.de (ab 21.05 Uhr) verpassen Sie nichts.

Hamburg. Bruno Labbadia gab sich betont gelassen. Er könne es ja auch nicht ändern, was im Umfeld diskutiert werde. Und vor allem dürfe es ihn nicht interessieren. Nicht jetzt. "Das ist ein Endspiel - aber nicht nur für den Trainer, sondern für den ganzen Verein", hatte Piotr Trochowski unmittelbar zuvor die Bedeutung der heutigen Partie gegen Standard Lüttich (21.05 Uhr, Nordbank-Arena, Sat.1, Live-Ticker auf www.abendblatt.de ) hervorgehoben. Dass dabei mehr als nur das Erreichen des Halbfinales in der Europa League auf dem Spiel steht, ist klar. "Wir stehen in der Pflicht", so Labbadia, "alle."

Dabei weiß der Trainer genau, dass es heute auch um seine Zukunft geht. Nach nur fünf Siegen in den vergangenen 20 Pflichtspielen braucht Labbadia mehr denn je ein Erfolgserlebnis, will er auch noch kommende Saison das Traineramt in Hamburg ausüben.



Kann er sich beim Kampf um seinen Job noch auf seine Mannschaft verlassen? Oder wird er von ihr verlassen - so geschehen beim desaströsen 0:1 in Mönchengladbach? Bei der großen Aussprache am Montag sicherte die Mannschaft ihrem Trainer die Unterstützung zu. "Offene Worte" seien gefallen, sagt Trochowski: "Aber die Wahrheit liegt auf dem Platz. Alles andere zählt nicht."

Fast alles wird dabei von der Führungsachse abhängen, die Labbadia vor acht Monaten mit den Routiniers Frank Rost, Joris Mathijsen, David Jarolim, Zé Roberto, und Mladen Petric selbst installierte. Inzwischen wurde die Achse mit Weltstar Ruud van Nistelrooy formidabel verstärkt. Und doch ist sie brüchig geworden.

Dabei hat Labbadia mit Frank Rost eigentlich die Idealbesetzung für die hintere Achse. Total fokussiert auf den Erfolg, besessen, in Top-Form. Und loyal. Rost hat Labbadia in Stress-Situationen mehrfach unterstützt. Rost hat jedoch ein Problem mit Jungspunden wie Jerome Boateng oder Eljero Elia, die zwei Fußball-Generationen jünger sind und sich bei Auswärtsfahrten über Kopfhörer beschallen lassen, statt wie früher einfach Karten zu spielen. Und Rost nervt die Selbstzufriedenheit; mehrfach hat er öffentlich die Söldner-Mentalität gerügt, beklagt, dass HSV-Profis den Verein nur als Sprungbrett nutzen wollen. Die Kritik kam im Team nicht nur positiv an - einige Spieler reagierten beleidigt, was die Führungsaufgabe deutlich erschwert.

Joris Mathijsen wiederum hat sich durch schwache Auftritte selbst beschädigt. Intern gilt er als zu langsam, was vor allem an der Seite des eben auch nicht wieselflinken Rozehnal besonders auffällt. Und wer selbst häufig Fehler produziert, kann kaum Schwächen der Kollegen bekritteln.

Auch Zé Roberto hat sich inzwischen angreifbar gemacht. Ohnehin taugt er durch seine introvertierte Art kaum zum verbalen Führungsspieler. Zu Beginn seiner Zeit beim HSV war dies nicht weiter tragisch, da der Brasilianer überragend spielte und die Mitspieler fast ehrfürchtig die Hacken zusammenschlugen, wenn Zé Roberto nur die Kabine betrat. Doch inzwischen hat auch er sich mit schwachen Auftritten und Spekulationen um einen möglichen Wechsel geschadet. Für Aufsehen sorgte zuletzt einzig sein Auftritt in der Krisensitzung am Montag. Der sonst so stille Brasilianer sprach die Probleme im Team klar an.

Mladen Petric wiederum hat teamintern durch sein häufiges Kokettieren mit Angeboten der Konkurrenz gelitten. Hinter vorgehaltener Hand wird zudem im Team über eine gewisse Eifersucht Petrics auf den Hype um den neuen Superstar van Nistelrooy getuschelt. Fazit: Auch der Stürmer taugt derzeit kaum zum Anführer.

Bleibt David Jarolim. Intern wie extern unumstritten, gilt der Tscheche als letzter bedingungslos loyaler Gefolge des Trainers. Immer wieder versucht der Mittelfeldspieler, stets Vorbild an Einsatz und Siegeswillen, die Mannschaft in die Pflicht zu nehmen. Zuletzt äußerte Jarolim in Gesprächen mit dem Vorstand sogar deutliche Kritik an der Einstellung einzelner Kollegen.

Und Ruud van Nistelrooy? Für Aufsehen sorgte sein wütender Abgang nach seiner Auswechslung in Mönchengladbach. Dennoch gilt der Niederländer als erfolgsbesessen, sogar zu ehrgeizig, was dazu führen kann, dass er sich schon mal seinen Landsmann Mathijsen zur Brust nimmt und ihn energisch auffordert, mit der Jammerei über Kollegen und den Trainer aufzuhören. Mit Tunay Torun war die Diskussion so erregt, das sie zu einer Rangelei führte. Allerdings ist van Nistelrooy nach fast zweijähriger Verletzungspause immer noch auf der Suche nach seiner Form. Auch er hat also noch mit sich selbst zu tun - genau wie andere Achsen-Spieler.

Dabei braucht Labbadia sie jetzt nötiger denn je. Denn sein Verhältnis zur Mannschaft hat in den vergangenen Monaten gelitten. Mehrere Spieler klagen, dass Labbadia zu viel rede, zudem ständig das Training unterbreche und mangelnde Autorität mit starken Worten zu überdecken versuche. Gestern immerhin sprach Dennis Aogo Klartext: "Wer vor diesem Spiel noch Worte braucht, der hat hier nichts zu suchen. Wir als Mannschaft müssen eine Reaktion zeigen." Und dafür zählt heute nur das Ergebnis. Für die eigene Glaubwürdigkeit - und die Zukunft des Trainers.